Musikhochschulen und Konservatorien im NS-Staat

Beteiligte Wissenschaftler:innen: Prof. Dr. Freia Hoffmann, PD Dr. Philine Lautenschläger, Dr. Alexandre Bischofberger, Christiane Barlag

Das Sophie Drinker Institut in Bremen widmet sich der systematischen Erforschung der institutionellen Strukturen und inhaltlichen Ausrichtungen der Musikausbildung im Nationalsozialismus. Die kritische Auseinandersetzung mit historischen Formen politischer Einflussnahme, ideologischer Vereinnahmung und institutioneller Komplizenschaft stellt eine wesentliche Voraussetzung dar, um gegenwärtige gesellschaftliche und politische Entwicklungen im Kulturbereich differenziert analysieren und reflektieren zu können.

Im Zentrum des Forschungsvorhabens steht die Untersuchung ausgewählter deutscher Musikausbildungsinstitutionen im Zeitraum von 1930 bis 1950. Damit sollen nicht nur die Phase des Nationalsozialismus selbst, sondern auch die vorausgehenden Transformationsprozesse der Weimarer Republik sowie die personellen und strukturellen Kontinuitäten und Brüche der unmittelbaren Nachkriegszeit in den Blick genommen werden. Das Projekt schließt damit eine Forschungslücke: Es fehlt bisher eine umfassende Erforschung und Darstellung professionalisierender Musikausbildung in den deutschsprachigen Musikhochschulen zur Zeit des Nationalsozialismus.

Das Projekt verfolgt zwei komplementäre Erkenntnisinteressen: Zum einen wird der Frage nachgegangen, in welcher Weise die nationalsozialistische Herrschaftsstruktur die professionelle Musikausbildung institutionell, personell und curricular geprägt hat. Zum anderen wird die Rolle der Musikhochschulen und ihrer Angehörigen bei der Etablierung, Legitimation und Stabilisierung nationalsozialistischer Herrschaft untersucht.

Das Projekt befasst sich mit einer repräsentativen Auswahl von berufsbildenden und vom Staat (mit)finanzierten Institutionen, die sich hinsichtlich ihrer Lage (Zentrum/Peripherie; Deutsches Reich/Österreich) und des institutionsgeschichtlichen Kontextes unterscheiden. Im Fokus stehen dabei zunächst vier zentrale Ausbildungsstätten: die Hochschule für Musik in Berlin, die dortige Akademie für Schul- und Kirchenmusik sowie die Musikhochschulen in Stuttgart und Wien. Die Ergebnisse dieser vergleichenden Untersuchung werden in einem Sammelband veröffentlicht. Eine systematische Analyse dieser Einrichtungen erlaubt es, über individuelle Handlungsspielräume hinaus die Funktion von Musikhochschulen als Orte ideologischer Disziplinierung, sozialer Selektion und kollektiver Vergemeinschaftung im Sinne der nationalsozialistischen ‚Volksgemeinschaft' zu rekonstruieren. Damit leistet das Projekt über die Institutionengeschichte hinaus einen Beitrag zur kulturpolitischen Verflechtung von Bildung, Ideologie und Herrschaft im 20. Jahrhundert.

Ein Blick in den Musikunterricht der 1930er-Jahre (KI-generiertes Bild).