Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Kaulbach, Frida, Frieda von, geb. Schytte, Skytte, Schütte, Schitte (Künstlername Scotta, Skotta)

* 31. März 1871 in Kopenhagen, † 29. Apr. 1948 in Ohlstadt, Violinistin. Ihre Ausbildung erhielt Frida Schytte zunächst durch Ferdinand Stockmarr (1835–1884) und Waldemar Tofte (1832–1907), der bei Spohr und Joachim studiert hatte. 1889 und 1890 hielt sie sich in Paris auf, wo sie von Lambert Massart (1811–1892) und Henri Berthelier (1856–1918) unterrichtet wurde. Ob sie in der Violinklasse Massarts am Konservatorium Gasthörerin oder eingeschriebene Studentin war, ist unklar, da es hierüber widersprüchliche Angaben gibt. Sicher ist, dass sie das Studium 1890 mit einem 1. Preis abschloss.

 

Brustbild, Dürrsche Buchhandlung Leipzig 1893.

 

Ihr Debüt in ihrer Heimatstadt Kopenhagen gab sie im Dez. 1890 mit großem Erfolg. In den „Signalen für die musikalische Welt“ heißt es über den Auftritt der 18-Jährigen: „Die junge Dame überraschte die Zuhörer mit einer schon weit gebrachten Technik und einem sehr schönen Vortrag. Es wurden ihr starker Beifall und mehrere Hervorrufungen zu Theil (Signale 1890, S. 166). Dieses Konzert markiert den Beginn ausgedehnter Konzertreisen, die sie unter dem Künstlernamen „Frida Scotta“ in den kommenden Jahren nach Schweden (1890), Norwegen, Deutschland (1892–1896 jährlich), Österreich-Ungarn (1892–1894 jährlich), England (1893, 1894 und 1895) und Russland (Winter 1896/97) führten. Deutschland war ein Hauptziel ihrer Konzertreisen; besonders Berlin, München, Mainz, Wiesbaden, Frankfurt a. M. und Baden-Baden waren wichtige und zumeist jährlich aufgesuchte Konzertorte. Regelmäßig trat sie auch in Wien und in ihrer Heimatstadt Kopenhagen auf. Ihre Konzertreisen nach Großbritannien führten sie in erster Linie nach London (Apr./Mai und Okt./Nov. 1893, Mai/Juni 1894, Mai 1895), aber auch nach Glasgow (Okt. 1893) und Oxford (Mai 1895). Im Juli 1897 konzertierte sie in St. Petersburg.

In der Presse wurden ihre künstlerischen Leistungen meist sehr positiv aufgenommen, so z. B. 1892 in der „Neuen Zeitschrift für Musik“, wo Edmund Rochlich ihr Auftreten in Glauchau beschreibt: Ausgerüstet mit einem technischen Können, welches das Schwierigste mit müheloser Leichtigkeit bewältigt, documentirte sie sich durch die nie strauchelnde Reinheit des Spiels selbst in Doppelgriffen und Flageolettönen, durch die Größe und Gesundheit des Tones und durch den maßvollen aber durchweg seelisch belebten Ausdruck als Künstlerin durch und durch“ (NZfM 1892, S. 150). Die „Österreichische Musik- und Theaterzeitung“ beschreibt sie als eine „Künstlerin allerersten Ranges“ (Österreichische Musik- und Theaterzeitung 1892, S. 2). Anlässlich eines Konzerts in Wien wird in den „Signalen“ „die tadellose Reinheit und Sauberkeit des Vortrags“ (Signale 1893, S. 419) hervorgehoben; der Kritiker eines am 3. Dez. 1895 gemeinsam von Frida von Kaulbach und dem Violoncellisten Henry Bramsen im renommierten Krystallpalast in Leipzig gegebenen Konzerts wurde wiederum besonders „durch ihren kernigen und warmen Ton, sowie durch ihren temperamentvollen und dabei richtig gefühlten Vortrag erfreut“ (Signale 1895, S. 997).

Ihren späteren Ehemann, den Münchner Maler Friedrich August von Kaulbach (1850–1920) lernte sie im Zuge ihrer Konzerttätigkeit in Deutschland kennen. Die Eheschließung fand 1897 statt, anschließend ließ sich das Paar in München nieder, wo Friedrich August von Kaulbach ein etabliertes Mitglied der Münchner Kunstwelt war. Ein wichtiger zweiter Lebensmittelpunkt der Familie war ein Landhaus in Ohlstadt bei Murnau, wo diese oft mehrere Monate des Jahres verbrachte.

Dass Frida von Kaulbachs Auftritte mit der Eheschließung aufhörten, wie v. a. in mehreren Publikationen über ihren Mann Friedrich August von Kaulbach behauptet wird (z. B. Salmen, S. 8; Pophanken/Zeiller, S. 26f.; Groote, S. 58), kann nicht aufrecht erhalten werden. So berichten z. B. die „Signale“ im Dezember 1900 von dem „ersten Kammermusikabend der Frau von Kaulbach-Scotta und Capellmeister Stavenhagens“ (Signale 1900, S. 1061) in der laufenden Saison. In demselben Bericht wird auch Frida von Kaulbachs Mitwirkung als Solistin der Sinfonia concertante KV 364 von Mozart in einem Orchesterkonzert der Musikalischen Akademie in München erwähnt. Auch in Briefen der Familie wird immer wieder angedeutet, dass sie auch öffentlich auftrat (vgl. Briefe ihrer Töchter und ihres Mannes im Nachlass Kaulbach). Ein wichtiger Teil ihrer Musikausübung fand nun zudem in ihrem eigenen Haus im privaten Rahmen und bei den häufig stattfindenden salonähnlichen Treffen mit anderen Künstlern, Schriftstellern und Musikern statt. Ihre drei Töchter Doris (1898–1950), Hedda (1900–1992) und Mathilde (genannt Hilde, 1904–1986) erhielten von ihr zunächst Geigenunterricht. Doris ging nach einiger Zeit zur Bratsche über, während Hedda sich auf das Violoncello konzentrierte. So entstand ein komplettes Streichquartett, das regelmäßig unter der Leitung der Mutter probte und auch in halböffentlichem Rahmen vor Gästen der Familie auftrat.

Weitere KammermusikpartnerInnen stammten aus der Münchner Kunst- und Musikszene, so z. B. der über Deutschland hinaus bekannte und erfolgreiche Violoncellist Hugo Becker, der Komponist und Pianist Hermann Zilcher oder die Schriftstellerin und Tochter der Pianistin Sophie Kolb Danvin, Annette Kolb, die in ihrer Münchner Zeit auch als Pianistin aktiv war.

Gute Beziehungen bestanden auch zu vielen anderen Musikerinnen und Musikern, etwa zu Carl Flesch, dem Ehepaar Pauline Strauss-de Ahna und Richard Strauss, zu Ingeborg von Bronsart geb. Starck und ihrem Ehemann Hans Bronsart von Schellendorf. In die vielfältige Salonlandschaft Münchens waren Frida von Kaulbach und ihr Mann ebenfalls integriert. Die Salons waren zwar meist nicht in erster Linie musikalisch geprägt, boten aber dennoch vielfältige Gelegenheiten für Kammermusik und zum Austausch mit anderen Musikinteressierten.

1920 starb Friedrich August von Kaulbach; Frida von Kaulbach zog sich immer mehr aus dem gesellschaftlichen Leben Münchens zurück und verbrachte die meiste Zeit auf dem Landsitz der Familie in Ohlstadt.

Über das Repertoire Frida von Kaulbachs sind die Kenntnisse bisher auf die Nennungen in Konzertkritiken oder Briefen beschränkt und geben ein unklares Bild ab. Zu den von ihr in der Zeit ihrer Konzertreisen häufig gespielten Werken mit Orchesterbegleitung gehörten offenbar Bruchs 1. Violinkonzert, das Violinkonzert Mendelssohns, das 3. Violinkonzert von Saint-Saëns und das 2. Violinkonzert von Wieniawski, außerdem die Zigeunerweisen von Sarasate, Introduction et Rondo capriccioso von Saint-Saëns und die Romanze des norwegischen Komponisten Johan Severin Svendsen. Darüber hinaus waren virtuose Arrangements bekannter Musikstücke Bestandteil ihres Repertoires, etwa das „Air" aus der Orchestersuite Nr0. 3 D-Dur von Joh. Seb. Bach, von August Wilhelmj nach C-Dur transponiert und für das Spiel auf der G-Saite eingerichtet, oder die bekannten Arrangements der Ungarischen Tänze von Brahms durch Joseph Joachim.

In der Münchner Zeit verlagerte sich das Spiel zunehmend in den Bereich der klassischen und romantischen Kammermusik; v. a. Streichquartette, -trios und Klaviertrios, aber auch Werke für Violine und Klavier scheinen hier eine große Rolle gespielt zu haben. Auch Violinkonzerte mit Klavierbegleitung, etwa von Beethoven oder Brahms, wurden musiziert.

Eine Besonderheit stellt die große Anzahl an bildlichen Darstellungen von Frida von Kaulbach durch ihren Mann dar. Ab dem Zeitpunkt ihrer Bekanntschaft wählte er seine Frau immer wieder als Motiv von Gemälden und Zeichnungen. Dort ist Frida von Kaulbach häufig mit der Violine, aber auch mit anderen Instrumenten wie z. B. der Laute abgebildet. Die Gemälde sind teils Portraits, teilweise nicht namentlich bezeichnete allegorische Darstellungen der Musik oder Kunst; hinzu kommen zahlreiche Zeichnungen sowie Bilder mit den drei Töchtern. Hier ist besonders ein Gemälde zu nennen, auf dem das Kaulbach-Streichquartett, also Frida von Kaulbach mit den drei Töchtern, abgebildet ist (der Standort des Bildes ist leider unbekannt).

 

Gemälde von Friedrich August von Kaulbach, Öl auf Leinwand, 1901.

 

LITERATUR

Nachlass des Ehemannes Friedrich August von Kaulbach in Monacensia, Literaturarchiv und Bibliothek München.

Weitere biografische Dokumente:

Bayerische Staatsbibliothek München

Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg Frankfurt a. M.

Konzertzettel und Programme zu den England-Konzerten in folgenden Bibliotheken und Archiven:

Royal College of Music, London

Bodeleian Library, Music Library, Oxford

British Library, London

Blatt der Hausfrau 1901/02, S. 1196

Bock 1889, S. 235; 1890, S. 60, 220; 1891, S. 136, 416; 1892, S. 56, 69, 81, 275; 1893, S. 19, 35, 49, 64; 1894, S. 257, 279, 546; 1895, S. 115, 419, 437, 457

Le Matin. Derniers télégrammes de la nuit 30. Dez. 1895

Le Ménestrel 1890, S. 38; 1906, S. 369

Le Monde artiste 1893, S. 748f.

NMZ 1892, S. 67, 73

NZfM 1892, S. 150, 166, 559f.; 1893, S. 186f., 262, 332, 375f.; 1894, S. 67, 69, 253, 283, 528; 1895, S. 431, 573

Signale 1890, S. 166, 219, 487; 1891, S. 409, 470, 487, 1000; 1892, S. 251, 388, 477, 532, 1044, 1140; 1893, S. 7, 134, 151, 154, 167, 296, 314, 317, 418f., 436, 502, 549, 758, 901, 951; 1894, S. 197, 279, 346, 362, 579, 983, 1059, 1060; 1895, S. 265, 885, 903, 934, 936, 997f.; 1896, S. 123, 172, 278, 393, 531; 1897, S. 9, 49; 1900, S. 952, 1061; 1901, S. 68

Österreichische Musik- und Theaterzeitung 1892, S. 2, 8; 1893, S. 6; 1897, S. 4

Nordisk Familjebok. Konversationsleksikon och Realencyklopedi. Innehållande upplysningar och förklaringar om märkvärdiga namn, föremål och begrepp. Under medverkan af sakkunniga personer utgifven af Dr. Th. Westrin, 20 Bde., Bd. 20, 2. Suppl., Stockholm 1899, Art. Schytte, Frida (Scotta).

Illustriertes Konversations-Lexikon der Frau, 2 Bde., Bd. 2, Berlin 1900, Art. Musikerinnen.

Dansk Biografisk Leksikon., hrsg. v. Carl Frederik Bricka, 19 Bde., Bd. 15, Kopenhagen 1901.

Krak’s Blå Bog. Tre tusinde nulevende Danske mænd og kvinders levnedsløb indtil år 1910, Kopenhagen 1910.

Nordisk Familjebok. Konversationsleksikon och Realencyklopedi. Ny, reviderat och rikt illustrerad upplaga, hrsg. von V. Leche, J. F. Nyström, K. Warburg, Th. Westrin, 38 Bde., Bd. 13, Stockholm 2. Aufl. 1910. Art. Kaulbach, Friedrich August.

Nordisk Familjebok. Konversationsleksikon och Realencyklopedi. Ny, reviderat och rikt illustrerad upplaga, hrsg. von V. Leche, J. F. Nyström, K. Warburg, Th. Westrin, 38 Bde., Bd. 24, Stockholm 2. Aufl. 1916, Art. Schytte, Frida.

Salmonsens Konversationsleksikon, hrsg. von Johann C. Blangstrup, 26 Bde., Bd. 21, Kopenhagen 1926.

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Constant Pierre, Le Conservatoire National de musique et de déclamation. Documents historiques et administratifs, Paris 1900.

Andreas Moser, Geschichte des Violinspiels. Mit einer Einleitung: Das Streichinstrumentenspiel im Mittelalter von Hans Joachim Moser, Berlin 1923.

Isidore Kaulbach, Friedrich Kaulbach. Erinnerungen an mein Vaterhaus, Berlin 1931.

Gottfried Sello, „Die letzte Nachfahrin einer großen Malerdynastie lebt in Hamburg“, in: Hamburger Abendblatt 7. Aug. 1964.

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Mathilde Quappi Beckmann, Mein Leben mit Max Beckmann, München 1983.

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Andrea Pophanken u. Christiane Zeiller,Macht über mich wirst Du stets nur durch deine Schwäche, niemals durch deine Stärke haben.‘ Friedrich August von Kaulbach, Quappi und Max Beckmann“, in: „Ich kann wirklich ganz gut malen“. Friedrich August von Kaulbach  Max Beckmann, bearb. von Brigitte Salmen, Katalog zur Sonderausstellung im Schlossmuseum Murnau, 22. März23. Juni 2002, bearb. von Brigitte Salmen, Murnau 2002, S. 2132.

Inga Mai Groote, „Salons in München zwischen Literarisierung und Transfer: Elsa Bernstein und Sophie Danvin Kolb“, in: Die Tonkunst. Magazin für klassische Musik und Musikwissenschaft 1 (2010), S. 51–61.

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Lisbeth Ahlgren Jensen, „Frida Schytte (18711948)“, in: Dansk Kvindebiografisk Leksikon, København 2003, http://www.kvinfo.dk/side/597/bio/1219/origin/170/query/Schytte/, Zugriff am 16. Jan. 2013.

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Bildnachweis

Sammlung Manskopf der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt/M., http://edocs.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2003/7902227/, Zugriff am 6. Febr. 2013.

Wikipedia, Kunstquartier Hagen (Wikipedia), http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Kunstquartier_Hagen692b.jpg, Zugriff am 6. Febr. 2013.

 

Natalie von Zadow/BK

 

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