Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Eichberg, Pauline, verh. Weiller

* 22. Apr. 1839 in Stuttgart, † 28. Dez. 1874 in Baltimore/MD, Pianistin. Sie war die älteste von fünf Töchtern des Stuttgarter jüdischen Kantors Moritz Eichberg (1806–1892) und seiner Frau Leonore geb. Seligsberg (1811–1881). Drei der Töchter, neben Pauline waren dies Bertha Eichberg (Harfenistin, 1844–1864) und Julie verh. Rosewald (Sopranistin, 1847–1906), wurden als Musikerinnen bekannt.

Pauline Eichberg wurde zunächst von Mathilde Ries unterrichtet und trat erstmals als Zehnjährige öffentlich auf. Auf Empfehlung Meyerbeers wurde sie 1854 in die Klavierklasse von Ignaz Moscheles (1794–1870) am Konservatorium in Leipzig aufgenommen. Bereits am 12. Dez. 1855 steuerte sie dem alljährlichen Geburtstagskonzert für König Johann von Sachsen den Klavierpart von Mendelssohns Klaviertrio d-Moll bei; am 10. März 1856 wirkte sie in einem Prüfungskonzert des Konservatoriums mit und trug darin, zusammen mit Friedericke von Benamin, Jenny Hering und Therese von der Hoya Les Contrastes – ein Grand Duo von Moscheles für zwei Klaviere zu acht Händen op. 115 – vor.

Im Jahr 1857 befand sich Pauline Eichberg in Frankfurt a. M.. Im Frühjahr spielte sie dort in einem Salon des Grafen von Montessuy sowie in einer eigenen musikalischen Soiree im „Holländischen Hof“. Im „Intelligenz-Blatt der Stadt Frankfurt“ heißt es hierzu: „Die achtzehnjährige, höchst talentvolle Künstlerin hat seit ihrem letzten Auftreten in hiesiger Stadt so außerordentliche Fortschritte gemacht, daß sie mit vollem Recht unter die besten Künstler und Künstlerinnen ihres Instrumentes gezählt werden darf“ (Intelligenz-Blatt der Stadt Frankfurt 1857, S. 396). Insbesondere der Vortrag der Violinsonate Nr. 7 c-Moll op. 3 Nr. 2 von Beethoven gefiel dem Rezensenten: „Fräul. Eichberg zeigte hierbei, daß sie nicht nur die technischen Schwierigkeiten überwunden, sondern daß sie auch darnach strebt, in den Geist der großartigen Dichtungen Beethoven’s einzudringen“ (ebd.).

Im Mai 1857 berichtet die „Neue Zeitschrift für Musik“ von dem Vorhaben Pauline Eichbergs, sich in Frankfurt a. M. als Klavierlehrerin niederzulassen. Nach etwa einem halben Jahr scheint die Musikerin die Stadt jedoch wieder verlassen zu haben. Seit Ende des Jahres 1857 sind wiederholt Konzerte in Stuttgart belegt. Die Pianistin veranstaltete dort unter anderem ein Wohltätigkeitskonzert im Stuttgarter Museum, in dem die Sopranistin Mathilde Marlow und der Bass Franz Josef Schüttky mitwirkten. Im Frühjahr des Jahres 1858 erfolgte ein gemeinsames Konzert mit der Schwester Bertha. Der „Neuen Berliner Musikzeitung“ zufolge bewährte sich Pauline Eichberg darin „als eine tüchtig geschulte und tief fühlende Klaviervirtuosin“ (Bock 1858, S. 149). Ein weiteres gemeinsames Konzert veranstalteten die Schwestern am 8. März 1859  in Stuttgart. Pauline Eichberg spielte in diesem Rahmen Bearbeitungen von Werken Schuberts und Wagners durch Liszt, Beethovens Kreutzer-Sonate A-Dur op. 47 und Schuberts Rondeau brillant h-Moll op. 70 für Klavier und Violine.

1859 wanderte Pauline Eichberg in die USA aus und ließ sich als Klavierlehrerin in New York nieder. Ein Jahr später trat sie dort zum ersten Mal öffentlich auf: „The programm presented two novelties – the first of which was the name of a debutant, Miss Pauline Eichberg. The young lady, although she has been in the country over a year, appeared in public for the first time on that evening, and it was evidently from this cause that she was rather nervous, and a little inclined to hasten the tempi“ (Dwight’s Journal Journal of Music 1860, S. 46). Das Programm enthielt Mendelssohns Klaviertrio Nr. 1 d-Moll op. 49, Chopins Ballade Nr. 3 As-Dur op. 47 und als Zugabe ein Lied ohne Worte Mendelssohns. Trotz der Kritik an übereilten Tempi fiel die Einschätzung des Rezensenten positiv aus: „Her style is characterized by a great deal of vigor and spirit, and an entire absence of effort. She won much applause, and may be sure of being gladly heared again by any one“ (ebd.).

Anfang der 1860er Jahre heiratete Pauline Eichberg in New York den Kaufmann Alexander Weiller und zog mit diesem kurze Zeit später nach Baltimore/MD. Aus der Ehe stammen vier Kinder (Eugene, * 1862; Ernest, * 1864; Willie, * 1867; Pauline, * 1874). Um 1865 reiste Paulines Schwester Julie in die USA und lebte für einige Jahre im Haus der Familie. Beide Schwestern konzertierten in den folgenden Jahren in Baltimore. Zusammen traten sie unter anderem in einem Wohltätigkeitskonzert am 24. Okt. 1867 auf. Belege für weitere Auftritte Pauline Eichbergs liegen für die Jahre 1868 und 1869 vor.

Am 28. Dez. 1874, dem Geburtstag ihres vierten Kindes, starb Pauline Weiller.

 

LITERATUR

Allgemeine Zeitung des Judentums 1855, S. 191

Bock 1858, S. 149

Dwight’s Journal of Music 1860, S. 46

Intelligenz-Blatt der Stadt Frankfurt 1857, S. 396, 413

NZfM 1856 I, S. 8; 1857 I, S. 206

The New York Musical World 5. Mai 1860

Schwäbischer Merkur 1857, 20. Dez.; 1859, 6. März

Signale 1855, S. 421; 1856, S. 149

Süddeutsche Musik-Zeitung 1858, S. 16

The Sun 1869, 17. März; 1874, 30. Dez.

Isidor Singer (Hrsg.), The Jewish encyclopedia. A descriptive record of the history, religion, literature, and customs of the Jewish people from the earliest times to the present day, 12 Bde., Bd. 5, New York 1903.

Meyer Kayserling, Die jüdischen Frauen in der Geschichte, Literatur und Kunst, Leipzig 1879, Repr. New York 1980.

Contributions of Jewish Women to Music and Women to Jewish Music, http://www.org/Women/womenr.html, Art. Julie Eichberg Rosewald, Zugriff am 12. Juni 2006.

Jewish Encyclopedia, http://www.jewishencyclopedia.com/view.jsp?artid=98&letter=W, Zugriff am 10. Juli 2006.

Judith S. Pinnolis, ‚Cantor Soprano‘ Julie Rosewald. The Musical Carrer of a Jewish American ‚New Woman‘,http://americanjewisharchives.org/journal/PDF/2010_62_02_00_pinnolis.pdf, Zugriff am 2. März 2012.

 

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