Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Jakimowska, Jakimowsky, Jakimovsky, Sophie, Sonja, von, de, verh. Bentkowskaja

Transliteration: Sof’ja Nikolaevna Jakimovskaja (Bentkovskaja)

* 1873 in Russland, † 15. Mai 1908 in St. Petersburg, Pianistin. Sophie Jakimowska zählt zu den fünf Studierenden, die Anton Rubinstein während seiner zweiten Amtszeit am St. Petersburger Konservatorium unterrichtete. „Als Jakimowska hörte, dass Anton Grigorewitsch das Konservatorium verlassen und nach Dresden gehen würde, beeilte sie sich mit ihrem Konservatoriumsabschluss, entgegen dem Wunsch Rubinsteins“ (Kašperova, Erinnerungen, S. 142), legte 1891 erfolgreich ihre Abschlussprüfung ab und erhielt eine Prämie. Ihre letzte im Kurs verbleibende Kommilitonin, Leokadia Kaschperowa, begleitete sie bei dem Hauptwerk der Prüfung, Ludwig van Beethovens Klavierkonzert Nr. 4 G-Dur op. 58, so wie Sophie Jakimowska ihren Mitstudenten Jewgeni Gollidej zuvor im Rahmen seiner Abschlussprüfung bei Liszts Klavierkonzert Nr. 1 Es-Dur begleitet hatte.

Mit Beethovens Konzert trat Sophie Jakimowska in den ersten Monaten des Jahres 1892 im Rahmen der Sinfoniekonzerte der Russischen Musikgesellschaft mehrfach öffentlich auf, und zwar am 4. Jan. 1892 unter der Leitung ihres Lehrers Rubinstein, am 26. Januar unter der Leitung von Leopold Auer und am 19. Febr. unter der Stabführung von Eduard Napravnik − wobei die „Neue Zeitschrift für Musik“ sie irrtümlich „Jakeinovsky“ nennt (NZfM 1892, S. 229). In den 1890er Jahren konzertierte sie außerdem in St. Petersburg, Moskau und der russischen Provinz sowie in Deutschland, Belgien, Holland und Skandinavien; nach ihrer Hochzeit mit einem Herrn Bentkowski beschränkte sie ihre Auftritte auf Russland. Samuil Majkapar erinnert sich: „Jakimowskaja konzertierte erfolgreich, aber nicht sehr lange, bald nach Abschluss des Konservatoriums erkrankte sie schwer und starb“ (Majkapar, NP).

Ihre Konzerte im Westen sind fast alle mit Auftritten Anton Rubinsteins verbunden, als dessen Schülerin sie durchgehend rezipiert wurde, zumal sie auch regelmäßig seine Werke interpretierte. Der Grund dafür mag darin liegen, dass ein Engagement Rubinsteins als Dirigent im Ausland offenbar „nur dann möglich [war], wenn das Concertprogramm ausschließlich Rubinstein’sche Compositionen“ (NZfM 1894, S. 441) enthielt. Das zentrale Werk der gemeinsamen Abende war Rubinsteins 3. Klavierkonzert G-Dur op. 45. Gemeinsam spielten sie es am 9. Nov. 1892 in Breslau, wobei Jakimowska „sich als fein empfindende, trefflich geschulte Künstlerin“ (Signale für die musikalische Welt 1892, S. 999) erwies, sowie am 7. Febr. 1893 in Köln und am 10. Febr. 1893 in Frankfurt a. M., wo Jakimowska sich „mit vieler Bravour, perlender Geläufigkeit und modulationsreichem Anschlag“ (Signale 1893, S. 326) als „eine reich begabte Schülerin Rubinstein’s [...] sehr vortheilhaft einführte“ (Signale 1893, S. 279). Dasselbe Werk spielten Lehrer und Schülerin 1893 auch in Königsberg (Ende Okt.), Dresden, Hamburg und Berlin, wo Jakimowska den Rezensenten, Arno Kleffel, „mit blendender, wahrhaft sieghafter Technik“ (Bock 1893, S. 230) beeindruckte: „Wer so zu phrasieren und mit so spielender Leichtigkeit die kühnsten Schwierigkeiten zu überwinden weiss, giebt die Gewähr, mit der Zeit auch nach der geistigen Seite hin noch Werthvolleres zu bieten“ (ebd.). Auch im Folgejahr traten Jakimowska und Rubinstein mit diesem Werk weiter auf, und zwar am 21. und 22. Febr. 1894 in Den Haag sowie „brillant“ (Bock 1894, S. 202) und „mit Schwung und bedeutender Technik“ (NZfM 1894 II, S. 441) in Wien, wo sie als „reichbegabte Schülerin Rubinstein’s, einen außerordentlichen Erfolg“ (Signale 1894, S. 530) erspielte.

Unabhängig von ihrem Lehrer gab Jakimowska am 9. Nov. 1893 in Berlin einen Soloabend mit Sonaten von Carl Maria von Weber (Sonate d-Moll), Franz Schubert (Sonate A-Dur), Frédéric Chopin (Ballade F-Dur) und Musik von Johannes Brahms, Robert Schumann, Frédéric Chopin, Anton Rubinstein sowie einer Polonaise von Franz Liszt. Der Rezensent der „Neuen Berliner Musikzeitung“ schreibt: „Ihr Spiel verräth entschieden eine musikalisch organisierte Natur, die sich aber erst durcharbeiten muss, um zur vollkommenen Klarheit über sich selbst und das, was sie bezweckt, zu kommen. Sie besitzt eine natürliche musikalische Auffassung, eine fliessende, durch falschen Pedalgebrauch aber nicht immer ganz klare Technik, einen weichen runden Anschlag, der nach Seiten der Modulationsfähigkeit noch sehr gebildet werden muss. Vorläufig wendet sie ihre Aufmerksamkeit mehr auf das Virtuose, als auf erschöpfende Behandlung des Gedankenhalts [sic] der Kompositionen“ (Bock 1893, S. 552).

1894 trat die Künstlerin in Leipzig auf, wo sie Schumanns Klavierkonzert spielte. Sie „enthusiasmirte mit der Feinheit und Anschlagsfülle ihres Spieles vor Allem in Chopin’s als Zugabe gebrachten [sic] Des dur-Prelude, nachdem sie die ,Berceuse‘ und Rubinstein’s G moll Nocturno und Es dur-Caprice unter reichlichem Beifall zu Gehör gebracht hatte“ (NZfM 1894, S. 488). Mit Schumanns Konzert trat sie ein weiteres Mal 1898 in Charkow auf.

1896 gab sie einen gemeinsamen Abend mit der Sängerin Lalla Wiborg in Berlin, trat in Dresden auf und gab 1897 einen Klavierabend in St. Petersburg. Für Okt. und Nov. 1898 weist Rune Andersen Auftritte in Norwegen nach. Am 20. Apr. 1902 nahm die Künstlerin gemeinsam mit ihrer ehemaligen Kommilitonin Leokadia Kaschperowa an einem Wohltätigkeitskonzert im Großen Saal des Petersburger Konservatoriums teil, auf dem eine Tanzversion von Robert Schumanns Carneval op. 9 geboten wurde.

Um die Jahrhundertwende gastierte die Pianistin mehrfach in Norwegen: am 26. Okt. 1895, 6. Okt., 3. und 8. Nov. 1898 und am 25. Apr. 1900 in Oslo sowie am 23. Okt. 1898 in Bergen. Aus den norwegischen Konzertanzeigen lässt sich ein breites Repertoire ablesen, das von Joh. Seb. Bachs Präludium und Fuge D-Dur über Beethoven-Sonaten (op. 57 und op. 110), Schubert-Bearbeitungen und Chopin-Balladen, Mendelssohns Variations sérieuses op. 54, Kompositionen von Schumann, Arensky und Grieg bis hin zu dem Jakimowska gewidmeten ersten Stück der Sammlung Souvenir de Dresde op. 118 (Simplicitas) von Anton Rubinstein reicht; auch ein ungedrucktes Klavierstück von dessen Bruder Nikolai spielte sie öffentlich. An instrumentaler Kammermusik hatte sie das Klaviertrio B-Dur von Anton Rubinstein im Programm, das sie 1895 in St. Petersburg „ganz vorzüglich“ (NZfM 1895, S. 140) musizierte. Des Weiteren begleitete sie u. a. die Sängerin Lalla (Hansine) Wiborg (1869−1953, 1898 verh. Scott Hansen) 1895 und 1898 in Oslo und 1896 in Dresden.

 

LITERATUR

 

Aftenposten [Oslo] 25. Okt. 1895; 27. Sept. 1898; 24. Apr. 1900

Bock 1893, S. 230, 552; 1894, S. 202, 255

FritzschMW 1892, S. 610

Le Guide musicale 1896, S. 174f.

Le Ménestrel 1893, S. 47, 86, 102

Mährisches Tagblatt [Olmütz] 20. Nov. 1895, NP (S. 3)

NZfM 1892, S. 229; 1893, S. 79, 153, 177; 1894, S. 441, 488; 1895, S. 140

Signale 1892, S. 999; 1893, S. 119, 218, 220, 232, 248, 279f., 297, 326, 362, 389, 390, 456, 738; 1894, S. 245, 530, 786f.; 1896, S. 291; 1897, S. 49; 1898, S. 458f.

Samuil Moiseevič Majkapar, Gody učenija [Lehrjahre], Moskau/Leningrad 1938, https://docslide.com.br/documents/-56d6bd621a28ab30168dc4de.html, Zugriff am 17. Jan. 2018.

Leokadija A. Kašperova, Vospominanija“ [Erinnerungen], hrsg. von N. G. Fesenkova, in: Muzykal’noe nasledstvo. Sbornik po istorii muzykal’noj kul’tury SSSR [Musikalisches Erbe. Sammelband zur Geschichte der Musikkultur der UdSSR], Moskau, 7 (1968), Band II, Teil 2, S. 135–168.

Evgenij Levašev (Hrsg.), Istorija russkoj muzyki [Geschichte der russischen Musik], 10 Bde., Bd. 10b: 1890−1917. Chronika [Chronik], Bd. 1, Moskau 2011.

Universitet i Olso, Kronologisk oversikt over Halvorsens konsertvirksomhet Del 3 (1893—1899), http://folk.uio.no/oyvindyb/musikk/Halvorsen/registre/kronologi1893_1899.html, Zugriff am 16. Nov. 2012.

Universitet i Olso, Oversikt over oppførelsestidspunkter, komponister, verker og eksekutører, http://www.hf.uio.no/imv/forskning/prosjekter/norgesmusikk/bulletin/nummer2/del3.html, Zugriff am 16. Nov. 2012.

Rune Andersen, Hector Berlioz, Franz Liszt, Richard Wagner, Johannes Brahms, Anton Bruckner, Richard Strauss, Max Reger, Gustav Mahler, Johan Selmer, Hjalmar Borgstrøm, og Gerhard Schjelderup i norskmusikkliv frem til 1925. Oversikt over oppførelsestidspunkter, komponister, verker og eksekutører, Universitet i Olso, http://www.hf.uio.no/imv/forskning/prosjekter/norgesmusikk/bulletin/nummer2/del3.html, Zugriff am 16. Nov. 2012.

 

Kadja Grönke

 

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