Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Hartmann, Caroline, Karoline

* 1808 in Münster bei Colmar, † 30. Juli 1834 ebd., Pianistin. Sie war die Tochter des begüterten Fabrikbesitzers Jaques Hartmann, der in Münster ein Liebhaberorchester leitete. Louis Spohr, der auf seiner Durchreise im Hause Hartmann zu Gast war, schreibt über die achtjährige Caroline Hartmann in seinen Lebenserinnerungen: Sie „ist der Glanzpunkt dieses Dilettantenorchesters. Sie spielt bereits sehr schwere Kompositionen mit bewundernswerter Fertigkeit und Genauigkeit. Mehr noch wie dieses überraschte mich ihr feines musikalisches Gehör, womit sie (vom Piano entfernt) die Intervallen der verwickeltsten und vollgriffigsten, dissonierenden Akkorde, die man ihr anschlägt, erkennt und die Töne, woraus diese bestehen, in ihrer Folge nennt. Aus diesem Kinde wird gewiß einst, wenn es gut geleitet wird, eine ausgezeichnete Künstlerin werden“ (Spohr, S. 218).

Caroline bildete sich durch beharrliches Selbststudium fort und profitierte von den Besuchen reisender Künstler, deren Rat sie nutzte, um ihre künstlerische Ausbildung weiter voranzutreiben. Im Spätsommer 1833 unternahm sie mit ihrem Vater eine mehrmonatige Reise nach Paris, die es ihr ermöglichte, Privatunterricht bei Frédéric Chopin (1810–1849) und Franz Liszt (1811–1886) zu nehmen. Sie erreichte dabei, wie es im umfangreichen Nekrolog der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ heißt, „eine Kunststufe, welche nur wenig oder nichts mehr zu wünschen übrig liess. Wer in dieser letzten Zeit Fräulein Hartmann spielen hörte, wird dieses Urtheil theilen und mit eingestehen, dass nur wenige Klavier­spielerinnen eine so gesteigerte Kunstfertigkeit mit wahrem musikalischem Gefühl in gleichem Maasse wie sie vereinigten. Keine Musikgattung war ihr fremd; in jeder auch noch so verschiedenartigen wusste sie den wahren Geist aufzufassen und auszudrücken“ (AmZ 1834, Sp. 634). Den frühen Tod der Pianistin erklärt die Allgemeine musikalische Zeitung" in zeittypischer Manier: „Leider theilte aber diese seltene Pflanze das Schicksal so mancher anderen ihres Geschlechtes, deren geistiges Aufblühen nur auf Unkosten eines zarten Körperbaus geschehen kann. Die Anstrengung, mit welcher sie sich dem Studium der Musik während ihres Aufenthalts in Paris hingab, entwickelte den Keim einer tödtlichen Krankheit, deren Einfluss sie unmittelbar nach ihrer Rückkehr in die väterliche Heimath unterlag“ (ebd. Sp. 634f.). Mit 26 Jahren starb Caroline Hartmann an Lungentuberkulose.

Henri Herz widmete ihr die Variations brillantes pour le piano forte sur la dernière Valse de C. M. Weber op. 51, und Frédéric Chopin widmete ihr sein Rondo Es-Dur op. 16.

 

LITERATUR

Revue Musicale 1830, S. 167f.

AmZ 1834, Sp. 634f.

Neuer Nekrolog der Deutschen 1836, S. 546–547

Neue Wiener Musikzeitung 1856, S. 134

Schilling, Becker, Gaßner, Schla/Bern, Mendel, MGG 2000 (Art. Chopin, Frédéric)

Frederick Niecks, Frederick Chopin as a man and musician, London & New York 1890.

Louis Spohr, Lebenserinnerungen, hrsg. von Folker Göthel, Tutzing 1968.

 

HB/CB

 

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