Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Kirchhoff, Cornelia, Kornelia

Lebensdaten unbekannt, Organistin. Aus Straßburg stammend, wurde sie zunächst von Bernhard Zorn (1834–1901), Seminar-Musiklehrer in Kyritz, und anschließend in Berlin von Otto Dienel (1839–1905) ausgebildet. Auftritte sind von 1881 bis 1885 in verschiedenen Kirchen in Berlin und in Charlottenburg sowie im Jahr 1883 im Chrystal Palace in London nachgewiesen.

Ein erstes öffentliches Orgelspiel ist 1881 in der Luisen-Kirche in Charlottenburg dokumentiert. Dort hat Cornelia Kirchhoff dem „Musical Standard“ zufolge in einem Konzert ihres Kollegen Franz Tiebach einen Satz aus der Sonate d-Moll ihres Lehrers Otto Dienel „with cultivated taste and feeling“ beigesteuert (Musical Standard 1881, S. 54). Als sie am 23. Apr. 1883 in der Berliner Petri-Kirche ein Wohltätigkeitskonzert veranstaltete, musizierte sie ein Präludium von Joh. Seb. Bach, Elegie und Fuge von Alexandre Guilmant, Adagio und Fuge aus einer Orgelsonate von Gustav Merkel (vierhändig, mit Harry Linden) und den Konzertsatz c-Moll von Ludwig Thiele, einen „der schwierigsten Orgelsätze, die überhaupt existiren“ (Bock 1883, S. 141).

Im Sommer 1883 unternahm die Musikerin eine Reise nach England, über die einige Monate später ein selbstverfasster Bericht in der Zeitschrift „Urania“ (1884, S. 814) erschien. Im Rahmen eines von August Manns dirigierten Konzerts im Crystal Palace spielte Cornelia Kirchhoff ein Adagio von Adolph Friedrich Hesse sowie eine Konzertfantasie von Ludwig Thiele.

Zwei Wohltätigkeitskonzerte veranstaltete die Musikerin am 10. Dez. 1883 (mit Harry Linden) in der Neuen Kirche in Berlin und am 24. Apr. 1884 in der Lukas-Kirche in Berlin. „Ein Kirchenkonzert mit Orchester“, so schrieb die „Neue Berliner Musikzeitung“, „ist eine fast neue Erscheinung in unserem Concertleben. Largo und Allegro aus dem I. Concert für Orgel und Orchester [Händel?], die Solostimme von Frl. Kirchhoff mit grosser Virtuosität ausgeführt, hinterliessen einen unerwarteten, sehr günstigen Eindruck, der das Experiment als vollkommen gelungen erscheinen lässt“ (Bock 1883, S. 404). Im zweiten Konzert – unter den Mitwirkenden war die Sängerin Amalie Joachim – kam neben Werken von Ludwig Thiele die Symphonie d-Moll für Orgel und großes Orchester von Alexandre Guilmant zur Aufführung, eine Umarbeitung seiner Première Sonate pour Orgue op. 42. Als die „Neue Zeitung für Musik“ 1885 einen Überblick über Guilmants Werke veröffentlichte, merkte der Autor an: „Eine deutsche Organistin, Fräul. Cornelia Kirchhoff, brachte dieses bedeutende Werk in England und in Berlin, so viel uns bekannt – überhaupt zum ersten Male zur Darstellung“ (S. 109). Eine Londoner Erstaufführung lässt sich nicht nachweisen. Ein zweites Mal führte Cornelia Kirchhoff das Werk am 23. Apr. 1885 wiederum in Berlin auf.

Im Apr. 1886 wirkte die Musikerin in einem Wohltätigkeitskonzert zugunsten des Lette-Vereins mit, der sich für Bildung und Berufsausbildung von Frauen engagierte.

Im Musikleben des 19. Jahrhunderts sind nur wenige Organistinnen nachgewiesen, und sie erlangten – zumal in Deutschland – selten eine feste Anstellung. So beschränkte sich Kirchhoffs öffentliche Tätigkeit auf Orgelkonzerte, nicht selten im Rahmen von Wohltätigkeitsveranstaltungen, die sie selbst organisierte. Neben ihrem „extraordinary executive skill“ wird mehrfach das „management of the pedal“ (MusW 1883, S. 814) hervorgehoben, d. h. das Pedalspiel, das für Frauen noch immer als problematisch, weil „unschicklich" galt. Auch in Cornelia Kirchhoffs Reisebericht klingt das Thema an: Der Organist des Crystal Palace, Alfred James Eyre, habe „besonders die Pedaltechnik“ erwähnt, wobei die Musikerin bescheiden anmerkt, dass sie die „gar nicht so ausgezeichnet“ finde (Urania 1884, S. 30).

 

LITERATUR

ADMZ 1883, S. 288

Bock 1881, S. 317; 1882, S. 86; 1883, S. 141, 357, 404; 1884, S. 93, 140f.; 1885, S. 141; 1886, S. 134

FritzschMW 1885, S. 269

NZfM 1883, S. 324; 1885, S. 109

Musical Standard 1881 II, S. 54

Musikalisches Centralblatt 1884, S. 31

MusW 1883, S. 387, 814

Otago Witness 10. Nov. 1883, S. 23

Signale 1884, S. 194

Urania. Musik-Zeitschrift für Orgelbau, Orgel- und Harmoniumspiel 1884, S. 30f.; 1885, S. 108, 156

Jenny Hirsch, Geschichte der fünfundzwanzigjährigen Wirksamkeit (1866–1891) des unter dem Protektorat Ihrer Majestät Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Friedrich stehenden Lette-Vereins zur Förderung höherer Bildung und Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechtes, Berlin 1891.

Volker Choroba, Das Konzert für Orgel und Orchester im 19. und 20. Jahrhundert, Kassel 2001.

 

Christine Fornoff / Freia Hoffmann

 

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