Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Langhans, Louise, Luise (Hermine), geb. Japha

* 2. Febr. 1826 in Hamburg, † 13. Okt. 1910 in Wiesbaden, Pianistin, Klavierlehrerin und Komponistin. Als Pianistin wirkte Louise Langhans-Japha vornehmlich in den 50er, 60er und 70er Jahren des 19. Jahrhunderts. Insbesondere in Paris, wo sie sich von 1864 bis 1869 aufhielt, erwarb sie sich „den Ruf einer geist- und temperament-vollen Pianistin und begeisterten Schumann-Interpretin (Bock 1896, S. 85).

Über eine musikalische Förderung im familiären Umfeld liegen keine Angaben vor. Sie war die Tochter des Hamburger Kaufmanns Johann Gottlieb Japha (1796–1872) und seiner Frau Louisa geb. Japha (1797–1882) und wuchs als zweites von sieben Kindern auf. Ihre Geschwister waren Meta (Lebensdaten unbekannt), Anton (1819–1846), Ida, später verh. Jonas (1821–1843), Caroline Emilie, später verh. Schlesinger (1825–1910), Minna (1828–1882) und Pauline, später verh. Kleinmann (?–1885). Ob und inwiefern auch sie eine musikalische Ausbildung erhielten, ist bislang unbekannt. Gleichwohl scheint das familiäre Umfeld musik- und kunstaffin gewesen zu sein. Die Schwester Meta war später mit ihrem Cousin, dem Violinisten Georg Japha (1834–1892) verheiratet. Minna Japha wurde als Malerin bekannt und heiratete den Komponisten Carl Witting (1823–1907).

Louise Japha erhielt in Hamburg Unterricht im Klavierspiel bei Fritz Wahrendorf, außerdem Kompositionsunterricht von dem Musikdirektor Georg August Gross (1801–1853) und Wilhelm Grund (1790–1877). Ihr Debüt als Pianistin feierte sie um 1835. Sie konzertierte zunächst hauptsächlich im Rahmen von Wohltätigkeitskonzerten. Auch Auftritte am dänischen Königshof sowie vor dem schwedischen König (1836) sind belegt. Um 1843 wurde die Musikerin erstmals auch als Komponistin wahrgenommen. Zu dieser Zeit wurden Werke von ihr im Hamburger Verlag Schuberth & Comp. herausgegeben. Um 1844 lernte Louise Japha in der Hansestadt den jungen Johannes Brahms kennen, den sie durch Zufall einige Jahre später bei einem Klavierfabrikanten wiedertraf: „Ich hatte wegen Krankheitsfällen im elterlichen Hause so viel Störung beim Üben, daß ich öfter zu diesem Hilfsmittel greifen mußte, zu Baumgarten und Heins zu gehen. Brahms hatte ähnliche Gründe; seine Schwester war sehr kränklich, auch mochte der Raum bei seiner Familie zu beschränkt, das Klavier zu schlecht gewesen sein. So kam es, daß wir uns befreundeten; er zeigte und spielte mir vor, was er gearbeitet hatte, und außerdem nahmen wir alles, was nur irgend für zwei Klaviere vorhanden war, miteinander durch“ (zit. nach Kalbeck 1921, S. 35f.).

Die große Vorliebe Louise Japhas für Werke von Robert Schumann teilte Brahms laut der Pianistin zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Indes führten die Wertschätzung Robert Schumanns sowie der Ruf Clara Schumanns Louise Japha 1853 nach Düsseldorf, wo sie von Clara Schumann weiter auf dem Klavier ausgebildet wurde. 1855 fand Louise Japha nach einem Auftritt im Düsseldorfer Musikverein beifällige Aufnahme durch die Presse und konzertierte wenig später in Berlin. In Robert Schumann fand sie laut Anna Morsch „einen eifrigen Förderer ihrer kompositorischen Versuche“ (Morsch 1893, S. 45). Auch die „Berliner Musikzeitung“ erwähnt sie als Kompositionsschülerin von Robert Schumann. (Bock 1868, S. 221). Von ihm erhielt sie einen Empfehlungsbrief, der später „die musikalische Welt auf dieses Genie aufmerksam machte“ (NZfM 1896, S. 111).

In Düsseldorf pflegte Louise Japha Umgang mit dem Komponisten und Dirigenten Albert Dietrich (1829–1908) sowie mit Brahms. Letzterer widmete der Pianistin und deren Schwester Minna, die zur gleichen Zeit in Berlin Bildende Künste studierte, seine Sechs Lieder für Sopran und Tenor op. 6. Neben Brahms und Dietrich traf die Pianistin den Geiger, Komponisten und späteren Korrespondenten der „Neuen Zeitschrift für Musik“ unter Robert Schumann, Wilhelm Langhans (1825–1892) wieder, den sie zuvor bereits in Berlin kennengelernt hatte. 1858 heirateten beide und bekamen in der nächsten Zeit zwei Söhne: Wilhelm und Carl Friedrich. Nach der Eheschließung trat Louise Langhans-Japha zunächst nur noch zusammen mit ihrem Ehemann auf. Sie blieben zwei Jahre in Düsseldorf und zogen anschließend nach Hamburg. 1860 berichtet die „Deutsche Musik-Zeitung“ vom ersten Wiederauftreten der Pianistin nach ihrer Heirat in einem Konzert von Wilhelm Langhans im Wörmer’schen Saal in Hamburg. 1864 konzertierten sie zusammen in Leipzig und Karlsruhe und siedelten noch im selben Jahr nach Paris über, wo sie zum Gefallen deutscher Musikkritiker den „neuesten Erscheinungen der classischen deutschen Kammer- und Claviermusik Eingang in Frankreich’s Hauptstadt“ (Bock 1866, S. 200) verschafften, darunter insbesondere Kompositionen von Robert Schumann. Seine Werke bildeten während der gesamten Konzerttätigkeit der Künstlerin einen Repertoire-Schwerpunkt.

Die Konzerte des Ehepaars im Pariser Salon Érard wurden zu einer festen Einrichtung, die zunächst nur Interesse bei der „Elite [des] musikalischen Publikums (Bock 1866, S. 199), später aber auch das Interesse „des großen Publicums (Signale 1866, S. 378) erregten, was, wie ein Kritiker der Zeitschrift „Signale für die musikalische Welt bemerkt, keine Selbstverständlichkeit war. So heißt es hier über Louise Langhans-Japha: Sie hat den letzten, zugleich aber auch den schwierigsten Schritt gethan, denn die Pariser widerstehen trotz ihrer sprichwörtlichen Beweglichkeit doch lange den neuen Namen. Und Componisten wie Virtuosen haben nicht nur hervorragende Fähigkeiten, sondern auch große Beharrlichkeit nötig, um diese Hartnäckigkeit zu überwinden. […] Frau Langhans spielte noch außer vier kleineren Stücken von Schumann, zwei Compositionen von Liszt, und wurde ihr zum Lohne dieser muthigen That die unerwartete Ehre zu Theil, den berühmten Abbé auf der Estrade erscheinen zu sehen und die schmeichelhaftesten Lobsprüche von ihm zu empfangen (ebd.). Liszt ehrte die Pianistin auch, indem er ihr die Beethoven-Kantate Nr. 1 (Festkantate zur Enthüllung des Beethoven-Denkmals in Bonn, 1845) op. 67 (Searle) widmete.

In Paris pflegte das Künstlerehepaar unter anderem Kontakt zu Wilhelmine Clauss-Szarvady (1834–1907), Familie Damke, Jerome Albert Viktor Wilder, Camille Saint-Saëns, François-Auguste Gevaert, Hector Berlioz, Stephen István Heller, César Franck und Gioachino Rossini. 1869 kehrte das Paar nach Deutschland zurück. Bis 1870 hielt es sich in Heidelberg auf, wo Wilhelm Langhans Philosophie studierte und dieses Studium mit einer Promotion abschloss. Louise Langhans-Japha trat von diesem Zeitpunkt an wieder allein vor die Öffentlichkeit. Neben den Werken von Robert Schumann brachte sie in ihren Konzerten vorrangig Literatur weiterer zeitgenössischer Komponisten wie Schubert, Liszt, Chopin, Joseph Joachim, Raff und Stephen Heller zur Aufführung, aber auch Werke von Joh. Seb. Bach, Cherubini und Beethoven. Von 1870 an trug sie vermehrt eigene Kompositionen sowie Bearbeitungen für Klavier vor.

1872 lebte Louise Langhans-Japha mit der Familie in Berlin, „wo die freundschaftlichen Beziehungen zu dem kunstsinnigen Hause Mendelssohn und der Verkehr mit Künstlergrößen wie Joachim, Bülow u. A. die Verhältnisse ähnlich angenehm und inhaltreich wie früher in Paris gestalteten (NZfM 1896, S. 111). 1873 und 1874 sind zahlreiche Auftritte der Pianistin in Menton (Frankreich) belegt. Hierhin reiste sie zusammen mit Wilhelm, ihrem ältesten Sohn, für den das milde Klima eine Besserung seines schlechten Gesundheitszustandes versprach. Soireen mit dem Geiger Charles Graff und dem Cellisten Ousborn bildeten in Menton, wie ein Rezensent der „Neuen Berliner Musikzeitung“ angibt, „den Mittelpunkt [des] musikalischen Lebens (Bock 1874, S. 30). Daneben machte sich Louise Langhans-Japha dort aber auch einen Namen als Klavierlehrerin für Mitglieder der wohlhabenden Gesellschaftsschicht.

Im Herbst 1874 erfolgte die Rückkehr nach Deutschland. In einem Konzert in Köln spielte die Pianistin zusammen mit ihrem Cousin und Schwager, dem Geiger George Japha (1835–1892), und trug daneben Festines d’Esope von Charles-Henri-Valentin Alkan vor, einem Konzertkritiker zufolge „ein geniales, mit scheinbar unbezwinglichen Schwierigkeiten ausgefülltes Werk, durch dessen Aufführung sie sich als eine Künstlerin ersten Ranges hinstellte“ (Bock 1874, S. 278). Nach der Scheidung von ihrem Ehemann im Jahre 1874 zog Louise Langhans-Japha nach Wiesbaden, „wo sie sich in öffentlichen und Privatkreisen noch eifrig künstlerisch bethätigte“ (NZfM 1896, S. 111). Vereinzelt unternahm sie kürzere Konzertreisen, in deren Rahmen sie unter anderem in Offenbach (1875), Biberich (1876) und Köln (1883) auftrat. In einer Ehrung der Künstlerin anlässlich ihres 70. Geburtstags spricht die „Neue Zeitschrift für Musik“ von ihr als einer „geschätzten Pianistin, die heute noch mit jugendlicher Begeisterung und Frische zu wirken vermöchte, wenn nicht ein Gehörleiden ihr die öffentliche Ausübung ihres Berufs erschwerte (1896 I, S. 111). Ihre künstlerische Tätigkeit beschränkte sich zu dieser Zeit daher auf Konzerte im privaten Rahmen. „So haben nur noch kleinere Freundeskreise die Freude und den Genuß, ihrem meisterhaften Spiele zu lauschen (ebd.).

 

Portrait von van Bosch, Wiesbaden. 

 

WERKE FÜR KLAVIER

Variations brillantes et faciles sur un Thème de Norma (Qual Cor tradisti) de V. Bellini, Hamburg 1840; 5 Lieder ohne Worte op. 2, Hamburg 1841; Impromptu brillant op. 6, Hamburg 1842; Trois Gondolières op. 11, Berlin (Schlesinger) 1845; Romanze op. 12, Hamburg (Schuberth) 1851; 5 Mazurkas op. 14, Hamburg 1857; Adaption des Scherzo aus Cherubini’s Streichquartett in Es-Dur, Hamburg 1864; 4 Klavierstücke op. 16, Leipzig 1866; 2 Sonatinen op. 18, Dresden 1868; Danse guerrière op. 19, Berlin 1875; Nocturne op. 20; Ballade op. 21, Hamburg 1873; Sicilienne op. 22; Am Ceresio (Erinnerungen an Lugano; Barcarolle für Klavier) op. 23, Leipzig 1875; Adaption der Gartenszene aus der Oper Die Königin von Saba von Goldmark, Hamburg 1878; 2 Klavierstücke (Menuett und Gavotte) op. 28, Dresden 1890; Presto in fis-Moll op. 29, Dresden 1889; Ländler op. 32; Seven works op. 36; Adaption von Loges Erzählung aus Richard Wagners Musikdrama Das Rheingold; Caprice

 

LITERATUR

Stammtafel der Familie Japha, Staatsarchiv Hamburg, Signatur 731-1, HS 126a Bd. 5.

Biographie Louise Langhans-Japha, Staatsarchiv Hamburg, Signatur 741-2.1 Japha.

AmZ 1863, Sp. 582, 688; 1864, Sp. 653

Bock 1851, S. 304; 1855, S. 195; 1856, S. 392, 397; 1857, S. 219; 1865, S. 71; 1866, S. 119f.; 1868, S. 37, 211; 1872, S. 100; 1873, S. 100, 364, 400; 1874, S. 30, 31, 47, 62, 95, 278, 398; 1875, S. 111, 295; 1876, S. 21; 1878, S. 110, 359; 1882, S. 15; 1889, S. 366; 1892, S. 112, 322; 1893, S. 20; 1896, S. 85

Deutsche Musik-Zeitung [Wien] 1860, S. 391

FritzschMW 1872, S. 316; 1910, S. 328

Monthly Musical Record 1882, S. 187

MusT 1899, S. 586f.; 1908, S. 189; 1910, S. 787

MusW 1873, S. 854; 1874, S. 587, 845; 1907, S. 386

Neue Freie Presse [Wien] 1874, 25. Juli; 1895, 17. Apr.

NZfM 1838, S. 60; 1845, S. [197]; 1855, S. 152, 195; 1870, S. 50; 1871, S. 299; 1872, S. 33, 146, 197; 1874, S. 41, 360; 1875, S. 61, 153; 1876, S. 38; 1884, S. 107; 1896, S. 110f.

Niederrheinische Musik-Zeitung für Kunstfreunde und Künstler 1855, S. 44f.

Signale 1843, S. 4; 1863, S. 582; 1864, S. 139f.; 1865, S. 386; 1866, S. 333, 378; 1870, S. 108; 1871, S. 76; 1872, S. 100f.; 1883, S. 77

Mendel, Brown Bio, Baker, Riemann 7, Altmann, Lyle, MGG 2000, New Grove 2001

Friedrich Frick, Kleines biographisches Lexikon der Violinisten. Vom Anfang des Violinspiels bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, Norderstedt 2009.

Anna Morsch, Deutschlands TonkünstlerinnenBiographische Skizzen aus der Gegenwart, Berlin 1893.

Max Kalbeck, Johannes Brahms, 4 Bde., Bd. 1, 1. Halbband 1833–1856, 4. Auflage, Berlin 1921.

Josef Sittard, Geschichte des Musik- und Concertwesens in Hamburg vom 14. Jahrhundert bis auf die Gegenwart, Leipzig 1890, Repr. Hildesheim [u. a.] 1971.

Arthur Elson, Woman’s Work in Music, Boston 1904, Repr. Portland/Maine 1976.

Neue Deutsche Biographie, hrsg. von der Historischen Kommission der Bayrischen Akademie und der Bayrischen Staatsbibliothek, 24 Bde., Bd. XIII, Berlin 1982 (Art. Langhans, Wilhelm).

Samuel Lipman, Music and moreessays1975-1991, Evanston 1992.

Ulrike Teske-Spellerberg, Ich habs gewagt. Louise Langhans-JaphaEine vergessene Komponistin der Romantik, in: Festschrift für Winfried Kirsch zum 65. Geburtstag, hrsg. von Peter Ackermann (= Frankfurter Beiträge zur Musikwissenschaft 24), Tutzing 1996, S. 359–375.

Katrin Eich, Die Kammermusik von César Franck (= Kieler Schriften zur Musikwissenschaft 48), Kassel 2002.

Sabina Teller Ratner, Camille Saint-Saëns1835–1921A thematic catalogue of his complete works, Oxford/New York 2002.

Ilse Jahn u. Isolde Schmidt, Matthias Jacob Schleiden (1804–1881)sein Leben in Selbstzeugnissen, Stuttgart 2005.

 

Bildnachweis

Gemeinfrei über Wikimedia Commons - http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Portrait_of_Louise_Japha.png#media­viewer­/File:Por­trait_of_Lou[ise_Japha.png

 

Annkatrin Babbe

 

© 2011/2022 Freia Hoffmann