Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Massart, Louise-Aglaé, geb. Masson

* 10. Juni 1827 in Paris, † 26. Juli 1887 in Paris, Pianistin, Klavierlehrerin und Komponistin. 1838 wurde sie Studentin des Pariser Conservatoriums, wo sie 1838 von Marie-Anna Coche (1811–1866) und 1839 von Louis Adam (17581848) unterrichtet wurde. 1840 – im Alter von 13 Jahren – erzielte sie einen ersten Preis. Nachdem sie auch öffentlich gespielt hatte, ernannte sie die Herzogin von Orléans zur Hofpianistin.

 

Madame Louise Aglaé Massart, Gravur von Levasseur 1879.

 

Louise-Aglaé Masson heiratete 1849 den Violinisten und Violinlehrer (Joseph-)Lambert Massart (1811–1892), mit dem sie gemeinsam auftrat, nach 1850 jedoch nur seltener in der Öffentlichkeit. In ihrem Haus hielt das Ehepaar regelmäßig Soireen ab, bei denen namhafte zeitgenössische KünstlerInnen mitwirkten. Das Ehepaar Massart gehörte zum engsten Freundeskreis Hector Berlioz’ und war zusammen mit Stephen Heller und Ernest Reyer an Aufbau und Organisation der Société Philharmonique beteiligt. Mit Hector Berlioz führte Louise Massart einen regen Briefwechsel. Besonders beeindruckt war der Komponist von ihrem Klavierspiel: „Versuchen Sie doch niemals besser als das letzte Mal zu spielen […]. Das Vollkommene genügt“ (Berlioz 1904, S. 177). 1865 bekundete er sein großes Bedauern, aufgrund einer Erkrankung nicht zu ihrem Konzert kommen zu können: „Ich werde mir eine lebhafte Vorstellung machen von der Sonate, von dem Klang des F-Moll, von Ihrer Auffassung“ (Berlioz 1904, S. 208). Im selben Jahr schrieb er: „Überdies rührt mich Ihre leidenschaftliche Liebe zur Musik aufs tiefste. Denn wenn ich mich auch für nichts mehr interessiere in der Kunst, die bei uns so entsetzlich herabgewürdigt ist, so sehe ich doch einen jungen Künstler wie Sie mit so edlen Zielen nicht, ohne die herzlichste Freude darüber zu empfinden“ (Berlioz 1904, S. 218). 1864 trat sie im Pariser Conservatorium auf, und 1867 gab sie mehrere Konzerte in Paris.

Von 1856 bis 1867 war Louise-Aglaé Massart Mitglied der Société Armingaud et Jacquard, die 1855 als Streichquartett gegründet worden war, sich dann zum Quintett erweiterte und besonders die Kammermusik Mozarts, Beethovens, Schuberts, Mendelssohns und Schumanns pflegte. Massart setzte sich dafür ein, auch Werke Joh. Seb. Bachs einzubeziehen. Musizierpartner waren die Violinisten Jules Armingaud und E. Lapret, Édouard Lalo an der Viola, abgelöst von Joseph Mas, sowie der Violoncellist Léon Jacquard. 1870 musizierte die Pianistin in Kammermusikkonzerten mit Henri Vieuxtemps und Léon Jacquard Werke von Haydn, Beethoven, Schubert, Schumann und Mendelssohn.

Im Jahr 1874 übernahm Louise-Aglaé Massart am Pariser Conservatorium die Klavierklasse von Louise Farrenc. Unter ihren SchülerInnen waren Marie Roger-Miclos und Clothilde Kleeberg, Jeanne Arbeau und Gemma Luziani (1879). Zu den Prüfungen von Jeanne Arbeau und Mlle Lebrun bemerkt die „Allgemeine musikalische Zeitung“: „Mme Massart und Herr le Couppey sind so sehr an Schülertriumphe gewöhnt, dass man wahrhaftig nicht mehr weiss, welcher Ausdrücke man sich zu ihrer Beglückwünschung bedienen soll. Schüler des einen oder der andern zu sein, ist ein Titel, der fast so viel wie ein Brevet werth ist“ (AmZ 1879, Sp. 747).

Als die Musikerin 60-jährig starb, verfasste der prominente Musikschriftsteller Arthur Pougin einen ausführlichen Nachruf, in dem er sie folgendermaßen charakterisierte: „Musicienne de race, virtuose de premier ordre, elle joignait la grâce à la vigueur, la grandeur à lélégance, le goût à la passion, et son jeu tout à la fois brillant, coloré, poétique, se pliait merveilleusement à la manière de chaque maître et revêtait successivement les qualités qui convienent [sic] à chacun deux („Vollblutmusikerin und erstklassige Virtuosin, verband sie Anmut mit Kraft, Größe mit Eleganz, Geschmack mit Leidenschaft, und ihr Spiel, das gleichermaßen brillant, farbig und poetisch war, passte sich wunderbar der Eigenart jedes Meisters an und versah ihn einfühlsam mit den Besonderheiten, die jedem von ihnen entsprechen (Le Ménestrel 1887, S. 280).

Louise-Aglaé Massart schrieb Arrangements für Violine und Klavier sowie Variationen für Klavier.

 

WERKE

Variationen für Klavier

 

LITERATUR

L’Abeille Mai 1878, NP [S. 3]

AmZ 1846, Sp. 210; 1864, Sp. 211; 1879, Sp. 747

Les Beaux-arts. Revue nouvelle 1863, S. 212

La Comédie 24. Mai 1874, S. 7

Le Journal de musique 17. Sept. 1882, S. 1

Le Ménestrel 1851, 23. Febr., NP [S. 14], 4. Mai, NP [S. 10]; 1852, 1. Febr., S. 2; 1855, 22. Apr., S. 2; 1857, 5. Apr., S. 4; 1858, 31. Jan., S. 4; 1874, S. 284, 286; 1881, S. 285; 1882, S. 284; 1883, S. 282; 1886, S. 284; 1887, S. 280283, 285

Le Moniteur des Pianistes 1866, S. 12; 1870, S. 22

Le Monde artiste 29. Jan.1876, S. 2

Le Monde dramatique 1860, 18. Apr., S. 1; 26. Apr., S. 2

Musikpädagogische Blätter. Zentralblatt für das gesamte Unterrichtswesen 1888, S. 83

NZfM 1840 II, S. 76; 1850 I, S. 166, 174; 1852 I, S. 288

La Renaissance musicale 1882, S. 247; 1883, S. 239

Signale 1852, S. 236; 1867, S. 226; 1881, S. 564; 1887, S. 713; 1888, S. 273

L’Univers illustré 1876, S. 147; 1878, S. 770

L’Univers musical 1864, S. 42

Mendel Suppl., New Grove 1 (Art. Massart, Lambert), Cohen, Baker 7, Honegger (Art. Massart, Lambert-Joseph), Hixon, MGG 2000 (Art. Massart, Lambert), New Grove 2001 (Art. Massart, Lambert)

Hector Berlioz, Gesammelte Schriften. Autorisirte deutsche Ausgabe von Richard Pohl, 4 Bde., Bd. 1, Leipzig 1864.

Hector Berlioz, Neue Briefe (= Literarische Werke 4), Leipzig 1904.

Arthur Elson, Woman’s Work in Music, Boston 1904, Repr. Portland 1976.

Joël-Marie Fauquet, Les sociétés de musique de chambre à Paris de la restauration à 1870, Paris 1986.

Ladislas de Rohozinski, Cinquante ans de musique française de 1874 à 1925, 2 Bde., Bd. 2, Paris 1925.

Dallas Kern Holoman, Berlioz, London 1989.

Anne Bongrain u. Alain Poirier, Le Conservatoire de Paris. Deux cents ans de pédagogie, Paris 1999.

Catherine Legras, Louise Farrenc, compositrice du XIX e siècle. Musique au féminine, Paris 
[u. a.] 2003.

Florence Launay, Les Compositrices en France au XIXe siècle, Paris 2006.

 

Bildnachweis

http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b77215873.r=massart.langEN, Zugriff am 24. Apr. 2009.

 

Anja Herold

 

© 2009 Freia Hoffmann