Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Dittrich, Dietrich, Anna

* 1857 in Kahlau (Ostpreußen, heute Kalnik), Sterbedaten unbekannt, Organistin, Pianistin und Chorleiterin. Anna Dittrich wuchs als Tochter eines Predigers im kleinen ostpreußischen Dorf Kahlau auf. Ihr Vater unterrichtete sie zuhause und sorgte auch für die erste musikalische Ausbildung seiner Tochter.

1878 zogen ihre Eltern in die etwas größere Stadt Elbing (heute Elbląg). Hier konnte Anna Dittrich ihre musikalischen Fähigkeiten erweitern. Der Wunsch, Berufsmusikerin zu werden, wurde nun immer stärker, so dass ihr Vater schließlich ihrem Drängen nachgab und die Familie nach Berlin zog. Dort besuchte Anna Dittrich von 1883 bis 1886 die „Neue Akademie der Tonkunst" und war damit neben Augustine Becker eine der ersten deutschen Organistinnen, die eine institutionelle Ausbildung erhielten. Als Hauptfächer wählte sie Klavier und Orgel, ihr Lehrer war Franz Grunicke (1841–1913).

Bereits während ihrer Ausbildung gab Anna Dittrich erste Kirchenkonzerte. Auch danach trat sie immer wieder öffentlich in Berlin und auswärts auf und stellte „ihre schöne Kunst auch oft in den Dienst der Wohltätigkeit“ (Morsch 1893, S. 204). Ihre Leistungen als Orgelvirtuosin wurden in den folgenden Jahren mehrfach gewürdigt. Das „Musikalische Wochenblatt" schreibt, dass sie „mit ihren Vorträgen ein höchst beachtenswerthes, in der Ausbildung weit vorgeschrittenes Talent für das königliche Instrument bekundet“ (FritzschMW 1887, S. 275f.).

1887 gründete Anna Dittrich in Berlin eine Musikschule. Anfang der 1890er Jahre erhielt sie die Stelle der Kirchenmusikerin an der Phillippus-Apostel-Kirche in Berlin. Dazu gehörte auch die Leitung des Chores, mit dem sie Konzerte gab, ergänzt von Solostücken auf der Orgel. Die Musikerin spielte unter anderem Werke von Joh. Seb. Bach und Joseph Rheinberger.

Über ihren weiteren Lebensweg ist nichts bekannt. Gemeinsam mit Hedwig Peters und den Schwestern Christina und Thekla Lachner gehört sie zu den wenigen Organistinnen, die im 19. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum eine feste Anstellung hatten.

 

LITERATUR

FritzschMW 1886, S. 24; 1887, S. 275f.; 1892, S. 140; 1896, S. 254

Der Klavierlehrer 1885, S. 53; 1886, S. 4; 1889, S. 89; 1893, S. 287; 1896, S. 104

NZfM 1886, S. 104

Anna Morsch, Deutschlands Tonkünstlerinnen. Biographische Skizzen aus der Gegenwart, Berlin 1893.

Illustriertes Konversationslexikon der Frau, Berlin 1900.

Freia Hoffmann u. Christine Fornoff, „‚No Lady need apply‘ oder ‚Im Rock kann man sich der Pedale nicht bedienen‘. Organistinnen auf dem Weg der Professionalisierung", in: Freiburger Zeitschrift für GeschlechterStudien 18 2012, H. 1, S. 2337.

Anna-Christine Rhode-Jüchtern, Maria Leo (1873-1942): Pionierin einer neuen Musikpädagogik, Hildesheim [u. a.] 2021.

 

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