Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Mager, (Maria) Theresia, Therese

* 1. Jan. 1788 in Rastatt, Sterbedaten unbekannt, Geigerin. Sie war die Tochter von Johann Adam Mager, einem als „Hintersaß“ (Rastatter Ratsprotokoll 16. März 1803, zit. nach Reuß) wohl wenig wohlhabenden „musicus“ (Kirchenbücher Kath. Stadtpfarrei St. Alexander, zit. nach Reuß), sowie von Maria Anna geb. Mayer, die als Harfenistin ebenfalls musizierte. Theresia Mager hatte vier jüngere Geschwister, von denen aber nur der Bruder Nikolaus Mager (1792–?) das Kindesalter überlebte.

Laut Meusel begann Theresia Mager bereits als Vierjährige mit dem Violinspiel. Ersten Unterricht erhielt sie von ihrem Vater. Bereits „vom 6ten bis in’s 8te Jahr“ begann sie, mit den Eltern verschiedne Gegenden Teutschlands [zu] durchreisen“ (Meusel, S.  4), wobei sie der Vater mit der Violine, die Mutter mit der Harfe begleiteten. Erst danach erhielt sie weiterführenden Unterricht bei einem unbekannten Lehrer, der mit ihr Violinkonzerte von Pleyel (1757–1831), Mestrino (1748–1789), Viotti (1755–1824) u. a. einstudierte. Daraufhin bereiste sie die Schweiz, Italien und Österreich, spielte dort vor Franz I., Kaiser von Österreich, und nach ihrer Rückkehr vor Karl Friedrich, Markgraf von Baden. In dieser Zeit – ca. 1800 – erhielt sie weiteren Unterricht: In Karlsruhe wurde sie vom Mozart-Schüler Christian Danner (1757–1813), anschließend in Bruchsal von Johann Evangelist Brandl (1760–1837) unterwiesen.

Danach ging sie erneut auf Reisen. Laut Meusel besuchte sie  „die Städte Augsburg, München, Salzburg, Passau, Regensburg, und gieng von da nach dem Tode ihres Vaters nach Nordteutschland“ (Meusel, S. 4). Dort trat sie 1804 in Gera, Leipzig, Magdeburg und Berlin auf. Zum Jahreswechsel 1804/05 hielt sie sich in Wittenberg, im Jan. 1805 in Leipzig (dort auch in Privatkreisen spielend), im Febr. in Dresden und im selben Jahr mutmaßlich in Magdeburg und Berlin auf. 1806 war sie in Braunschweig und Wolfenbüttel zu hören. Von diesen Reisen liegen die ersten Pressemitteilungen über sie vor. Kritiker äußern sich freundlich über sie, erwähnen aber auch die familiäre Situation. Der „Zeitung für die elegante Welt“ zufolge war sie „die Ernährerin einer alten Mutter, eines alten Onkels und eines zehnjährigen Bruders [...], die sämmtlich ohne das Talent dieses Mädchens ganz hülflos seyn würden, da sie durch den frühen Tod des Vaters das unverdiente Schicksal hatten, ihren Unterhalt zu verdienen“ (Zeitung für die elegante Welt 1804, Sp. 762). 1805 schreibt dasselbe Blatt, die Tätigkeit Theresia Magers diene dem „edlen Zweck, ihrer Mutter durch ihre Reisen eine anständigere Lage zu verschaffen“ (Zeitung für die elegante Welt 1805, S. 32).

Theresia Mager bildete ihre violinistischen Fähigkeiten weiter aus. Laut Meusel erhielt sie „auf dieser Reise […] in Dresden drey Monate lang den Unterricht des ersten Teutschen Violinspielers Ludwig Spohr“ (Meusel, S. 4). Spohr [1784–1859) und Theresia Mager hielten sich beide im Febr. 1805 in Dresden auf, denkbar wäre aber auch ein Unterricht in Braunschweig im selben Jahr.

Daraufhin reiste sie über „Hamburg und den übrigen Seestädten durch die Preuss. Staaten zurück nach Carlsruhe“ (Meusel, S. 5), wo sie erneut bei Hofe spielte. Im Juni und Juli 1807 vermerkt Johann Wolfgang von Goethe in Karlsbad in sein Tagebuch den Besuch von zwei Konzerten der Geigerin. Laut Meusel ging sie im selben Jahr nach Dresden und „wurde daselbst im Jahre 1807, nebst ihrem Bruder, im 17ten Jahr ihres Alters bey einem reichen Russischen Grafen, mit einem sehr ansehnlichen Gehalte und lebenslanger Versorgung, angestellt“ (Meusel, S. 5). Weitere Nachrichten über sie liegen nicht vor.

Die Einordnung Theresia Magers erscheint unklar. Eine Identität mit Elisabeth Filipowicz geb. Mayer ist nicht auszuschließen. Schon die Herkunft von zwei Geigerinnen, jeweils um 1790 geboren, aus dem in dieser Zeit überschaubaren Rastatt wäre ein überraschender Zufall. Die deutlich ähnlichen Nachnamen wurden schon von Zeitgenossen vertauscht.  Erste Verwechslungen im Bezug auf die Familie finden sich bereits in den Rastatter Kirchenbüchern. 1804 bezeichnet sie die „Zeitung für die elegante Welt“ als „Theresia Mayer aus Rastadt, 14 Jahre alt“ (Zeitung für die elegante Welt 1804, Sp. 762). Umgekehrt spricht Carl Augustin Grenser angesichts eines Konzerts 1832 in Leipzig von „Mad. Filipowicz geb. Mager“ (Grenser, S. 185). Spohr nennt seine Schülerin, die spätere Elisabeth Filipowicz, zwar explizit „Demoiselle Mayer“ (Spohr, Lebenserinnerungen I, S. 85), seine Autobiographie verfasste er aber mehr als 40 Jahre später. Soweit erkennbar, beziehen sich sämtliche späteren Nennungen des Geburtsnamens Mayer von Elisabeth Filipowicz auf Spohrs in zeitlich großem Abstand geschriebenen Text; einen zeitgenössischen Beleg gibt es nicht. Denkbar wäre ferner, dass die Geigerin nach dem Tod des Vaters den Geburtsnamen der Mutter annahm. Auch die Chronologie würde passen: Während sich Auftritte von Theresia Mager nach 1807 nicht mehr nachweisen lassen, finden sich umgekehrt erste Belege für eine Konzerttätigkeit der späteren Elisabeth Filipowicz erst im zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, obwohl Spohr ausdrücklich schreibt, dass sie bereits während des Unterrichts von 1805 in Braunschweig konzertiert habe.

Es gibt aber auch Argumente, die gegen diese Annahme sprechen. So sind die Vornamen – durchaus verlässlich durch die Kirchenbücher in Rastatt einerseits und die Briefunterschriften Elisabeth („Elise“) Filipowicz andererseits – nicht vereinbar. Auch die Angaben zu Ort und Zeit des Unterrichts bei Spohr stimmen nicht vollkommen überein.

 

LITERATUR

Goethe. Begegnungen und Gespräche, hrsg. von Renate Grumach, 9. Bde., Bd. 6, Berlin u. New York 1999.

Archivalien aus Rastatt, mitgeteilt durch Wolfgang Reuß, Schreiben an Freia Hoffmann vom 23. Jan. 1987.

Abend-Zeitung [Dresden] 1805,  S. 64

AmZ 1804/05, Sp. 252f.

Braunschweigische Anzeigen 1806, 1. März Sp. 594, 8. März Sp. 661, 15. März Sp. 722

ReichardtBMZ 1805, S. 124

Zeitung für die elegante Welt 1804, Sp. 762; 1805, Sp. 32, 87f.; 1806, Sp. 311f.

Johann Georg Meusel, Teutsches Künstlerlexikon oder Verzeichniss der jetztlebenden Teutschen Künstler. Nebst einem Verzeichniss sehenswürdiger Bibliotheken, Kunst- Münz- und Naturalienkabinette in Teutschland und in der Schweiz, 2. Bde. Bd. 2,2Lemgo 1809.

Louis Spohr, Lebenserinnerungen, 2 Bde. in einem Bd., hrsg. von  Folker Göthel, Tutzing 1968.

Carl Augustin Grenser, Geschichte der Musik, hauptsächlich aber des. großen Conzert- u. Theater-Orchesters in Leipzig 1750–1838, hrsg. und transkribiert von Otto Werner Förster, Leizpig 2005, S. 185.

 

Volker Timmermann

 

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