Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Robinson, Fanny, Frances, Francis, geb. Arthur

* Sept. 1831 in Southampton, † 31. Okt. 1879 in Dublin, Pianistin, Klavierprofessorin und Komponistin. Ihre Eltern waren Rebecca geb. Edmund (ca. 1789–1864) und Alexander Arthur (Lebensdaten unbekannt) und betrieben von 1814 bis 1830 in Southampton eine „preparatory school for younger boys“ (Auskunft der Southampton Central Library). 1830 eröffnete Rebecca Arthur ein Mädchen-Internat. Fanny wuchs mit zwei Brüdern und fünf Schwestern auf und erhielt ihren Anfangsunterricht bei Barbara Guschl, die an Rebecca Arthurs Ladies Etablishment als Klavierlehrerin arbeitete, und studierte dann an der Royal Academy of Music bei dem bekannten englischen Komponisten William Sterndale Bennett (1816–1875), dem Chefdirigenten der London Philharmonic Society, der seit 1837 an der Royal Academy of Music lehrte. Für kurze Zeit bekam sie auch Unterricht von Sigismund Thalberg (1812–1871), wahrscheinlich während eines seiner London-Aufenthalte in den 1840er Jahren.

Fanny Arthur trat bereits als 14-Jährige in Southampton auf. In Dublin konzertierte sie erstmals am 26. Jan. 1849 bei einem Konzert der Philharmonic Society und erntete großes Lob. „The brilliancy of her execution, and the exquisite lightness, yet decision, of her fingering are truly wonderful“ (Freeman’s Journal 27. Jan. 1849). Am 19. Febr. 1849 folgte ein Auftritt in den Ancient Concert Rooms, wo sie ein Capriccio von Mendelssohn und das Konzertstück f-Moll op. 79 von Weber spielte. Wenige Tage später bewies sie mit der Aufführung eines Klavierkonzertes von Chopin „her perfect mastery of this instrument“ (Freeman’s Journal 23. Febr. 1849). Die Komposition sei, so das Blatt, „given by Miss Arthur in a style which many present familiar with Madam [Louise Dulcken’s performance, considered unsurpassed by that celebrated pianist“ (ebd.).

Von persönlicher Bedeutung war es für die Musikerin, dass sie in diesen Konzerten mit Joseph Robinson (1816–1898), einem in Dublin angesehenen Dirigenten, Komponisten und Sänger, zusammentraf. Fünf Monate später, am 17. Juni 1849, wurden Fanny Arthur und Joseph Robinson getraut. Robinsons Familie spielte im Dubliner Musikleben eine wichtige Rolle, und Fanny Arthur kam in eine Umgebung, die für ihre Karriere als Interpretin, Lehrerin und Komponistin sehr förderlich war. Robinson war anscheinend ein Ehemann, der seine Frau in beruflicher Hinsicht vielfach unterstützte.

Von 1849 an trat Fanny Robinson in Dublin regelmäßig auf. Sie spielte oft in Konzerten ihres Mannes; im August 1849 musizierte sie in Viceregal Lodge, der Residenz des Britischen Lord Lieutenant of Ireland nördlich von Dublin, vor Königin Victoria, gemeinsam mit anderen Musikern, darunter ihrem Ehemann und John Stanford, dem Vater des später berühmten irischen Komponisten Charles Villiers Stanford. Am 19. Dez. 1895 steuerte sie in einem Konzert der Philharmonic Society Kompositionen von Chopin und dem amerikanischen Komponisten Louis Moreau Gottschalk bei, was das „Freeman’s Journal“ wiederum zu einer lobenden Besprechung veranlasste: „Mrs. Joseph Robinson played a Negro air, the topic rather commonplace, but worked out most musically and charmingly in a style which caused her to be recalled also; we regarded her playing as in a style only surpassed by [George Alexander] Osborne“ (Freeman’s Journal 20. Dez. 1851).

Am 26. Juni 1855 debütierte die Musikerin in London in einem Konzert der Musical Union mit Beethovens Violinsonate Nr. 5 F-Dur op. 24, gemeinsam mit dem Geiger Heinrich Wilhelm Ernst. „The charming and melodious sonata of Beethoven was […] played to perfection by Mrs. Joseph Robinson and Herr Ernst, and loudly applauded. The lady, whose graceful style and fluent execution bear ample testimony to the justness of the high reputation she enjoys in the metropolis of the sister isle, was no less successful in the scherzo of Chopin“ (MusW 1855, S. 417). Am 2. Apr. 1856 spielte sie in einem Konzert der Philharmonic Society in Dublin den Klavierpart von Beethovens Quintett op. 16 „brilliant and sparkling troughout“ (Musical Gazette 1856, S. 139). Wenige Tage später gab sie in den Ancient Concert Rooms in Dublin einen Klavierabend und war damit in Irland die erste, die ein reines „Recital“ nach dem Beispiel von Franz Liszt wagte. Ihr Programm umspannte einen weiten historischen Zeitraum und enthielt eine Suite von Joh. Seb. Bach, die Sonate c-Moll KV 457 von Mozart, die Sonate op. 26 Nr. 2 cis-Moll (Mondscheinsonate) von Beethoven, The Lake und The Fountain aus op. 10 von Sterndale Bennett, die Berceuse op. 57 von Chopin und Les Arpèges op. 89, Nr. 2 von Kullak. In „Saunder’s Newsletter“ war am folgenden Tag zu lesen, dass niemals ein Pianist sich Schwierigeres vorgenommen und dass das Publikum seine Anerkennung „no less by their homage of silence, than by the frequent bursts of applause“ zum Ausdruck gebracht habe (Saunder’s Newsletter 10. Apr. 1856). Im Juni 1856 gastierte sie in der Londoner New Philharmonic Society mit dem Klavierkonzert d-Moll von Mendelssohn: „Mrs. J. Robinson […] performed the difficult concerto of Mendelssohn with remarkable energy and fire. Her reading of the andante was charming – gracefully feminine, and yet quite unaffected“ (MusW 1856, S. 395).

In einem Nachruf auf Joseph Robinson heißt es von dem Ehepaar: „Their house in Dublin became the center of all musicians who came to Ireland. [Sigismund] Thalberg, [Anton] Rubinstein, and [Joseph] Joachim were frequently there“ (Stanford, S. 799). Clara Schumann beschrieb während ihrer Englandreise 1856 die Robinsons als „die musikalischen Tonangeber in der irischen Hauptstadt. Er als Lehrer im Gesang, sie am Klavier, sie ‚die musikalischste Spielerin, die ich neben Fanny Hensel gehört‘. Ihre ganze Persönlichkeit von außerordentlicher Grazie und ‚Zartgefühl im Umgange wie in der Musik, das mich außerordentlich zu ihr hinzog' […]. Auch als Gattin lernte ich sie lieben. Beide Leute leben äußerst glücklich, freilich aber eine häusliche Gemütlichkeit sucht man in England bei Künstlern vergeblich, sie verdienen Geld von früh bis abend. […] Nur am Abend spät finden sie sich zusammen, halb tot, ermüdet von des Tages Lasten. [Bewunderungswürdig aber […] war mir bei der Frau die Frische, die sie sich doch bei alle dem fürchterlichen Arbeiten für die Musik bewahrt“, zit. nach Litzmann Bd. 2, S. 407).

Fanny Robinson trat weiterhin in Dublin auf, gelegentlich auch in London. Am 4. Febr. 1864 gastierte sie in Paris und erzielte mit Werken von Beethoven und Thalberg sowie eigenen Kompositionen (Constance, Fête rustique, Les Etincelles) einen „éclatant succès“ („glänzenden Erfolg“), den „un Français à Paris“ in der „Musical World“ ausführlich würdigte (MusW 1864, S. 119). Die „Revue et Gazette Musicale“ äußerte sich positiv, aber nicht ohne Einschränkung: „Mme Robinson s’est parfaitement tirée de son premier contact avec un public parisien, et son triomphe a été des plus complets. Dès le début, on a reconnu qu’on avait affaire à une habile musicienne, possédant de rares et précieuses qualités. L’expression, la netteté, la délicatesse, voilà ce qui frappe d’abord dans son jeu, auquel on ne pourrait souhaiter qu’un peu plus d’énergie et d’ampleur“ („Mme. Robinson hat ihr erstes Auftreten vor einem Pariser Publikum glänzend bestanden und einen vollen Erfolg errungen. Von Beginn an wusste man, dass man es mit einer geschulten Musikerin zu tun hatte, die seltene und wertvolle Qualitäten besitzt. Der Ausdruck, die Präzision, die Nuancierungen sind es vor allem, die an ihrer Spielweise beeindrucken, der man allerdings etwas mehr Kraft und Intensität wünschen möchte“ (RGM 1864, S. 44). Gegen Ende der 1860er Jahre begann die Depression, unter der sie litt, ihren Alltag stärker zu beeinträchtigen, sodass regelmäßige Konzerttätigkeit nicht mehr möglich war.

Auch als Klavierprofessorin war Fanny Robinson für Dublin prägend. 1856 wurde sie an die Royal Irish Academy of Music berufen. Ihre Stellung im Institut war für damalige Verhältnisse außergewöhnlich, war sie doch in Europa eine der wenigen volltitulierten Professorinnen in einem Instrumentalfach. „Except for superstars like Clara Schumann, women professors were generally not accorded the respect, rank and salaries of their male counterparts“ (Reich, S. 101). Wahrscheinlich war Fanny Robinson der Akademie ähnlich wertvoll wie Clara Schumann dem Hoch’schen Konservatorium 1878. Zu Beginn ihrer Beschäftigung war Fanny Robinson lokal wie international renommiert und hatte als Interpretin hervorragende Kritiken vorzuweisen. Auch als Komponistin war sie tätig und hatte zu dieser Zeit schon mehrere ihrer Klavierwerke publiziert. So ist es wahrscheinlich, dass das Leitungsgremium der Akademie ihre Aufnahme in den Lehrkörper als werbewirksame Maßnahme betrachtete und vor allem auf einen Zuwachs an Studentinnen hoffte. Jahrzehnte später bestätigte Annie Patterson, dass Fanny Robinson als Professorin „drew a large number of pupils to the Dublin School of Music“ (Patterson, S. 3). Die Pianistin lehrte an der Akademie fast zwanzig Jahre und kündigte 1875 gemeinsam mit Joseph Robinson, offenbar aufgrund von Differenzen mit dem Royal Irish Academy of Music Council.

Zusätzlich zu ihren Verdiensten als Interpretin und Hochschullehrerin ist Fanny Robinson als eine der ersten professionellen Komponistinnen Irlands zu würdigen. Neben ihrer geistlichen Kantate God is Love (1868), die in den folgenden Jahrzehnten vielfach aufgeführt wurde, lassen sich zurzeit 14 Klavierkompositionen nachweisen, die sie zwischen 1853 und 1879 veröffentlichte. Zum besseren Verständnis setzte sie oft erklärende Elemente hinzu. Jedes Stück basiert auf einem Thema, das im Titel genannt und mit literarischen Zitaten illustriert wird. Tonalität, Dynamik und Rhythmus der Komposition nehmen dann darauf Bezug. Alle Klavier-Kompositionen tragen Widmungen an Personen, die sie bewunderte, wie den italienischen Geiger Guido Panini und die englische Romanschriftstellerin Elizabeth Gaskell, oder Menschen aus ihrem persönlichen oder beruflichen Umfeld, wie Lady Jenkinson und Emily Augusta Brady. Während Robinsons Klaviermusik anscheinend große Verbreitung fand, gibt es keinen Beleg dafür, dass sie sie in Irland oder England selbst in Konzerten aufgeführt hätte. Es ist anzunehmen, dass ihre Klavierkompositionen im Zusammenhang mit ihrer Lehrtätigkeit und zu ihrem eigenen Vergnügen entstanden.

Fanny Robinson litt seit Beginn der 1860er Jahre unter Depressionen. Sie wurde mehrmals in der Privatklinik von Dr. Eustace in Glasnevin, einem nördlichen Stadtteil Dublins, behandelt, auch kurz vor ihrem Tod. Sie beendete ihr Leben am 31. Okt. 1879 durch Suizid.

 

 

KOMPOSITIONEN FÜR KLAVIER

Sentiments, 1853

The Haymakers. Caprice pastorale, 1855

The Village Fête. Morceau de salon, 1864

The Hunt. Morceau de salon, 1864

Elf Land. Presto scherzando, 1864

A Dream. Melody, 1864

Constancy. Melody, 1864

May Morning. A Sketch, 1865

Infant Smiles, 1868

Laughing Water. Rondino, 1870

Evening Thoughts. Impromptu, 1873

Hopes and Fears. Allegro brillante, 1876

The Thrush’s Song. Pensée musicale, 1877

Elegiac March to Tennyson’s „Elaine“, ca. 1879

 

LITERATUR

Briefwechsel mit dem Southampton City Council (Archiv) und der Southampton Central Library 3. bis 17. Okt. 2012

Einwohnerverzeichnis Southampton 1841

Athenæum 1856 I, S. 786; 1879 II, S. 187

Examiner 1870, S. 425

Freeman’s Journal and Daily Commercial Advertiser [Dublin] 1849, 24., 27. Jan., 20., 23. Febr., 7. Juni, 20. Aug.; 1851, 20. Dez.; 1898, 24. Aug.

Hampshire Advertiser and Salisbury Guardian 1830, 31. Juli; 1837, 18. März;  1845, 1. März

Literary Gazette 1856, S. 404

Musical Gazette 1856, S. 139, 252, 254

Musical Herald 1897, S. 3–6

Musical News 1898 II, S. 227f.

Musical Standard 1883 II, S. 185

MusT 1897, S. 233

MusW 1855, S. 417; 1856, S. 394f.; 1857, S. 236, 381; 1864, S. 119; 1879, S. 719

Orchestra 1865, S. 101

RGM 1864, S. 30, 44

Saunders Newsletter 10. Apr. 1856

Signale 1864, S. 139; 1879, S. 1015; 1880, S. 264

Trewman’s Exeter Flying Post or Plymouth and Cornish Advertiser 1849, 27. Dez.; 1850, 10., 17. Jan.

David Baptie, A Handbook of Musical Biography, London 21887.

Frederic Boase, Modern English Biography, 6 Bde., Truro 1892–1921.

Otto Ebel, Women Composers. A Biographical Handbook of Woman‘s Work in Music, Brooklyn/NY 1913.

Albert Ernest Wier, The Macmillan Encyclopedia of Music and Musicians, London 1938.

Jozef Robijns, Algemene muziek encyclopedie, Harlem 1984.

Gerald Leach, British Composer Profiles. A Biographical Dictionary and Chronology of Past British Composers 18001989, Gerrards Cross 1989.

Anya Laurence, Women of Notes. 1.000 Women Composers Born Before 1900, New York 1978.

Brown Bio, Brown Brit, New Grove 1, Cohen, MGG 2000 (Art. Robinson, Joseph), New Grove 2001

C[harles]. V[illiers]. Stanford, „Joseph Robinson“, in: The Cornhill Magazine 1898, S. 795–801.

Annie Patterson, „Margaret O’Hea“, in: Weekly Irish Times 10. Nov. 1900.

Berthold Litzmann, Clara Schumann. Ein Künstlerleben. Nach Tagebüchern und Briefen, 3 Bde., Bd. 2, Leipzig 61920.

W. Harry Grindle, Irish Cathedral Music. A History of Music at the Cathedrals of the Church of Ireland, Belfast 1989.

Nancy B. Reich, „European Composers and Musicians, ca. 18001890“, in: Women and Music, hrsg. von Karin Pendle, Bloomington/IN 1991, S. 97–122.

Richard Pine u. Charles Acton (Hrsg.), To Talent Alone. The Royal Irish Academy of Music 18481998, Dublin 1998.

Jennifer O’Connor, The Role of Women in Music in Nineteenth-Century Dublinunveröff. Diss. National University of Ireland, Maynooth 2010.

 

Bildnachweis

Musical Herald 1897, S. 5

 

Jennifer O’Connor-Madsen

(Übersetzung: Freia Hoffmann)

 

© 2012 Freia Hoffmann