Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Reichold, (Ernestine) Emilie, verh. Werner

* um 1805 in Chemnitz, † 22. Mai 1877 in Lyon, Pianistin und Klavierlehrerin. Emilie Reichold stand Mitte der 1820er Jahre in Kontakt mit Friedrich Wieck (1785–1873). 1826 reiste sie auf dessen Veranlassung hin nach Leipzig, um dort als Klavierlehrerin zu arbeiten und (wohl bis 1829; Nauhaus u. Reich, S. 49) Klavierunterricht bei Wieck zu nehmen, der sie in seinem Haus aufnahm. Wieck schätzte Reichholds Leistungen und bezog sie für die kommenden Jahre in die musikalische Ausbildung seiner Tochter ein. Sie machte sich, so in Clara Wiecks Jugendtagebuch zu lesen, „um meine wissenschaftliche Ausbildung und um mein KlavierSpiel [sic] nicht wenig verdient. […] Emilie [Reichold] spielte mit mir vieles durch und studirte auch mehreres mit mir ein“ (Nauhaus u. Reich, S. 40).

Mit dem Klavierkonzert Nr. 2 Es–Dur op. 42 von Ferdinand Ries debütierte Emilie Reichhold am 19. Okt. 1826 im Leipziger Gewandhaus und zeigte einem Korrespondenten der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ zufolge, dass sie das „Schwierigste, was durch Fleiss erlangt werden kann, […] bereits überwunden“ habe (AmZ 1826, Sp. 852). In den folgenden Jahren weisen Rezensenten vielfach auf Fortschritte der Pianistin hin. 1828 heißt es wiederum in der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ nach einem Auftritt der Pianistin in einem Abonnement-Konzert im Leipziger Gewandhaus, dass „Vortrag und Fertigkeit […] weit bestimmter und voller geworden“ seien (AmZ 1828, Sp. 161). Ein Jahr später bemerkt ein Rezensent der „Neuen Berliner Musikzeitung“, dass ihr „Spiel […] immer präziser und geschmackvoller“ werde (Bock 1829, S. 173). Neben ihrer Konzerttätigkeit unterrichtete Emilie Reichold seit 1827 in Leipzig Klavier.

Eine breite mediale Aufmerksamkeit erlangte Emilie Reichold durch ihren Auftritt als Duopartnerin von Clara Wieck bei deren erstem öffentlichen Auftritt in einem Konzert der Grazer Pianistin Caroline Perthaler im Leipziger Gewandhaus am 20. Okt. 1828. Zusammen trugen sie auf einem Flügel von Andreas Stein Friedrich Kalkbrenners vierhändige Variationen für Pianoforte zu vier Händen über einen Marsch aus der Oper Moses von Rossini op. 94 vor.

Das Repertoire der Pianistin umfasste insbesondere Werke von zeitgenössischen Komponisten wie Henri Herz, Ignaz Moscheles, Ferdinand Ries, Carl Czerny und Friedrich Kalkbrenner. Bis 1830 konzertierte Emilie Reichold in Leipzig. Am 25. Febr. 1830 trat sie dort im Gewandhaus zum letzten Mal öffentlich auf. Grund für den Rückzug von der Konzertbühne war ihre Verlobung mit dem Kaufmann Albert Gustave Werner (1803–1897), mit dem sie nach St. Étienne (Loire) übersiedelte. Hier erfolgte die Eheschließung und 1832 die Geburt der Tochter Irène Irma, später verh. Raabe († 1914); 1834 wurde die Tochter Françoise, später verh. Marion, und 1837 der Sohn Emile Albert geboren.

Der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ zufolge beabsichtigte Emilie Werner, sich nach der Heirat in Frankreich als Klavierlehrerin zu etablieren.

 

LITERATUR

Stammbuchblatt Emilie Reichold, Eintrag vom 2. Jan. 1830, Album Robert und Clara Schumann, Sächsische Landesbibliothek / Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Signatur Mus.Schu.231

AmZ 1826, Sp. 852; 1827, Sp. 108, 408; 1828, Sp. 161, 247, 806; 1829, Sp. 171, 218f., 537, 823; 1830, Sp. 240f.

Bock 1828, S. 459; 1829, S. 102, 173; 1830, S. 189

FritzschMW 1870, S. 167; 1871, S. 167

Die Gartenlaube 1882, S. 606

Leipziger Zeitung 20. Nov. 1829

NZfM 1878, S. 449; 1928, S. 683

Signale 1878, S. 840, 901

Bertolt Litzmann (Hrsg.), Clara Schumann. Ein Künstlerleben. Nach Tagebüchern und Briefen, 3 Bde., Bd. 1, Leipzig 1906.

Alfred Dörffel, Geschichte der Gewandhausconcerte zu Leipzig vom 25. November 1781 bis 25. November 1881, Leipzig 1884, Repr. Walluf bei Wiesbaden 1972.

Arthur Elson, Women’s Work in Music, Boston 1904, Repr. Portland 1976.

Cathleen Köckritz, Friedrich Wieck. Studien zur Biographik und zur Klavierpädagogik, Hildesheim u. a. 2007.

Janina Klassen, Clara Schumann. Musik und Öffentlichkeit, Köln [u. a.] 2009.

Clara Schumann, Jugendtagebücher. 1827–1840, nach den Handschriften hrsg. von Gerd Nauhaus u. Nancy B. Reich, Hildesheim u. a. 2019.

Theresa Schlegel, Art. „Emilie Reichold“, 2020, in: Schumann-Portal, https://www.schumann-portal.de/emilie-reichold-4266.html, Zugriff am 30. Mai 2022.

Protestantische Genealogie in Frankreich, http://huguenots-france.org/deutsch/lyon/lyon18/pag29.htm#21, Zugriff am 30. Mai 2022.

 

Annkatrin Babbe

 

 

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