Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Brauchle, Elise, Elisa, geb. Dreßler, Dressler

* 1803 in München, † 1886, Harfenistin, Harfenlehrerin und Sängerin. Elise Dreßler war die Tochter des Münchener Vergolders Anton Dreßler (17731836) und hatte mindestens einen Bruder, Viktor (um 1806?). Als Kind besuchte sie die Mädchenschule auf dem Anger, eine Volks-Elementar-Schule. Mehrfach wurde sie in Verzeichnissen als Preisträgerin der Näh-Schule erwähnt. Über ihre musikalische Ausbildung liegen keine Erkenntnisse vor.

Eine frühe Erwähnung in der zeitgenössischen Presse findet sich für das Jahr 1817. In der „Augsburgischen Ordinari Postzeitung“ wurde im Dez. unter dem Namen Elise Dreßler eine Konzertankündigung gedruckt: „Heute den 15. dieß habe ich die Ehre, mein angekündigtes Konzert im hochfürstl. fuggerschen Saale zu geben. Elise Dreßler“ (15. Dez. 1817). Vermutlich war sie hier als Sängerin aufgetreten – später wurde wiederholt auf ihre sängerische Tätigkeit verwiesen, dazu scheint sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Harfenistin konzertiert zu haben; 1818 erschien wiederum in ihrem Namen ein Gesuch um Harfenunterricht in der Münchener Presse: „Zu meiner noch übrigen Zeit wünsche ich eine Lektion auf der Pedal oder [Haken-]Harfen [sic] zu erhalten“ (Münchener politische Zeitung 23. Mai 1818).

Nur ein Jahr später warb Anton Dreßler in der „Münchener politischen Zeitung“ um SchülerInnen für seine etwa 16-jährige Tochter: „Zugleich empfiehlt sich meine Tochter einem hohen Adel und verehrungswürdigen Publicum, auf der Pedal- oder auf der Haken-Harfe gründlichen Unterricht nach guter Pariser Methode zu ertheilen“ (Münchener politische Zeitung 30. Okt. 1819). Zu den SchülerInnen Elise Dreßlers zählten u. a. die älteste Tochter König Ludwigs I., Prinzessin Mathilde Karoline Friederike Wilhelmine Charlotte von Bayern (18131863), sowie der später sehr renommierte Charles Oberthür.

Im Dez. 1824 heiratete Elise Dreßler den Komponisten Joseph Xaver Brauchle (17831838), der als Hofmeister bzw. Sekretär bei der Gräfin Anna-Maria Erdödy beschäftigt war. Seit 1827 sind Auftritte Elise Brauchles als Konzertsängerin belegt. Im Juni des Jahres wirkte sie in einer Veranstaltung am Münchener Hof- und Nationaltheater mit: „Mad. Brauchle, geb. Dreßler, eine Dilettantin, die zu angenehmen Erwartungen berechtigt, begann etwas befangen ihre Arie, gewann aber bald Muth und Wärme, und entwickelte eine schöne, seltne Stimme, in einer guten Schule gebildet“ (Flora 1827, S. 528). Ab Aug. scheint sie Mitglied des Ensembles an diesem Haus gewesen zu sein, jedenfalls wirkte sie in verschiedenen Operninszenierungen mit. In der Presse wird sie auch als Harfenistin erwähnt: „Mad. Brauchle ist zugleich eine der besten Harfenspielerinnen“ (Eos 1827, S. 410). Das Presseecho zum Bühnenwirken war ambivalent, im Herbst des Jahres verdichten sich negative Stimmen. Noch im Okt. wurde die Rolle von Elise Brauchle durch eine Kollegin neu besetzt.

Ab 1830 mehren sich die Auftritte als Harfenistin. Am 6. Dez. konzertierte die Musikerin im Münchener Odeon-Saal. In Anwesenheit der Königin Therese von Bayern und ihrer Kinder, Prinzessin Mathilde und Prinz Otto, spielte sie ein Harfenkonzert von Bochsa. Am 24. Febr. 1836 und 28. Okt. 1843 wirkte sie ebenfalls in Konzerten im Odeon mit. Weitere Auftritte in München erfolgten im Dez. 1845 in einer Soiree des Schauspielers und Schriftstellers Anton Freiherr von Klesheim und im Rahmen des Münchener Musikfestes im Jahr 1855. Elise Brauchle ließ sich offenbar nur selten außerhalb ihrer Heimatstadt hören. Neben Hinweisen auf ein Konzert in Straßburg (1839) gibt es Belege für zwei Konzerte in Augsburg. Bei einer Aufführung von Mendelssohns Antigone op. 55 am 18. März 1846 im Augsburger Saal der goldenen Traube spielte sie die Harfenpartie. Am 22. Aug. 1847 wirkte die Harfenistin außerdem in einem Konzert der Augsburger Liedertafel mit und musizierte darin mit vier Sängerinnen eine Psalm-Vertonung Franz Lachners für vier Frauenstimmen und Klavier- oder Harfenbegleitung.

Ab 1833 wird Elise Brauchle in der Mitgliederliste der Münchener Hofkapelle geführt und war dort mehr als drei Jahrzehnte lang (bis 1865) als königliche Hof-Harfenistin tätig. Nebenher arbeitete sie als Harfenlehrerin. Der Hofmusiker Anton Moralt gründete 1836 eine Musikschule in München und nahm Elise Brauchle als einzige Frau in das Lehrerkollegium auf. Hier erteilte die Musikerin regelmäßig Harfenunterricht sowie Unterricht in Musiktheorie.

1838 starb der Ehemann Elise Brauchles. Sein Erbe umfasste u. a. einen Nachlass der Gräfin Erdödy mit Briefen Beethovens, die nun in den Besitz Elise Brauchles übergingen. Ludwig Nohl schreibt hierzu: „Die Gräfin Marie Erdödy, wie bereits erwähnt, eine der intimsten Freundinnen des Meisters, starb im Jahre 1837 in München und hinterließ der noch dort lebenden Witwe ihres einstmaligen ‚Magisters‘ Brauchle, des Erziehers und Musiklehrers ihrer Kinder, eine große Anzahl von Briefen Beethovens an sie. Als ich Mad. Brauchle persönlich aufsuchte, erklärte sie diese Briefe sämmtlich verbrannt zu haben. Zum Glück aber hatte Professor Jahn in Bonn bereits vor Jahren Copie davon genommen und hat dieselben jetzt bis auf einen, welchen Frau Brauchle dem Capellmeister Ignaz Lachner in Frankfurt a. M. geschenkt, dem Hrn. Alfred Schöne überlassen, der davon […] bei Breitkopf und Härtel eine Veröffentlichung gemacht hat“ (Nohl 1867, S. 40).

 

LITERATUR

Adressbuch für München 1845, S. 116

AmZ 1831, Sp. 340; 1846, Sp. 259

Anzeige derjenigen Kirchen-Feste in der koeniglichen Hofkapelle bei welchen das Personale der koeniglichen Hofmusik zu erscheinen hat 1841, NP; 1844, NP; 1858, S. 14

Augsburgische Ordinari Postzeitung von Staats-, gelehrten, historisch- und ökonomischen Neuigkeiten 15. Dez. 1817

Die Bayerische Dorfzeitung 1836, S. 100

Der Bayerische Landbote 1827, 4. Aug.; 1856, 18. März

Die Bayerische Landbötin 21. Okt. 1843

Bayerische National-Zeitung 1836, S. 136; 1837, S. 316

Der Bayerische Volksfreund 1824, 11. Dez.; 1827, 23. Juni, 18. Okt.

Eos. Münchener Blätter für Poesie, Literatur und Kunst 1827, S. 410, 509f., 673, 680, 696, 1135f.

Flora. Ein Unterhaltungsblatt 1827, S. 528, 634; 1832, S. 276

Hof- und Staats-Handbuch des Königreichs Bayern 1827, S. 92; 1841, S. 84; 1833, S. 68; 1853, S. 120; 1863, S. 117

Jahrbuch des k. Hof- & National-Theaters zu München 1848, S. 12

Jahresbericht des Sions-Vereines in München 1870, S. 12

Jahresbericht des Unterstützungs-Vereins für Oberbayern 1843, S. 7; 1870, S. 14; 1871, S. 14; 1872, S. 14; 1874, S. 19; 1875, S. 14; 1876, S. 14

Iris 1836, S. 128

Königlich Bayerischer Polizey-Anzeiger von München 1824, S. 112; 1836, S. 173

Münchener allgemeine Musikzeitung 1827, Sp. 107

Münchener Conversationsblatt 1845, 20. Dez; 1847, 20. Nov.

Münchener politische Zeitung 1818, 23. Mai; 1819, 21., 30. Okt.; 1827, 4. Aug.

Münchener Tagblatt 1827, S. 135, 140; 1834, S. 1318; 1836, S. 324; 1837, S. 319

MusT 1904, S. 470

Neueste Nachrichten und Münchener Anzeiger 3. Febr. 1886

Nürnberger Friedens- und Kriegs-Kurier 10. Nov. 1855

Signale 1867, S. 236

Tage-Blatt für München 1827, S. 135; 1830, S. 1962

Verzeichnis derjenigen Schüler und Schülerinnen, welche in den deutschen Werktags-Schulen der Königlichen Haupt- und Residenzstadt sich öffentlicher Preise oder rühmlicher Bekanntmachung würdig gemacht haben. Nebst einem Vorberichte über den Zustand dieser Schulen 1810, S. 61; 1812, S. 60; 1813, S. 67

Zeitung für die elegante Welt 1827, Sp. 1823

Mendel, Paul, Grove 1, Fétis, EitnerQ, Govea, MGG 2000

Johann Wilhelm Christian Steiner, Mathilde, Großherzogin von Hessen und bei Rhein, Hessens unvergeßliche Landesmutter, nach ihrem Leben und Wirken, Groß-Steinheim 1862.

[Ludwig van Beethoven], Briefe von Beethoven an Maria Gräfin Erdödym geb. Gräfin Niszky und Mag. Brauchle, hrsg. von Alfred Schöne, Leipzig 1867.

Ludwig Nohl (Hrsg.), Neue Briefe Beethovens. Nebst einigen ungedruckten Gelegenheitscompositionen und Auszügen aus seinem Tagebuch und seiner Lectüre, Stuttgart 1867.

Emily Anderson, „The text of Beethoven’s letters“, in: Music and Letters 3 (1953), S. 212223.

Hans-Joachim Nösselt, Ein ältest Orchester. 1530–1980. 450 Jahre Bayerisches Hof- und Staatsorchester, München 1980.

Freia Hoffmann, Instrument und Körper. Die musizierende Frau in der bürgerlichen Kultur, Frankfurt a. M. u. Leipzig 1991.

 

Annkatrin Babbe

 

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