Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Tornborg, Cleopatre, CleopatrieCleopatraCléopâtre

* vermutlich in den 1830er Jahren, Sterbedaten unbekannt, Flötistin. Ihre Herkunft ist unsicher − es finden sich in der Musikpresse sowohl Hinweise auf eine schwedische Abkunft als auch auf eine Abstammung aus Moldavien. Cleopatre Tornborg war Schülerin eines Flötisten aus der Familie Remusat, wobei es sich vermutlich um Jean Remusat (1815−1888) handelt. Wann und in welchem Rahmen der Unterricht stattfand, ist unklar.

1855 kündigte „La France Musicale“ die Ankunft der Musikerin in Paris an, „qui joue de la flûte comme les maîtres les plus célèbres“ („welche die Flöte spielt wie die berühmtesten Meister“, FM 1855, S. 367). Bei ihren Auftritten in Paris gefielen „de la justesse, de l’agilité, de la suavité, du style“ („die Genauigkeit, die Beweglichkeit, die Süße, der Stil“, FM 1855, S. 373). Auch zu Beginn des folgenden Jahres spielte Cleopatre Tornborg noch in Paris. Nach einem Konzert im Tivoli lobte „La France Musicale“ erneut ihre Qualitäten: „L’instrument de cette jeune virtuose n‘est ni le piano, ni la harpe, ni l’accordéon, ni le concertina, ni l’harmonicorde. Mlle Cléopâtre Tornborg joue de la flûte, ni plus ni moins, et elle en joue à merveille; elle est d’ailleurs élève de Résumat [sic], elle exécute de jolis morceaux et plaît infiniment“ („Das Instrument der jungen Virtuosin ist nicht das Klavier, nicht die Harfe, nicht das Akkordeon, nicht die Concertina, nicht das Harmonicord. Mlle. Cléopâtre Tornborg spielt die Flöte, nicht mehr und nicht weniger, und dies macht sie wunderbar. Sie ist im übrigen Schülerin von Résumat, sie spielt hübsche Stücke und gefällt unendlich“, FM 1856, S. 77). Die Seltenheit einer Flötistin bewog den Autor dann, die Instrumentenwahl zu thematisieren: „Après tout, pourquoi donc le beau sexe dédaignerait-il les instruments à vent? Sans doute, nous ne conseillerons pas aux dames de cultiver le trombonne, ni même la clarinette; mais la flûte qui imite le gazouillement de la fauvette et le chant du rossignol, mais le hautbois si tendre et si champêtre, qui donc pourrait sérieusement songer à interdire à la plus belle moitié du genre humain l’honnête divertissement, la douce récréation qu’elle peut trouver dans la pratique de ces deux instruments?“ („Warum also verschmäht das schöne Geschlecht die Blasinstrumente? Zweifellos würden wir den Damen davon abraten, die Posaune zu kultivieren, auch die Klarinette, aber die Flöte imitiert das Zwitschern der Grasmücke und den Gesang der Nachtigall, die Oboe jedoch, so zart und idyllisch, wer könnte wohl ernsthaft daran denken, der schöneren Hälfte der Menschheit das rechtschaffene Vergnügen, die süße Erholung zu untersagen, die sie beim Praktizieren dieser beiden Instrumente finden kann?“, FM 1856, S. 77). Die „Revue et Gazette Musicale” vermutete hingegen, dass Cleopatre Tornborg nicht freiwillig zur Flöte griff: „Le nom bizarre qu’elle porte et le singulier instrument qu’on l’a sans doute forcée de choisir, et sur lequel elle a su acquérir un talent réel, ne seraient-ils pas pour une bonne part dans ces applaudisssements?“ („Der seltsame Name, den sie trägt, und das eigenartige Instrument, das man zu wählen sie zweifellos gezwungen hat und auf dem sie wirkliches Können erworben hat, waren diese nicht zu einem guten Teil der Grund für den Beifall?“, RGM 1856, S. 75).

In den ersten Monaten des Jahres 1856 setzte Cleopatre Tornborg nach Großbritannien über, um sich in London hören zu lassen. Wohl im Apr. des Jahres spielte sie dort zum ersten Mal, in verschiedenen Konzerten musizierte sie u. a. mit Karl Oberthür und Giulio Regondi. Auch die britische Presse war durchaus angetan vom Spiel der Flötistin, „who created a great sensation. The novelty of a female playing on the flute had no doubt something to do with her success; but, independent of this, her execution was so remarkable in its way that it produced an impression“ (MusW 1856, S. 268). Die Konzerte, in denen Cleopatre Tornborg in London mitwirkte, riefen − wohl aufgrund der ungewöhnlichen Instrumentenwahl − auch eine überregionale Presseresonanz mit Notizen in englischen, schottischen und irischen Tageszeitungen hervor. Die „Neue Berliner Musik-Zeitung“ vermutet, die Flötistin dürfte „ein Magnet werden, sowohl ihrer äussern Erscheinung wegen, als auch wegen des Instrumentes, das nicht häufig von Damen cultivirt zu werden pflegt (Bock 1856, S. 135).

Nach ihren Auftritten in London 1856 verliert sich die Spur Cleopatre Tornborgs.

 

LITERATUR

Aberdeen Journal, 7. Mai 1856

Athenæum 1856 I, S. 337, 497, 720

Belfast News-Letter, 18. Apr. 1856

Bock 1856, S. 135, 151

FM 1855, S. 367, 373; 1856, S. 77

Leeds Mercury 1856, 17. Apr., 19. Apr.

Liverpool Mercury 1856, 14. Apr., 19. Apr.

Morning Chronicle [London] 3. Juli 1856

Musical Gazette 1856, S. 149, 209, 232, 288, 305, 316

MusT 1897, S. 83

MusW 1856, S. 236, 268, 282, 342, 397

Preston Guardian 19. Apr. 1856

RGM 1855, S. 366; 1856, S. 75

Freia Hoffmann u. Volker Timmermann (Hrsg.), Quellentexte zur Geschichte der Instrumentalistin im 19. Jahrhundert, Hildesheim [u. a.] 2013

 

Volker Timmermann

 

© 2010 Freia Hoffmann