Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Thiedemann, Tony (Cäcilie), verh. Franck

* 11. Febr.1827 in Eckernförde, † 25 . Sept. 1875 in Berlin, Pianistin und Klavierlehrerin. Die Tochter des Reform-Pädagogen Johann Jakob Thiedemann (1794−1844) zeigte bereits als Kind pianistisches Talent und erregte so Aufmerksamkeit in Kreisen des holsteinischen Adels und des dänischen Königshauses. Auf Schloss Plön spielte sie dem dänischen Königspaar vor und wurde fortan von ihm gefördert. Nach Unterricht beim Sohn des örtlichen Organisten und bei Kleinschmitt in Flensburg trat Tony Thiedemann als junges Mädchen nach 14-tägiger Vorbereitung in einem Konzert zusammen mit dem dänischen Violin- und Gitarrenvirtuosen Frederic Carl Lemming (1782−1846) auf. Weiteren Unterricht erhielt sie um 1839 bei Schlossbauer in Kiel. Dort hörte Franz Liszt sie im Jahr 1841 spielen, lernte sie persönlich kennen und interessierte sich für das Kind. Pläne, sie als Schülerin zu Clara Schumann zu geben, zerschlugen sich; stattdessen kam die 16-Jährige 1843 nach Berlin als Schülerin von Wilhelm Taubert (1811−1891). Bald machte sie sich einen Namen und verdiente ihren Lebensunterhalt als konzertierende und lehrende Pianistin, freundete sich mit den Schwestern Rebecka Dirichlet und Fanny Hensel an und trat in deren Konzerten im Mendelssohn’schen Hause, in der Berliner Singakademie wie auch in der vornehmen Berliner Gesellschaft auf. Öffentliche Auftritte in größerem Rahmen waren allerdings eher selten, auch wenn ihr Leben, wie der Historiker Franz Kugler meinte, „von vornherein doch wesentlich auf die selbständige künstlerische Thätigkeit, und zwar auf eine virtuosenmäßige, hin gerichtet“ gewesen sei; im Hinblick auf ihren musikalischen Beruf liege ihr das einfache Familiendasein schon lange fern (Brief vom 19. Mai 1846, Hillenbrand S. 89, 91). Ihr Klavierspiel wurde als präzise charakterisiert, als „allerliebst, musikalisch, geschmackvoll, rein und einfach“ (Brief Eduard Francks vom 19. Mai 1850, im Nachlass Franck, Familienbesitz Feuchte). Zu den Bewunderern Tony Thiedemanns gehörten Robert von Keudell, Jacob Burckhardt, Paul Heyse und der Dichter Friedrich von Bodenstedt, besonders aber der Lyriker Emanuel Geibel, der sie nicht nur als Widmungsempfängerin in seinen Werken verewigte. Verschiedene Gedichte Geibels beziehen sich auf Tony Thiedemann, am deutlichsten der zweite Gesang aus den Troubadour-Liedern („Du bist so schön, ich wag’ es nicht...“). Oscar Begas zeichnete sie 1849 am Klavier. Im Juli 1850 heiratete Tony Thiedemann in Berlin den von Mendelssohn ausgebildeten Komponisten Eduard Franck (1817−1893). Ihm folgte sie auf seinen beruflichen Wegen nach Köln (1851−1859), Bern (1859−1867) und zurück nach Berlin (ab 1867). Eines ihrer drei Kinder ist der Komponist Richard Franck (1858−1938).

 

Tony Thiedemann, Zeichnung eines unbekannten
Künstlers, 1846.

 

 

LITERATUR

Signale 1847, S. 177

Ida Franck, Aufzeichnungen aus dem Leben unserer Mutter Tony Franck geb. Thiedemann, Ms. o. D.

Richard Franck, Musikalische und unmusikalische Erinnerungen, Heidelberg 1928.

Otto Ribbeck, Ein Bild seines Lebens aus seinen Briefen 1846−1898, Stuttgart 1901.

Rainer Hillenbrand (Hrsg.), Franz Kuglers Briefe an Emanuel Geibel, Frankfurt a. M. 2001.

Hermann Franck, „Wenn Du dies liest ...“ Tagebuch für Hugo, hrsg. von Andreas Feuchte, München 1997, 22000.

Karl Theodor Gaedertz, Emanuel Geibel. Sänger der Liebe, Herold des Reiches. Ein deutsches Dichterleben, Leipzig 1897.

Andreas Feuchte, „Du Kön’gin sonder Hermelin. Die Pianistin Tony Thiedemann, in: VivaVoce 63 (2002), S. 2−5.

Andreas Feuchte, „Ein musikalisches Talent aus Eckernförde: Die Pianistin Tony Thiedemann (1827−1875)“, in: Jahrbuch der Heimatgemeinschaft Eckernförde 2004, S. 53.

Cécile Lowenthal-Hensel u. Sigrid Gräfin von Strachwitz, Europa im Portrait, Zeichnungen von Wilhelm Hensel 1794−1861, Berlin 2005.

 

Bildnachweis

Andreas Feuchte 2002, S. 3.

 

Andreas Feuchte

 

© 2009 Freia Hoffmann