Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Lederer, Erna, Ernestine

* um 1860 (Ort unbekannt), Sterbedaten unbekannt, österreichische Violoncellistin. Sie studierte (unter dem Namen Ernestine Lederer) von 1875 bis 1880 am Wiener Konservatorium, zunächst als Schülerin von Friedrich Hilpert (1841−1896), dann bei Karl Udel (1844−1927), Violoncellist im Wiener Hofopernorchester und von 1876 an Lehrer am Konservatorium. Eine Konzerttätigkeit (unter dem Namen Erna Lederer) ist in der Presse zwischen 1882 und 1886 nachweisbar, meist in Wien, im Jahr 1883 auch in Pest. Neben der Teilnahme an Wohltätigkeitskonzerten ist für den 9. März 1885 im Saal Bösendorfer in Wien auch ein eigenes Konzert belegt, unter Beteiligung ihres Lehrers Karl Udel. Menge und Anspruch dieser Auftritte rechtfertigen zwar keinen Eintrag in diesem Lexikon; Erna Lederer gehört jedoch zu den ersten im deutschsprachigen Raum institutionell ausgebildeten Violoncellospielerinnen, und sie gab Anlass zu einer späten Grundsatzerklärung in Sachen „Schicklichkeit“: Die Frauen-Emancipation auf musikalischem Gebiete macht rasche Fortschritte. Kaum hat sie sich die Violine erobert, greift sie auch schon zum Cello und so bekommen wir in Fräulein Lederer bereits die zweite Cellistin [möglicherweise nach Rudolfine Epstein, die 1874 bis 1879 in Wien konzertierte] zu Gehör. Das Cello eignet sich nun einmal nicht für Frauen; es kann nicht klingen, wenn die umgebenden Mollkleider den fröhlichsten Dur-Accord ersticken. Und noch dazu welchunschöner Anblick, das umfangreiche Instrument von Damenhänden wie einen hilflosen Pantoffelhelden hin- und herstoßen zu sehen. Doch nun vom Allgemeinen zum Speciellen, das ist wieder zu Fräulein Lederer. Muß sich denn eine Anfängerin gleich die höchsten Aufgaben stellen, wie den ‚Springbrunnen‘ von [Karl Juljewitsch] Davidoff? Die Saiten gaben aber auch bei dieser musikalisch hydropathischen Behandlung unbeschreibliche Schreckenslaute von sich. Bis die Technik des Fräuleins ‚klar und fließend‘ sein wird, mag sie sich wieder an das Experiment wagen, diesmal war es entschieden zu früh (Extrapost [Wien] 15. März 1885, dass. im Wiener Montags-Journal 15. März 1885).

Neu ist an dieser Wahrnehmung die Identifizierung des Autors mit dem Instrument als „Pantoffelhelden“, traditionell ist die Verknüpfung zwischen moralisch-ästhetischer und musikalischer Aburteilung.

 

LITERATUR

Deutsche Kunst- und Musik-Zeitung 1885, S. 126

Extrapost [Wien] 15. März 1885

Jahresberichte des Konservatoriums der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien 1875/76, S. 21; 1876/77, S. 19; 1877/78, S. 19; 1878/79, S. 19; 1879/80, S. 19

Neue Freie Presse [Wien] 1882, 17. Nov.; 1885, 8. März, 19. Dez.; 1886, 6. Apr.

(Neuigkeits) Welt Blatt [Wien] 19. Nov. 1882

Die Presse [Wien] 1885, 15. Febr., 8. März, 22. Dez.; 1886, 28. Febr., 7. Apr.

Signale 1884, S. 195

Wiener Montags-Journal 15. März 1885

Das Vaterland [Wien] 15. Febr. 1885

 

FH

 

 

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