Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Gräf, Gräff, Maria Magdalena, verh. Kauth

* 1754 in Mainz, Sterbedaten unbekannt, Pianistin, Harfenistin und Komponistin. Über die soziale Herkunft ist ebenso wenig bekannt wie über ihre Ausbildung.

Als hochbegabte Kindervirtuosin machte sie bereits in jungen Jahren auf sich aufmerksam. 1764 spielte sie als „Kind von 10. Jahren und 2. Monath“ (Kurtz-gefaßter Historischer Nachrichten zum Behuf der Neuern Europäischen Begebenheiten für das Jahr 1764, S. 996) in zwei Konzerten (das erste davon wohl am 28. Nov. im Rothen Hof) in Frankfurt a. M. und hinterließ dabei offenbar großen Eindruck. „Kurtz-gefaßter Historischer Nachrichten [sic] zum Behuf der Neuern Europäischen Begebenheiten“ schreibt, Maria Magdalena Gräf „spielte mit ungemeiner Fertigkeit:

1)  Verschiedene Concerte von grossen Meistern auf dem Clavi-Cembalo.

2)  Auf der Harpfe [sic], eben so

3)  Auf dem Clavi-Cembalo und Harpfe zugleich, welches eine eigene Erfindung von ihr selbsten.

4)  Accompagnirte sie nach der Violin-Stimme den General-Baß.

5)  Präludirte und phantasirte dieselbe ganze Stunden lang aus ihrem Kopf, und wußte die artlichste [sic] Einfälle mit schönster Harmonie zu verbinden.

6)  Wußte sie ohn einiges Instrument den Baß zu einer Violin-Stimme zu sezen.

7)  Legten ihr Music-Verständige ein Thema zum Menuet vor, welches sie sogleich ausführte, sammt Variationen und Trio bekleidete, und in Gegenwart aller hohen Anwesenden zu Papier sezte.

8)  Benannte sie in der Entfernung alle Töne, so man ihr auf Music-Instrumenten angab, augenblicklich und accurat.

9)  Bedeckte sie das Manuale des Claviers mit einem Tuch, nahme anbey die Harpfe zu unterst und oberst, und spielte auf beyden Instrumenten zugleich Solo und Concerten“ (ebd.).

Diese Frankfurter Auftritte waren unter Zeitgenossen offenbar viel beachtet, eine sehr ähnliche Umschreibung findet sich auch andernorts (siehe Belli 1850, Bd. 5, S. 53f.). Gerber, der diese Beschreibung nach dem Erfurter „Neuen historischen Schauplatz“ (1764, S. 753) zitiert, kommentiert abschließend: „Schade! daß man nie gehört hat, was seitdem aus diesem Wunderkinde geworden ist“ (Gerber2). Tatsächlich steht der eindrucksvollen Beschreibung der Fähigkeiten Maria Magdalena Gräfs ein völliges Verschwinden aus den Berichten der Zeit gegenüber, sodass Schilling dazu neigt, „die ganze Geschichte, wenn nicht für ein völliges Märchen, so doch der Wahrheit wenigstens nicht ganz treu zu halten“ (Schilling).

Rund zwei Jahrzehnte später war wieder von dieser Musikerin zu hören. Als sie 1784 in Augsburg auftrat, wurde sie als „Madame Kauth, gebohrne Gräf. von Maynz“ (Augspurgische Ordinari Postzeitung 17. Aug. 1784) vorgestellt. Über die Hintergründe der Heirat ist nichts zu finden, im selben Blatt wird kurz zuvor ein „Herr Kauth, Kunstmahler nebst Frau, kommend von Ulm“ (ebd., 16. Aug. 1784) genannt (möglicherweise der Düsseldorfer Miniaturmaler Johann Kauth). Die Formulierung, dass Maria Magdalena Kauth in Augsburg „so wie an andern Orten, vielen Beyfall einärndtete [sic] (ebd., 27. Aug. 1784), lässt sich als Hinweis auf durchaus vorhandene Konzerttätigkeit interpretieren, die möglicherweise aufgrund des noch frühen Entwicklungsstandes der Musikkritik im Verborgenen bleibt. In Augsburg trat sie offenbar als Pianistin und Sängerin auf: „Ihr Clavierspiel ist rein und fliessend, ihre Stim͂e durchdringend und rollend, und ihre Composition (denn alle Stücke, und selbst 3. Italienische Bravour-Arien, die sie producirte, sind eigene Composition) ist correct, und in gefälligem Geschmack“ (ebd.). Ende September 1784 wird in Augsburg ein letztes „Vocal- und Instrumental-Concert“ angekündigt, in dem sie wieder eigene Kompositionen spielte und das „geehrte Publikum“ ersuchte, „ein vollstimmiges Clavier-Concert mitzubringen, welches sie sich erbiethet gleich primavista zu spielen“ (ebd., 30. Sept. 1784).

Auch bei einem späteren Auftritt in Leipzig spielte die Musikerin offenbar ausschließlich eigene Werke. Carl Augustin Grenser schreibt in seiner Chronik 1788: „D. 1. April gab Madame Kauth, geb. Gräf eine große musikalische Akademie im Gwdhs. worin sie 2 Concerte u. Variazionen alles ihre eigene Komposizion auf dem Pianoforte spielte. Auf dem Concertzettel stand: Zum Beschluß wird Mad. Kauth ein Thema, welches jemand aus der Gesellschaft, wenn es belieben wird, angiebt, sogleich auf dem fp. mit Variazionen ausarbeiten. Auch wird sie Stellen aus einem bilderreichen Dichter, wenn sie Jemand deklamiren will, sogleich auf dem fp. in musikalische Sprache übertragen“ (Grenser, S. 48). Korrespondierend dazu verzeichnet Bert Hagels Chronik, die zwischen den Klavierwerken noch eine Sinfonie von Hugo Franz Kerpen sowie Arien von Josef Myslivecek und Gluck (Interpreten nicht genannt) anführt, als letzten Klavierbeitrag das Fantasieren über gegebene Themen.

Die Kompositionen Maria Magdalena Gräfs verh. Kauth waren offenbar nicht sofort vergessen: 1792 führte der damals 14-jährige Johann Nepomuk Hummel in Berlin ihr Klavierkonzert auf.

Anlässlich der Überschwemmungskatastrophe von 1786 in Linz verfasste die Musikerin Das Gemälde der Natur in Form eines Monodram, ein Werk für Orchester und gesprochene Stimme. Der Text war von ihr selbst verfasst und beinhaltet „eine poetische Beschreibung der gedachten Wassernoth“ (Berlinische Monatsschrift Februar 1789 [S. 3]) Die „Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin“ berichtet, dass die Komposition „mit einer Instrumental-Begleitung von 53 Personen, mit allem Beyfall aufgeführt“ wurde (November 1788 [S. 3]). Maria Magdalena Kauth plante daraufhin „auf Ersuchen vieler Freunde“ […] ihr musikalisches Gemälde der Natur […] im Clavierauszug herauszugeben“ (ebd.). Subskribenten wurden gebeten, „Gelder und Briefe [] postfrey einzusenden an Madame Kauth, gebohrne Gräff, logiert bey Herrn Kalckbrenner, Kapellmeister Ihro Majestät [] unter den Linden“ (ebd.). Der RISM Katalog verzeichnet auch Klavierbearbeitungen der Sinfonien von Václav Pichl (1741-1805).

 

 

WERKE

Drei Menuette für Klavier (Berlin); Klavierkonzert; Danses des muses, consistant en 3. menuets, 3. angloises & 3. allemandes à plusieurs instruments, Berlin 1791; Das Gemälde der Natur in Form eines Monodram. Musik und Text verfertigt bey Gelegenheit der Wasserüberschwemmung in Linz, und aufgeführt zum Besten der dasigen durchs Wasser unglücklich gewordenen Armen, wie auch gegenwärtig im Clavierauszug herausgegeben und Ihrer königl. Hoheit der Prinzessin Friedericke von Preussen, Pröbstin zu Quedlinburg, allerunterthänigst zugeeignet, Berlin 1789

 

LITERATUR

Augspurgische Ordinari Postzeitung 1784, 16., 17., 27. Aug., 30. Sept.

Berlinische Monatsschrift Februar 1789 [S. 3]

FritzschMW 1871, S. 830

Kurtz-gefaßter Historischer Nachrichten zum Behuf der Neuern Europäischen Begebenheiten für das Jahr 1764, S. 995f.

Monats-Schrift der Akademie der Künste und mechan. Wissenschaften zu Berlin, November 1788, [S. 3f.]

Gerber 2, Sainsbury, Gathy, Schilling, Gaßner, Schla/Bern, Fétis (Art. Graef, Marie-Madeleine), Paul, Mendel, EitnerQ, Cohen,, RISM A/I

Maria Belli, Leben in Frankfurt am Main. Auszüge der Frag- und Anzeigungs-Nachrichten, 10 Bde., Bd. 5, Frankfurt a. M. 1850.

Otto Jahn, W. A. Mozart, 4 Teile, Teil 1, Leipzig 1856.

Alfred Dörffel, Geschichte der Gewandhausconcerte zu Leipzig, Leipzig 1884, Repr. Wiesbaden 1972.

Carl Augustin Grenser, Geschichte der Musik, hauptsächlich aber des großen Conzert- u. Theater-Orchesters in Leipzig 1750–1838, hrsg. und transkribiert von Otto Werner Förster, Leipzig 2005.

Bert Hagels, Konzerte in Leipzig 1779/80–1847/48. Eine Statistik, Berlin 2009.

Axel Fischer u. Matthias Kornemann (Hrsg.), Das Archiv der Sing-Akademie zu Berlin. Katalog, Berlin 2010.

 

Bildnachweis

Danses des muses, Ars Femina Archive, A collection of sheet music by women composers from before 1800, https://libguides.ius.edu/arsfemina/scores, Zugriff am 5. Sept. 2023.

HB/JW/VT/CB

 

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