Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Tua, (Maddalena Maria) Teresina Theresa Teresa verh. Gräfin Franchi-Verney della Valetta, verh. Gräfin Franchi Quadrio

* 24. Apr. 1866 in Turin, † 28. Okt. 1956 in Rom, Violinistin. In den meisten Lexika ist sie fälschlicherweise unter dem Namen Maria Felicitá Tua (genannt Teresina) zu finden. Es handelt sich um eine Verwechslung mit ihrer am 22. Mai 1867 geborenen und kurz darauf verstorbenen Schwester. Nach Arnaldo Bonaventura wurde der Pfarrer der Gemeinde St. Agostino in Turin um eine Übersendung der Geburtsurkunde Teresinas zu deren Aufnahme am Konservatorium in Paris gebeten. Dieser schickte versehentlich die Urkunde der verstorbenen Schwester. Daher finden sich die falschen Angaben auf allen Zeugnissen des Konservatoriums.

Teresinas Großvater, Giuseppe Tua, war ein erfolgreicher Bauunternehmer und Musikdilettant. Er spielte einige Instrumente, veranstaltete häusliche Musikabende und gab sein musikalisches Interesse an seine Kinder weiter. Sein Sohn Antonio, Teresinas Vater (1843−?), lernte als junger Mann ebenfalls das Maurerhandwerk und war so gezwungen, seine musikalischen Interessen zurückzustellen. Im Register des Turiner Standesamtes ist er dennoch mit der Berufsbezeichnung „Musiker“ vermerkt. Auch Teresinas Mutter, Marianna Tua (1847−1883), ist als Musikerin eingetragen. Über die Ausbildung beider gibt es keine Informationen.

Die Familie Tua lebte in einfachen Verhältnissen. Antonio Tua verdiente seinen Lebensunterhalt als Maurer, Unterhaltungsmusiker in Cafés und mit Musikunterricht. Von seinen Ersparnissen kaufte er eine Violine. Er erlernte autodidaktisch das Spielen von bekannten Opernarien und brachte dies auch seiner sechsjährigen Tochter Teresina bei. Diese machte schnelle Fortschritte und konnte nach einem Besuch der Bellini-Oper La Sonnambula die wichtigsten Melodien aus dem Gedächtnis wiederholen. Tua besorgte ihr eine Miniaturgeige, die der Geigenbauer Antonio Guadagnini eigens für sie herstellte. Im Familienquartett spielte Teresina nun die erste Geige, ein Freund der Familie die zweite, der Vater Viola und die Mutter Gitarre.

Bald darauf trat Teresina in Turiner Kaffeehäusern auf, von ihrer Mutter auf der Gitarre begleitet. Der Erfolg, den Teresina hier als Kindervirtuosin hatte, veranlasste die Familie, in der Hoffnung auf größere finanzielle Erfolge Turin zu verlassen. So unternahm Teresina mit sieben Jahren zu Fuß eine Konzertreise durchs Piemont, durch Ligurien, an die Côte d’Azur und durch die Schweiz. In den folgenden drei Jahren verbrachte die Familie den Winter in Nizza. Trotz finanziell schwieriger Lage investierten die Eltern einen Teil der Einnahmen in Musik- und Fremdsprachenunterricht für Teresina. 1876 lernte die Zehnjährige in Nizza den Violinisten Zucchi (Vorname unbekannt, angeblich Schüler von Spohr) kennen. Von diesem erhielt sie einige wichtige Unterrichtsstunden. Trotzdem war die Reise der Familie Tua nicht besonders erfolgreich, bis Teresina im selben Jahr in einem Café in Nizza eine Dame traf, der ihr Talent auffiel. Diese verfasste ein Empfehlungsschreiben an Lambert Massart (1811−1892), Professor für Violine am Pariser Konservatorium.

So wurde Teresina nicht nur 1877 am Konservatorium angenommen, sondern erhielt auch Privatunterricht von Massart (u. a. Lehrer von Fritz Kreisler und Pablo de Sarasate). Dies verbrauchte schnell die Ersparnisse der Familie und brachte sie in finanzielle Schwierigkeiten. Als die italienische Botschaft ihr ein Stipendium verweigert hatte, erreichte Massart es, dass zehn seiner Pariser Freunde Teresina eine monatliche Unterstützung von jeweils 30 Lire zukommen ließen. Diese 3600 Lire jährlich sicherten die Existenz der Familie und Teresinas Studium. Außerdem wurde sie in dieser Zeit durch Elisabeth Charlotte de Mac-Mahon (Ehefrau des zweiten Präsidenten der dritten Republik) und die ehemalige Königin Isabella II. von Spanien gefördert.

Teresinas Ausbildung am Konservatorium war besonders von der französischen und belgischen Geigenschule geprägt. Bereits 1877, noch vor dem Ende ihres Studiums, trat sie bei den „Concerti Popolari“ in Turin auf. Dort spielte sie, von Marie Wieck begleitet, die Frühlingssonate von Beethoven.

1879 errang sie bei den Prüfungen einen zweiten Preis und 1880 schließlich bei ihrem Diplom am Konservatorium einen ersten Preis, den „grand prix“ für Violine, der seit 50 Jahren nicht mehr verliehen worden war. Die restlichen 24 Mitbewerber (fast alle waren Franzosen) waren älter als sie und studierten bereits länger. Den Preis von 500 Francs legte sie in einem Fonds an, um später davon eine Stradivari zu kaufen. 

 

Teresina Tua, vermutlich 1883 im Alter von 17 Jahren.

 

Nach dem Ende ihrer Ausbildung am Konservatorium begann Teresina mit ausgedehnten Konzertreisen. Der große Erfolg ihres Abschlusses verhalf ihr zu vielen guten Angeboten. Eine besonders einträgliche Reise durch Amerika musste sie allerdings auf Grund einer Verletzung der linken Hand absagen. Stattdessen wurde sie noch 1880 von der Sängerin Marie Sasse für eine gemeinsame Tournee durch Frankreich, Spanien und Italien engagiert. Bonaventura berichtet allerdings von einer Ausbeutung Teresinas durch die Sängerin auf dieser Reise.

In Italien lernte sie den Musikkritiker Giuseppe Ippolito Franchi-Verney, Conte della Valetta (Pseudonym: Ippolito Valetta) kennen. Dieser unterstützte sie mit seinem bekannten Namen.

Gemeinsam mit dem Pianisten Vittorio Vanzo bereiste sie sehr erfolgreich die großen italienischen Städte. In Genua wurde sie von Giuseppe Verdi empfangen, der ihr Talent lobte und eines ihrer Konzerte besuchte.

Nach den großen Erfolgen in Italien reiste die 14-Jährige 1882 mit dem Impressario Alfred Fischhof und dem Pianisten Robert Fischhof durch Österreich und Deutschland. Für die zweijährige Reise erhielt das junge Mädchen bereits ein Honorar von 250.000 Francs. Auf der Reise trat sie auch erfolgreich bei Privatkonzerten auf. So erhielt sie bei einem Konzert in Potsdam als Auszeichnung des Kronprinzen Friedrichs III. ein wertvolles Medaillon. Auch in Berlin hatte sie große Erfolge. Hier lernte sie Joseph Joachim kennen. In Venedig hatte ihr die Königin von Hannover (Freundin und Gönnerin Joachims) ein Empfehlungsschreiben für den berühmten Geiger mitgegeben. Dieser unterstützte sie in den folgenden Jahren bei ihren Aufenthalten in Berlin. So erarbeitete er gemeinsam mit ihr und der befreundeten Pianistin Natalie Janotha die Kreutzersonate von Beethoven.

Im Sept. 1883 starb Teresina Tuas Mutter, die sie bisher mit ihrem Vater auf ihren Reisen begleitet hatte. Möglicherweise handelte es sich um einen Suizid (Gazzetta Musicale di Milano, 16. Sept. 1883, siehe Bianchini/Trombetta). Teresina und ihr Vater waren zu diesem Zeitpunkt auf Reisen.

In den folgenden Jahren bereiste Teresina Tua unermüdlich und beinahe pausenlos große Teile Europas. Sie gab Konzerte in Italien, Österreich, Frankreich, England und Deutschland und bereiste auch Osteuropa und Skandinavien: 1885 unternahm sie eine Reise mit der Pianistin Marie Benois mit 60 Auftritten. Von Sommer bis Sept. 1886 gab Teresina Tua Konzerte in deutschen Seebädern mit der Pianistin Helene Geißler. Im Okt. spielte sie in Schweden und im Nov. in Hamburg mit dem Pianisten Reisenaur. 1887 war sie Anfang des Jahres in Mailand und verbrachte dann den Sommer in Berlin. Zur Wintersaison 1887/1888 brach sie schließlich zu einer ebenfalls erfolgreichen Tournee durch Amerika auf.

Ihre Konzertreisen fanden erst 1889 eine Unterbrechung, als sie ihren früheren Förderer Ippolito Valetta (1848−1911) heiratete. Der Komponist und Musikkritiker war stark im Turiner Musikleben engagiert und unterstützte zum Beispiel die Concerti Popolari. 1890 gab sie Abschiedskonzerte in London, Caluso und einigen deutschen Badeorten, um sich nach der Hochzeit von der öffentlichen Bühne zurückzuziehen. Da Valetta bei einer römischen Zeitung tätig wurde, ließ sich das Paar dort dauerhaft nieder. Im selben Jahr brachte Teresina Tua Zwillinge zur Welt: einen Jungen und ein Mädchen. Die Tochter starb bereits im Säuglingsalter, der Sohn im Alter von vier Jahren.

Entgegen der Ankündigung, sich ganz vom Konzertleben zurückzuziehen, trat die Musikerin schon 1891 wieder in Italien auf. Die folgenden Jahre spielte sie in Rom, Palermo, Triest und Bologna. Im Jahr 1895 entschloss sie sich wieder zu einer großen Tournee durch Europa und Russland mit dem Impressario Heinrich Langewitz. Für diese Reise hatte er den jungen Pianisten Sergei Rachmaninoff engagiert. Es kam zum Eklat: Rachmaninoff hatte sich aus finanziellen Gründen zur Teilnahme an der Reise entschlossen. In einem Brief an einen Freund berichtete er von der starken Publikumswirkung Teresina Tuas, die mehr Applaus erhielt als er. Schließlich brach er die Reise unter einem Vorwand lange vor dem Ende ab.

Auch 1896 reiste Teresina Tua durch Russland. 1897 unternahm sie gemeinsam mit ihrem Mann eine Tournee durch England und Österreich und verbrachte anschließend den Winter in Rom, um dort zu unterrichten. Im Febr. 1898 brach die Musikerin nach Moskau auf. Von dort unternahm sie eine Tournee im Osten Russlands und den Ländern, die an der Strecke der Transsibirischen Eisenbahn lagen. Begleitet wurde sie, auf der Reise und am Klavier, von ihrem Mann. Sie war die erste Geigerin nicht-russischer Abstammung, die sich bis nach Sibirien vorwagte. In den großen Städten Zentralrusslands und am Ural erlebte sie große Erfolge. Im Apr. gab sie Konzerte in Omsk, Tomsk und Krasnojarsk.

Außerdem spielte Teresina Tua auf vielen Konzerten anlässlich besonderer Ereignisse. So konzertierte sie 1892 bei den Kolumbusfeierlichkeiten in Genua und im selben Jahr anlässlich der Hundertjahrfeier Rossinis in Pesaro. 1897 konzertierte sie gemeinsam mit Joseph Joachim und Alfredo Piatti in Bergamo zum 100. Geburtstag von Donizetti. Außerdem trat sie in vielen Konzerten des Pariser Konservatoriums auf.

Ab 1900 wurden ihre Konzerte seltener. Ganz zog sie sich aber nicht aus dem Musikleben zurück. In Rom hatte sie bereits 1899 zum ersten Mal in der Bachgesellschaft eine Sonate von Corelli aufgeführt. 1901 spielte sie die Chaconne für Violine solo von Joh. Seb. Bach. In den folgenden Jahren nahm sie regelmäßig an Aufführungen Alter Musik teil. So wurden unter ihrer Mitwirkung u. a. Werke von Palestrina, Deprez, Josquin, di Lasso, Pergolesi, Caldara und Corelli aufgeführt. Außerdem gab sie Kammermusikabende, in denen sie moderne Musik und junge Künstler förderte.

Im Frühjahr 1911 erkrankte und verstarb ihr Ehemann in Rom. Zwei Jahre später heiratete sie den Grafen Emilio Quadrio de Maria Pontaschielli (1858−1933). Dieser war Schriftsteller, Journalist, Publizist und Politiker. Er gab die Zeitungen „La Provincia“ und „La Valtellina“ heraus. 1901 war er Ratsmitglied der Stadt Sondrio und von 1905 bis 1911 Abgeordneter. Teresina Tua kannte Quadrio bereits länger. Schon 1909 hatte sie mit ihrem Ehemann Valetta in der Villa von Quadrio in Sondrio ein Konzert gegeben. Die Hochzeit fand am 9. Febr. 1913 statt. Trauzeugen Teresina Tuas waren der französische Botschafter Camille Barrère und der Staatsminister Paolo Boselli.

In den Jahren 1913 und 1914 ließ Quadrio eine prächtige Villa in Sondrio bauen, deren Konzertsaal mit den Initialen der Namen Tua und Quadrio verziert wurde. Hier ließ sich das Paar nieder. Nach der Hochzeit widmete sich Teresina immer mehr der Wohltätigkeit. Außerdem gab sie Hauskonzerte im kleinen Kreis. Ihr letzter öffentlicher Auftritt fand 1915 in Triest statt. Sie trug dabei in der zu diesem Zeitpunkt zu Österreich gehörenden Stadt ein Kleid in den Farben der Tricolore.

1914 erhielt sie einen Lehrauftrag für Violine und Viola am Konservatorium Giuseppe Verdi in Mailand. Zu ihren Schülern gehörten Virgilio Mazorati und Vittorio Giannini.

Während des ersten Weltkrieges arbeitete Teresina als Krankenschwester des Roten Kreuzes, zunächst als leitende Krankenschwester in Turin. Von Mai bis Dez. 1918 arbeitete sie im Feldlazarett in Sondrio, wo kranke und verletzte Soldaten versorgt wurden. Für ihre Arbeit erhielt sie drei Silbermedaillen, jeweils eine vom Kriegsminister, vom Innenminister und vom Roten Kreuz.

Im Jahr 1924 beendete Tua ihre Lehrtätigkeit in Mailand und ließ sich in Rom nieder. Dort nahm sie von 1925 bis 1934 einen Lehrauftrag am Konservatorium Santa Cecilia an.

Im Dez. 1933 erkrankte Emilio Quadrio plötzlich und starb kurz darauf. Seine Frau erbte unter anderem drei Grundstücke und mehrere Villen. 1935 vermachte Teresina Tua die Villa Quadrio der Stadt Sondrio unter der Voraussetzung einer kulturellen Nutzung. Heute befindet sich im Gebäude eine Bibliothek. In den folgenden Jahren trennte sich Teresina Tua von ihrem gesamten Besitz. Verschiedenen Kirchengemeinden und Orden spendete sie Gebäude. Für den Orden der „Schwestern der ewigen Anbetung“ kaufte sie ein altes Kloster in Florenz. Aus dem Erlös ihrer Schmucksammlung (darunter kostbare Geschenke des Zaren, des Prinzen von Wales, der spanischen Königin und des Prinzen Metternich) wurden Stipendien für arme Studenten eingerichtet. Ihre wertvolle Instrumentensammlung (u. a. mehrere Stradivari, Amati, kostbare Bögen und Flügel von Bechstein) erhielten die Konservatorien in Turin und Rom.

1940 trat sie schließlich dem Konvent der ewigen Anbetung bei und trug dort den Namen Schwester Maria di Gesù. Im Jahr 1955 lies Teresina Tua das letzte Mal von sich hören. Hier wurde sie vom italienischen Radio eingeladen, der Geigerin Giaconda de Vito eine Auszeichnung für ihr wohltätiges Engagement zu überreichen. Aus gesundheitlichen Gründen konnte sie aber nicht persönlich erscheinen und richtete stattdessen über eine Aufnahme Grußworte an das Publikum und die Preisträgerin. Ein Jahr später, am 28. Okt. 1956, starb sie im Alter von 90 Jahren. Die Totenmesse fand am 31. Okt. in der Kirche „Del Corpus Domini“ in Rom statt.

In ihrem Künstlerleben erhielt Teresina Tua viele Ehrungen. So wurde sie zur Kammervirtuosin der spanischen Königin ernannt und erhielt auf Geheiß der russischen Königin das Rote Kreuz des St. Andreas-Ordens. 1897 wurde sie auf Vorschlag des französischen Außenministers Hanotaue zum Officier d’Académie ernannt. 1917 erhielt sie die Ehrenmitgliedschaft der Musikhochschule Florenz.

Teresina Tuas Konzert-Repertoire bestand zum größten Teil aus typischen Virtuosenstücken von bekannten Geigern. So spielte sie Werke von Sarasate, Wieniawski und Vieuxtemps. Außerdem hatte sie Stücke von Zarzycki, Laub, de Bériot, Ernst, Raff, Rehfeld, Bohm und Chopin im Programm. Neben diesen kleineren Virtuosenstücken spielte sie das Konzert in e-Moll von Mendelssohn, Bruchs Violinkonzert in g-Moll und Beethovens Kreutzersonate. Ihr Hauptrepertoire bestand allerdings aus den oben genannten ca. 20 kleineren Stücken, was nach einigen Jahren den Unmut der Kritiker hervorrief. „Vielleicht ist es eine unbewusste Sehnsucht nach größerer musikalischer Vertiefung und ein Ueberdruß an immer denselben Repertoirestücken, welche sie mit wenigen Außnahmen […] immer wieder in so unzähligen Concerten spielen muß. Es wäre daher gewiß sehr wohlgethan, wollte man jetzt der reizenden kleinen Tua so lange Ruhe gönnen, bis eine bedeutende große Tua aus ihr geworden, die mit selbstständigem Geschmack ihre musikalische Richtung wählt“ (Signale 1884, S. 119). Nachdem Teresina Tua allerdings einige anspruchsvollere Kompositionen in ihr Programm aufgenommen hatte, wurde ihr häufig die fehlende Reife hierfür vorgeworfen. „Der männliche Geist, der Bruch’s Compositionen meist charakterisiert, liegt dem jungen Fräulein noch zu fern; alles Anmuthige und Graziöse gelingt ihr besser, deshalb befand sie sich beim Vortrage der kleineren Solosachen erst in ihrem eigentlichen Elemente“ (NZfM 1883, S. 479). Später kam zu ihrem Repertoire noch die ihr gewidmete zweite Violinsonate von Enrico Bossi hinzu.

Trotz einiger negativer Äußerungen über Teresina Tuas Repertoire war der größte Teil der Pressemeldungen über sie sehr positiv. Immer wieder wird von überaus erfolgreichen Konzerten und der Verehrung und Begeisterung ihres Publikums berichtet. Allerdings steht bei den meisten Berichten das Aussehen und Wesen Teresinas stark im Vordergrund. So wurde sie mit zahlreichen Attributen von „Geigenfee“ bis hin zu „kecker Kobold“ bedacht. Immer wieder wurde von ihrer Anmut, Grazie und Lebendigkeit geschwärmt. Dies ging so weit, dass Fehler im Konzert hiermit entschuldigt wurden: „Daß ihr oftmals etwas technisches misslingt, dafür ist der Grund weniger im Nichtkönnen als grade in dem Reichthum ihrer Begabung zu suchen. Die Wärme und Lebhaftigkeit ihres Naturells reißen sie zu tollkühnen Wagnissen hin, daß, trotz der bereits sehr hohen Entwicklung ihrer Technik, häufig Vollendetes neben Unfertigem zu stehn kommen muß“ (Signale 1882, S. 1044).

Kritiker (so auch Carl Flesch) bemängelten hingegen ihre künstlerische Leistung und führten häufig den großen Erfolg auf ihr Auftreten, Aussehen und ihren Charakter zurück. Die Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung und Bewertung durch das Publikum und der durch die Kritiker fällt in der Rezeption Teresina Tuas sehr auf. Sie erstreckt sich über ihr gesamtes Künstlerleben und spiegelt sich in der zeitgenössischen Presse wider. Unbestritten sind aber der große Erfolg und die Anerkennung, die Teresina Tua als Violinistin hatte.

 

LITERATUR

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Signale 1880, S. 485; 1881, S. 681, 1128; 1882, S. 6, 195, 566, 761, 788, 792, 806, 938, 977f., 998, 1033, 1034, 1044, 1050, 1079; 1883, S. 6, 10, 56, 59, 70, 106, 109, 121, 136, 216, 249, 280, 317, 323, 358, 361, 377, 425, 429, 455, 507, 539, 569, 585, 597, 612, 694, 707, 759, 763, 791, 900, 937, 946, 950, 980, 981, 987, 1035, 1050, 1081, 1092, 1113, 1129, 1147; 1884, S. 37, 58, 119, 195, 212f., 264, 359, 551 744, 792, 906, 1045; 1885, S. 120, 152, 227, 393, 473, 726, 807, 809, 824, 874, 900, 921, 1012, 1062, 1123, 1155, 1175; 1886, S. 72, 90, 131, 132, 154, 181, 197, 199, 286, 838, 947, 1102 , 1111, 1112; 1887, S. 131, 198, 211, 251, 260, 664, 728, 824, 887, 1018; 1888, S. 131, 441, 679, 726, 741, 759, 793, 819, 822, 886; 1889, S. 108, 178, 485, 595, 617, 628, 644, 823, 922, 950, 950, 1097, 1125; 1890, S. 370, 663; 1891, S. 107, 263; 1892, S. 105, 137, 453, 664, 1128, 1141; 1893, S. 84, 955; 1895, S. 856, 930; 1896, S. 8, 34, 38, 130,137, 572, 585, 725; 1897, S. 9, 22, 124, 151, 169, 421, 443, 585, 1030; 1898, S. 9, 774; 1899, S. 9, 331, 820, 1033

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Bildnachweis

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Christine Fornoff

 

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