Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Höller, Gretchen

* 19. Aug. 1871 in Würzburg, † 1937 vermutlich in Würzburg, Organistin, Pianistin und Komponistin. Bereits der Großvater Peter Höller war Organist, ihr Vater Georg Höller (1838–1901) hatte am Würzburger Konservatorium studiert und war Domorganist, königlicher Hoforganist und Hofchordirektor zu Würzburg. Vermutlich erhielten alle Kinder zuhause eine musikalische Ausbildung. Gretchen Höllers Bruder Valentin Höller (1873–1932) trat mit 19 Jahren die Stelle des Domorganisten in Bamberg an, zwei Schwestern wurden am Konservatorium in Würzburg ausgebildet. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1901 übernahm die älteste Tochter Gretchen Höller seine Stelle. Die drei Schwestern versahen nun nach Aussage des Neffen, des Komponisten Karl Höller (1907–1987), „den Organistendienst an sechs Kirchen“ (Höller, S. 49). Auf öffentliche Auftritte gibt es kaum Hinweise, die „Neue Zeitschrift für Musik“ berichtet 1906 von einer Aufführung des Mozart-Requiems in Würzburg mit Gretchen Höller an der Orgel. Dafür erregte ihre Wahl zur Domorganistin 1901 wohl einiges Aufsehen in der deutschen, französischen und englischen Fachpresse. Zunächst bemerkte man lediglich die ungewöhnliche Ernennung: Place aux Dames ! By the unanimous vote of the Chapter, the most unusual appointment of a lady to the organistship of the Cathedral of Würzburg has been made. The fortunate fair on is Fräulein Hoeller, the gifted daughter of the late organist“ (MusT 1901, S. 603). Nun stellte man aber fest, dass „a German paper had made the assertion that this was the first time that a lady had been thus honoured, and Le Ménestrel of Paris copied the statement“ (Musical Opinion and Music Trade Review 1901, S. 103). Damit waren wohl einige französische Leser nicht einverstanden und erinnerten an die Organistinnen der Familie Couperin, und die englischen Zeitschriften verwiesen auf Elizabeth Stirling, die Schwestern Mounsey und Margaret Morris. Richtig an der Feststellung des deutschen Magazins dürfte gewesen sein, dass Gretchen Höller die erste Domorganistin an einer deutschen Kirche war.

Im Bibliotheksverbund Bayern sind einige Kompositionen Gretchen Höllers verzeichnet.

 

KOMPOSITIONEN

Deutsches Bundeslied, Text von Peter Langguth, für Pianoforte, Würzburg 1913

Einzugslied zur Primizfeier (Text von Gruber) für 4-stimmigen gem. Chor op. 2, Regensburg 1914

Ave Maria für mittlere Singstimme und Orgel op. 3, Regensburg 1915

10 leichte Pange lingua - Tantum ergo für 2-, 3- u. 4-stimmigen Frauenchor, Regensburg 1915

Chorsätze zu den Passionen am Palmsonntag und Karfreitag für 4-stimmigen gem. Chor op. 30, Regensburg o. J.

Lieder zum Gebrauche beim öffentlichen Gottesdienste in der Franziskanerkirche zu Würzburg, [Würzburg] 1929

  

LITERATUR

Athenæum 1901 II, S. 461f.

Musical Opinion and Music Trade Review 1901, S. 103, 189

Musica divina 1916, S. 261

Musikpädagogische Blätter 1906, S. 184

MusT 1901, S. 603

NZfM 1888, S. 384; 1890, S. 341; 1891, S. 143; 1906, S. 481

Karl Höller, „Meine Erinnerungen an Hermann Zilcher“, in: Hermann Zilcher, hrsg. von Barbara Haas [u. a.] (= Komponisten in Bayern 38), Tutzing 1999, S. 49–51.

Freia Hoffmann u. Christine Fornoff, „,No Lady need apply' oder ,Im Rock kann man sich der Pedale nicht bedienen'. Organistinnen auf dem Weg der Professionalisierung, in: Musik & Geschlechterdiskurs. Freiburger Zeitschrift für GeschlechterStudien 18/1 (2012), S. 23–37.

 

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© 2011 Freia Hoffmann