Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Cibbini, Cibini, Cibbini-Koželuch, Katharina, Catharina (Maria Leopoldina), geb. Koželuch

get. 20. Febr. 1785 in Wien, † 12. Aug. 1858 in Reichstadt, Pianistin, Klavierlehrerin, Komponistin, k. k. Kammerfrau, Vorleserin der Kaiserin Maria Anna. Sie war die Tochter des angesehenen Klavierpädagogen, Musikalienhändlers, k. k. Kammerkapellmeisters und Hofkompositeurs Leopold Anton Koželuch (1747–1818) und dessen aus einer Anwaltsfamilie stammenden Ehefrau Maria Apollonia geb. Allmayer von Allstern (1764–?). Nach der von langwierigen Prozessen begleiteten Trennung ihrer Eltern, die im Jahr 1796 abgeschlossen war, verblieben sowohl Katharina als auch ihre beiden Brüder Anton und Baptist in der Obhut des Vaters. Dieser übernahm wohl auch persönlich die erste musikalische Ausbildung seiner Tochter, die nicht nur als Musikerin und Klavierlehrerin das berufliche Erbe Leopold Koželuchs antreten sollte: Nach dessen Tod trat sie auch als Verwalterin des musikalischen Nachlasses ihres Vaters in Erscheinung. Als weiteren Lehrer Katharinas nennen frühe lexikalische Quellen (vgl. Wurzbach, ADB) auch Muzio Clementi (1752–1832).

Ein wahrscheinlich aus dem Jahr 1798 stammender Brief Leopold Koželuchs an seinen Londoner Geschäftspartner Robert Birchall spricht von Plänen, die damals 13-jährige Katharina binnen zwei Jahren in England als ausgezeichnete Pianistin und Sängerin der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die angekündigte Reise konnte jedoch nicht zum geplanten Zeitpunkt durchgeführt werden.

Katharina Cibbini-Koželuch pflegte im Laufe ihres Lebens Kontakte zur zeitgenössischen Elite des Wiener Musiklebens. Reichardt etwa berichtet im Febr. 1809 aus Wien: „An Koželuchs feiner, gebildeter Tochter habe ich jetzt auch in dem lieben Heniksteinschen Hause eine sehr schöne, geschmackvolle Klavierspielerin kennen gelernt“ (Reichardt 1915, S. 21). Von Beethoven hieß es, er habe Katharina Cibbini-Koželuch, die zu jenem Zeitpunkt als eine der besten Pianistinnen Wiens galt, heiraten wollen, und später, während ihrer Zeit bei Hofe, suchte Robert Schumann – wohl auf Anregung Clara Wiecks – ihre Unterstützung. Liszt und Chopin zählten ebenfalls zu den mit Katharina Cibbini-Koželuch bekannten Künstlern. Als gesuchte Klavierlehrerin unterrichtete sie u. a. Leopoldine Blahetka, welche der von ihr bewunderten Lehrerin ihr Op. 2, die Variations brillantes et Rondeau Polonaise mit Orchesterbegleitung zueignete. Auch die Erzherzogin Sophie von Österreich soll von Katharina Cibbini-Koželuch im Klavierspiel unterwiesen worden sein.

Am 12. Nov. 1809 ehelichte Katharina Koželuch den aus Telve stammenden Hof- und Gerichtsadvokaten Anton Cibbini. Aus dieser Verbindung stammen zwei Töchter, Maria (1813–?) und Mathilde (1817–?). Die junge Familie ließ sich in der Wiener Dorotheergasse 1107 nieder. 1831 wurde der mittlerweile hoch verschuldete Anton Cibbini aufgrund geistiger Verwirrung, von welcher er sich bis zu seinem Tod im Jahr 1836 nicht mehr erholen sollte, unter Kuratel gestellt. Katharina oblag es nunmehr, allein für den Lebensunterhalt der Familie sowie die Spitalsaufenthalte ihres Ehemannes in Feldsberg und später in Altbrünn aufzukommen. Am 14. Jan. 1831 trat sie als Erste Kammerfrau der Prinzessin Maria Anna anlässlich deren Eheschließung mit dem späteren Kaiser Ferdinand in den Hofdienst und beendete somit spätestens zu diesem Zeitpunkt ihre aktive Konzerttätigkeit. Dass Katharina Cibbini-Koželuch bereits zuvor berufliche Kontakte zu Angehörigen der kaiserlichen Familie pflegte, ist anzunehmen; auch erwähnen lexikalische Quellen wiederholt eine frühere Tätigkeit als Kammerfrau der Kaiserin Karoline Auguste. Besonders Kaiser Ferdinand schätzte Vehse zufolge die Hofdame seiner Gemahlin: „Einen großen Stand bei dem immer kränklichen Kaiser hatte deren [Kaiserin Maria Annas] erste Kammerfrau, Frau Catherine Cibbini, sowohl durch ihr Pianofortespiel, da Ferdinand die Musik sehr liebte und selbst ziemlich fertig spielte, als hauptsächlich bei seinen epileptischen Zufällen, wo niemand ihn so gut abzuwarten wusste, als sie“ (Vehse 1852, S. 161). Ein Ansuchen um Erhebung in den Adelsstand für sich und ihre Töchter aus dem Jahr 1838 wurde Katharina Cibbini-Koželuch nach derzeitigem Kenntnisstand jedoch nicht bewilligt.

Nicht nur als Mäzenin, sondern auch in Hinblick auf die Tagespolitik schrieb man Katharina Cibbini-Koželuch gemeinhin einen ungewöhnlich hohen Einfluss zu. So wurde sie etwa neben den Grafen Brandis und Bombelles als mächtige Exponentin der reaktionären Partei während der Revolution von 1848 gefürchtet und zum Ziel zahlreicher Flugschriften und Karikaturen. 1851 zur Vorleserin der Kaiserin ernannt, verblieb sie wahrscheinlich bis zu ihrem Tode im Hofdienst.

 

WERKE FÜR KLAVIER SOLO

Variations, o. op., Wien um 1822, Divertissement, o. op., Wien 1822; Polonaise, o. op., Wien 1822; XXV Valses..., o. op., Wien um 1822; Polonaise…, o. op., Wien 1825; Introduction et variations brillantes sur un thème de Caraffa, op. 2, Wien 1828; Deux divertissements brillants et d’un style élégant... sur des motifs favoris..., op. 3, Wien 1828; Marche et Trio, op. 4, Wien o. J.; Introduction et variations in Es, op. 5, Wien 1830; Six valses, op. 6, Wien 1830 (NA: Körborn 2010); Impromptu sur un thème de Mad. Clary di Zentner, op. 7, Wien o. J.; Introduction et polonaise, op. 8, Wien 1833 (NA: Körborn o. J.); Seize valses..., op. 9, Wien 1833; Impromptu in Es-Dur, o. op., o. J.

 

KAMMERMUSIK MIT KLAVIER

La rimembranza. Grand trio concertant sur des motifs favoris pour deux pianos et violoncelle, op. 10, Wien 1834

 

LITERATUR

Taufbuch St. Stephan, 1784, Tomus 98, Fol. 276

Traubücher: St. Stephan, 1809, Fol. 191; St. Augustin, 1809, Fol. 38

Wiener Stadt- und Landesarchiv: Zivilger. Fasz. 7/2973/1793, 11/9/1794, Verlassenschaftsabhandlung Anton Cibbini 2/5807/1831

Briefe Leopold Koželuchs (Österreichische Nationalbibliothek ), HS 355/52-2; HS 355/52/3

Österreichisches Haus-, Hof- und Staatsarchiv: OKäA 1838 r. 3/1183; OMeA 1851 r. 128/130/18/5899

Flugblätter (Österreichische Nationalbibliothek): 1848/226/61, 1848/312/25, 1848/313/69

Wurzbach, Mendel, ADB, EitnerQ, Riemann 12, Marx/Haas

Johann Friedrich Reichardt, Vertraute Briefe geschrieben auf einer Reise nach Wien und den Österreichischen Staaten zu Ende des Jahres 1808 und zu Anfang 1809, 2 Bde., Bd. 2, München 1915.

Karl-Heinz Köhler u. Grita Herre (Hrsg.), Ludwig van Beethovens Konversationshefte, 11 Bde., Bd. 7, Leipzig 1978; Bd. 8, Leipzig 1981.

Gerd Nauhaus (Hrsg.), Schumann Tagebücher, 3 Bde., Bd. 2 (1836-1854), Basel u. Frankfurt a. M. 1987; Bd. 3: Haushaltsbücher Teil 1 (1837–1847), Basel u. Frankfurt a. M. 1982.

Sigmund Engländer (Hrsg.), Wiener Charivari. Katzenmusik. Politisches Tagsblatt für Spott und Ernst mit Karrikaturen, Wien 1848.

Karl E. Vehse, Geschichte der deutschen Höfe seit der Revolution, Bd. 16, zweite Abtheilung: Geschichte des östreichischen Hofs und Adels und der östreichischen Diplomatie, zehnter Theil, Hamburg 1852.

Eduard Hanslick, Geschichte des Concertwesens in Wien, 2 Bde., Bd. 1, Wien 1869, Repr. Hildesheim [u. a.] 1979.

Frederick Niecks, Frederick Chopin, as a Man and Musician, 2 Bde., Bd. 1, London 31902.

Elisabeth Rössl, „Leopoldine Blahetka. Eine Pianistin und Komponistin der Biedermeierzeit“, in: Biographische Beiträge zum Musikleben Wiens im 19. und frühen 20. Jahrhundert, hrsg. von Friedrich C. Heller (= Musikleben 1), Wien 1992, S. 111–213.

Christa Flamm, Leopold Koželuch. Biographie und stilkritische Untersuchung der Sonaten für Klavier, Violine und Violoncello nebst einem Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Klaviertrios, 3 Bde., Diss. masch., Wien 1996.

Michaela Krucsay, Auf die Cibbini hoffe ich wie auf einen Engel. Zwischen Kunst und Kaiserhof“, in: „Ein unerschöpflicher Reichthum an Ideen…“. Komponistinnen zur Zeit Mozarts, hrsg. von Elena Ostleitner u. Gabriele Dorffner (= Frauentöne 6), Strasshof [u. a.] 2006, S. 53-62.

Michaela Krucsay, Katharina Cibbini-Koželuch: Musikerin und Mäzenin (= Frauentöne 7), Strasshof 2008.

Claudia Schweitzer, „Bühnenabbrüche als Karrierekick, in: Musik und Emanzipation. Festschrift für Freia Hoffmann zum 65. Geburtstag, hrsg. von Marion Gerards und Rebecca Grotjahn, Oldenburg 2010, S. 141–150.

Michaela Krucsay, Katharina Cibbini-Koželuch. Ein Leben zwischen Musik und Machtin: Frauen hör- und sichtbar machen. 20 Jahre „Frau und Musik“ an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, hrsg. von Sarah Chaker u. Ann-Kathrin Erdélyi, Wien 2010, S. 165–187.

 

Michaela Krucsay

 

© 2007 Freia Hoffmann