Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

OsterOsten, Antonia, Antonie

* 7. Aug. 1811 in Wien, † 9. Juli 1828 ebd., Pianistin. Antonia Oster wurde in eine Musikerfamilie hineingeboren. Sie war die Tochter von Karl Oster (?–1832), Mitglied des Orchesters am Hoftheater, und Therese Oster. Zusammen mit ihrem Bruder Karl wurde sie schon frühzeitig musikalisch gefördert. Beide Kinder erhielten ihre Ausbildung bei Carl Czerny (1791–1857). Hieronymus Payer (1787–1845) war ein weiterer Lehrer von Antonia Oster.

Nach Auftritten mit dem Bruder im mehr privaten Rahmen war die Pianistin 1822, im Alter von 10 Jahren, erstmals öffentlich zu hören und wurde von Eduard Hanslick zu den zahlreichen ‚Wunderkindern‘ gerechnet, die Anfang des 19. Jahrhunderts in Wien konzertiert haben. Mit einem Klavierkonzert von Johann Ludwig Dussek und Variationen ihres Lehrers Payer debütierte sie am 17. März 1822 innerhalb eines Konzerts im Landständischen Saal in Wien. Lob wird hierauf von einem Korrespondenten der „Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode“ dem Lehrer Payer zugesprochen: „Ist Dlle. Oster eine Schülerin des Hrn. Hieronymus Payer […], so möchten leicht die erwachsenen Damen zu Kindern werden und bey Hrn. Payer Unterricht nehmen wollen“ (1822, S. 294). Ab 1824 übernahm Carl Czerny die weitere Ausbildung.

Im Anschluss an den Vortrag eines Klavierkonzerts von Ferdinand Ries am 19. Febr. 1824 im Landständischen Saal werden in der Zeitschrift „Der Sammler“ die pianistischen Fertigkeiten Antonie Osters hervorgehoben: „Sie spielte nicht nur mit großer Fertigkeit, sondern auch […] mit sehr viel Ausdruck, ein Vorzug, der bey angehenden Virtuosen ihres Alters gewöhnlich vermißt wird, wo dann auch alle Kunst selbst verloren geht. Sie scheint in einer Schule zu seyn, die nicht, wie so viele, dem Schüler einen bloßen äußern glänzenden Anstrich zu geben sucht, sondern die gründlich und systematisch zu Werke geht“ (Der Sammler 1824, S. 160). Ein Korrespondent der „Allgemeinen musikalischen Zeitung“ lobt außerdem die „bedeutenden Fortschritte, von denen die junge Künstlerin alljährlich so schöne Beweise ablegt“ (AmZ 1825, Sp. 147). Im jährlichen Turnus trat die Musikerin fortan im Landständischen Saal auf.

1825 unternahm Antonia Oster, begleitet vom Vater und mit einem Empfehlungsbrief von Ignaz Franz Castelli ausgestattet, eine Konzertreise nach Pest und spielte auf dem Weg dorthin u. a. in Ofen und Preßburg. Im Sommer sollte sich eine Reise nach Prag anschließen. Erst ab Nov. 1826 sind weitere Auftritte dokumentiert, so etwa im Wiener Musikverein. Nebenher veranstaltete die Pianistin in Wien private Musikabende. 1827 wurde sie als Mitglied in die Gesellschaft der Musikfreunde aufgenommen.

Ihr Repertoire umfasste neben Werken ihrer Lehrer vor allem Kompositionen weiterer Zeitgenossen wie Ferdinand Ries, Friedrich Kalkbrenner, Josef Mayseder, Franz Schober­lech­ner und Daniel Stei­belt. Der „Lieblings­tondichter der früh verklärten Künstlerin“ (Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode 1828, S. 810) sei gegen Ender der 1820er Jahre Beethoven gewesen, dessen 5. Klavierkonzert in Es-Dur op. 73 sie in der Wintersaison 1827/1828 in Wien spielte. Hier deutet sich ein Umbruch in der Repertoirewahl an und damit wohl auch das Bemühen, sich vom Image der Kindervirtuosin zu lösen und als erwachsene Künstlerin zu etablieren.

Allerdings starb Antonie Oster bereits am 9. Juli 1828 im Alter von 16 Jahren an den Folgen einer schwerwiegenden Lungenerkrankung. Zur Erinnerung an die Pianistin widmeten ihr Paul Friedrich Walther, Franz Grillparzer und J. B. Teichmann Gedichte.

 

LITERATUR

Ankündigung zu einem Unterhaltungsabend, 30. Nov. 1826, Wienbibliothek, Signatur H.I.N.-46090

Einladung zur musikalischen Privat-Unterhaltung, 1827, Wienbibliothek, Signatur E-77294

Mitgliedsdekret der Gesellschaft der Musikfreunde für Antonia Oster, Wien 1827, Wienbibliothek, Signatur H.I.N.-35004

Empfehlungsschreiben für Antonia Oster an Ludwig von Schedius, von Ignaz Franz Castelli, 8. März 1825, Wienbibliothek, Signatur H.I.N.-35000

Sterbebuch, Maria Rotunda, 1783–1838, in: Matriken. Bestände Österreich. Wien/Niederösterreich (Osten): Rk. Erzdiözese Wien / 01., Maria Rotunda, https://data.matricula-online.eu/de/oesterreich/wien/01-mariarotunda/, Zugriff am 1. Juni 2022.

Verzeichnis der bei Herrn von Czerny erhaltenen Klavierstunden von März 1824 angefangen, Manuskript Antonia Oster, o. J., Wienbibliothek, Signatur H.I.N.-34997

Abendzeitung auf das Jahr 1825, S. 106

AmZ 1822, Sp. 307; 1823, Sp. 238; 1824, Sp. 856; 1825, Sp. 147; 1826, Sp. 193; 1826, Sp. 313f., 426; 1827, Sp. 97, 166f., 231; 1828, Sp. 27, 295, 691

Berliner AmZ 1826, S. 323; 1827, S. 175; 1828, S. 207

Castelli 1829, S. 125

Flora, Unterhaltungsblatt geschichtlichen, naturhistorischen und belletristischen Inhalts zunächst für die Altmühlgegenden 1823, S. 240

Musikbuch aus Österreich. Ein Jahrbuch der Musikpflege in Österreich und der bedeutendsten Musikstädten des Auslandes 1904, S. 46

Offenburger AmZ 1827, Sp. 85, 166f., 293

Österreichischer Beobachter 1825, S. 106

The Quarterly Musical Magazine and Review 1823, S. 419

Der Sammler 1824, S. 160

Wiener Salonblatt 25. Mai 1873

Wiener Theaterzeitung (Bäuerle) 1824, 6. März, 11. Nov.; 1825, 27. Jan.; 1828, 8. März, 1., 19., Apr., 28. Juni, 17., 19. Juli, 30. Aug., 9. Dez.

Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode 1822, S. 294; 1828, S. 240, 809f.

Wiener Zeitung 1824, 17. Febr.; 1911, 29. Okt.; 1832, 7. Jan.

Becker

Alfred Orel, „Antonia Oster. Ein Parergon zur Grillparzer-Forschung“, in: Wiener Zeitung 12. Apr. 1925, S. 4–6.

Eduard Hanslick, Geschichte des Concertwesens in Wien, 2 Bde., Bd. 1, Wien 1869, Repr. Hildesheim [u. a.] 1979.

Ingrid Bodsch [u. a.] (Hrsg.), Beethoven und andere Wunderkinder. Wissenschaftliche Beiträge und Katalog zur Ausstellung, Bonn 2003.

 

Annkatrin Babbe

 

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