Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Döge, DoegeEmilie und Auguste

Lebensdaten unbekannt, 19. Jahrhundert, Flötistinnen. (Zeitungsmeldungen aus den Jahren 1843 und 1844 geben Emilies Alter mit 16 Jahren an, sie dürfte also 1827 oder 1828 geboren sein.) Der Vater der Schwestern war Traugott Döge, der „als freiwilliger Jäger im Kampfe für die Befreiung des Vaterlandes beide Augen“ verloren hatte und durch Vermittlung des preußischen Königs ins Blinden-Institut zu Berlin aufgenommen worden war (Greifswalder Programmzettel, in: Winkler, S. 468f.). Dort anscheinend zum Flötisten ausgebildet (ebd.), konzertierte er zwischen 1828 und 1837 u. a. in Berlin, Greifswald, Bremen, Weimar und Kassel, wobei der regelmäßige Namenszusatz „der im Freiheitskriege erblindete Flötist“ und ein in seinen Programmen vorgetragenes Lied „Trostworte des erblindeten Kriegers Traugott Doege“ weitere Werbemittel waren. 1840 und 1845 sind gemeinsame Auftritte seiner Töchter Auguste und Emilie als Flötistinnen nachweisbar.

Als Solistin war Emilie Döge in 1843 in Darmstadt, Nürnberg, Erlangen, Fürth und 1844 in München, Nördlingen, Coburg und Ansbach unterwegs. Sie wurde von ihrem Vater begleitet, mit dem sie mehrfach „Doppel-Variationen“ von Louis Drouet vortrug. 1845 berichtet die „Berliner Musikalische Zeitung“ ausführlich über ein Berliner Konzert „des blinden Violinisten Tettelbach und der Flötenvirtuosin E. Döge, Tochter eines erblindeten Kriegers“ am 8. Mai im Mielentz’schen Saal. Möglicherweise ist damit weiterhin ein Kontakt mit dem Berliner Blinden-Institut angedeutet. „Ein blinder Violinist und eine Flötenvirtuosin, gewiss seltene Gestirne an dem Horizonte der Concerte – und doch waren ihre Leistungen nicht blos von der Art, dass es schien, als wollten sie sich durch den Antheil, den jedes gefühlvolle Herz an ihrem Geschicke nimmt, der Milde des Publicums versichern; nein, vielmehr waren jene Leistungen auch ohne diese natürliche Theilnahme wohl der Achtung der Sachverständigen und des Beifalls der Kunstfreunde würdig“ (GaillardBMZ 1845, Nr. 20). Der Text geht ausführlich auf die Mängel in der Bautechnik des Instruments und Schwierigkeiten von Intonation und Atemtechnik ein, um fortzufahren: „Auch unsere Spielerin war von allen diesen Mängeln nicht frei, so sehr wir die Ausdauer ihres Athems und die Anmuth ihrer Passagen, so wie ihre Doppelzunge anerkennen. Sie entschädigte indess durch ihre Bravour in einem Solo von Briccialdi und in Variationen von Drouet, während sie das Thema ‚Heil dir im Siegerkranz’ nicht sonderlich rein und gebunden vortrug“ (ebd.). Frauen, die Flöte spielten, waren auch im 19. Jahrhundert noch höchst selten (Hoffmann, S. 208ff.), worauf der Kritiker mit vormärz-typischer Formulierung anspielt: „Wir würden ihr [Emilie Döge] die Stelle eines ersten Flötisten in einer Kapelle wünschen, käme es zur Emancipation der Frauen“ (GaillardBMZ 1845, Nr. 20). Ein Konzert am 9. Sept. 1848 in Breslau nahm die „Neue Berliner Musikzeitung“ nochmals zum Anlass, die Qualitäten der Musikerin hervorzuheben: „Sie hat zwar einen kleinen, aber angenehmen Ton, eine bedeutende Fertigkeit und schöne Vortragsweise“ (Bock 1848, S. 291).

In der Wintersaison 1849/50 ist ein Auftritt von Emilie Döge in Königsberg belegt, in Danzig trat eine „Flöte blasende Dame, Fräulein Döge" auf. Der Danziger Korrespondent der Zeitschrift „Signale für die musikalische Welt“ schrieb: „Die Kunstfertigkeit derselben war nicht groß genug, um unsre Abneigung gegen die Flöte als Concertinstrument zu besiegen“ (1850, S. 156). Tatsächlich standen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Gesang, das Klavier und die Violine fast ausschließlich im Zentrum der Konzertprogramme, so dass Solo-Karrieren auch für männliche Flötisten kaum mehr realisierbar waren.

Nicht immer werden die Vornamen der Schwestern Döge mitgeteilt, so dass nicht entschieden werden kann, ob sie zunächst gemeinsam konzertierten (1840 und 1845) und anschließend ihre Karriere einzeln fortsetzten, oder ob Auguste Döge nach 1845 auf öffentliche Auftritte verzichtete.

 

Konzertanzeige Breslau 1848.

 

Für einen wichtigen Literaturhinweis bedanke ich mich bei Karl Traugott Goldbach.

 

LITERATUR

Allgemeine Oder-Zeitung [Breslau] 6. Sept. 1848

Allgemeine Theater-Chronik 1840, S. 181

AmZ 1836, Sp. 631; 1837, Sp. 131

Bayerische Landbötin [München] 1844, S. 88

Berliner AmZ 1828, S. 484

Bock 1848, S. 291

Bremisches Unterhaltungsblatt 1833, Sp. 192

Castelli 1836, S. 75; 1840, S. 56

Deutscher Bühnen-Almanach 1851, S. 166

Euterpe 1845, S. 128

Fürther Tagblatt 28. Okt. 1843

GaillardBMZ 1845, Nr. 20

Königlich Bayerisches Intelligenz-Blatt für Mittelfranken [Ansbach], Beilage 9. März 1844, S. 401

Nürnberger Kurier 9. Okt. 1843

Nürnberger Zeitung 10. Okt.1843

NZfM 1840 I, S. 100

Regierungs- und Intelligenzblatt für das Herzogthum Coburg 1844, S. 324

Signale 1850, S. 156

Wochenblatt der Stadt Nördlingen 1844, S. 91

Concert des im Befreiungskampfe erblindeten Kriegers Traugott Doege. Freitag den 15. April 1836 [Programmblatt Weimar, Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar].

Ernst Pasqué, Musikalische Statistik des Großherzoglichen Hoftheaters zu Darmstadt von 18101868, Darmstadt 1868.

Adolf Pongratz, Musikgeschichte der Stadt Erlangen im 18. und 19. Jahrhundert, o. O. 1958.

Freia Hoffmann, Instrument und Körper. Die musizierende Frau in der bürgerlichen Kultur, Frankfurt a. M. u. Leipzig 1991.

Lutz Winkler, „Greifswalder Musikleben in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts  Zeugnis der Musikermigration im Ostseeraum“, in: Musica Baltica. Interregionale musikkulturelle Beziehungen im Ostseeraum. Konferenzbericht, hrsg. von Ekkehard Ochs u. a. (= Deutsche Musik im Osten 8), St. Augustin 1996, S. 461472.

 

Bildnachweis

Hoffmann, S. 219

 

Freia Hoffmann

 

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