Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Knebelsberger-Auer, Marie, Maria (Theresia), geb. Knebelsberger

* 30. März 1851 in Warschau, † 27. Juni 1915 in Birnbaum/Posen (poln. Międzychód), Zitherspielerin, Zitherlehrerin, Sängerin und Komponistin. Marie Knebelsberger entstammte einer Preßnitzer Musikerfamilie und wurde auf einer Konzertreise ihrer Eltern geboren. Ihr Vater Leopold Knebelsberger (1814–1869) war ein österreichischer Organist, Violinist, Sänger und Komponist. Daneben beherrschte er das Hackbrett sowie Zither, Gitarre und Kornett. Die Mutter Anna Knebelsberger geb. Hellmich (1829–1871) war Sängerin und Harfenistin und spielte außerdem Zither. Aufgewachsen ist Marie Knebelsberger in Preßnitz, wo sie vermutlich auch ihre musikalische Ausbildung erhalten hat. Auch ihre Schwestern Wilhelmine, später verh. Roth (Lebensdaten unbekannt), und Anna, später verh. Lissner (Lebensdaten unbekannt), wurden musikalisch ausgebildet.

Bis zum zwölften Lebensjahr besuchte Marie Knebelsberger die Schule. Danach begleitete das Mädchen die Familie auf Konzertreisen durch Deutschland, Dänemark, Schweden, Norwegen (Konzerte u. a. in Trontheim) und Russland. Zusammen mit ihrer Schwester Wilhelmine und den Eltern trat sie, vermutlich als Sängerin und Zitherspielerin, im Vokalensemble des Vaters auf.

 

Vokalensemble von Leopold Knebelsberger, Hamburg um 1866. 1. v. l.: Wilhelmine Knebelsberger, 3. v. l.: Anna Knebelsberger geb. Hellmich, Mitte: Marie Knebelsberger, 3. v. r.: Leopold Knebelsberger.

 

Ende des Jahres 1865 befanden sich die MusikerInnen in Bremen. Aufgrund einer Erkrankung Marie Knebelsbergers wurde der dortige Aufenthalt um einige Wochen verlängert. Im Rahmen der späteren Russland-Reise starb am 30. Okt. 1869 Leopold Knebelsberger. 1871 starb auch Anna Knebelsberger. Marie Knebelsberger trat kurze Zeit später einer Damenkapelle bei. Mit diesem Ensemble reiste die Musikerin im folgenden Jahr nach Kairo (über Prag, Wien, Triest, Korfu und Alexandria). Zwischen Sept. 1872 und Frühjahr 1873 hielt sich die Kapelle in Ägypten auf.

Am 23. Febr. 1874 verließ Marie Knebelsberger Preßnitz für eine weitere Konzertreise mit der Damenkapelle. In Wien versammelten sich die 22 Musikerinnen und reisten von dort mit dem Zug nach Paris. „In Paris hatten wir erst 14 Tage Probe[,] dann mußten die Kleider gemacht werden[.] […] Die Musik hat gut gefallen. […] Und mein Zitherspiel mußte ich dreimal immer wiederholen […]. Ich wurde von den Damen recht beneidet[,] weil mein Spiel am besten gefühl [sic] (Tagebuch Marie Knebelsbergers, o. D.). In ihrem Tagebuch skizziert Marie Knebelsberger den weiteren Verlauf der Konzertreise und berichtet von Auftritten in großen Konzertsälen (wie dem Amsterdamer Kristallpalast mit 2000 Zuhörern), kleinen beengten Theatern sowie Konzerten im Freien.

Nach dem 20. Apr. 1874 setzten die Musikerinnen ihre Tour von Paris aus fort. Möglicherweise konzertierten sie zunächst im belgischen Mons, bevor sie weitere Städte in Nordfrankreich, u. a. Amiens, Caen und Lille, bereisten. Darauf begaben sie sich für längere Zeit nach Belgien, konzertierten u. a. in Gent (zwei Auftritte im Kasino), Brüssel (14-tägiger Aufenthalt), Antwerpen (vier Auftritte im Theater) und Brügge. Nach einem weiteren kurzen Aufenthalt im französischen Lille folgten außerdem Konzerte in Mons, Nivelles, Charleroi, Namur, Huy und Lüttich – „überall“, schreibt Marie Knebelsberger hierzu, „in Theatern oder großen Sälen gespielt und großen Beifall aufgenommen“ (Tagebuch, o. D.). Spa, Verviers und Liège waren weitere Stationen des Belgienaufenthalts. Über Aachen begab sich das Ensemble in die Niederlande und konzertierte in Maastricht. Nach einem Auftritt im belgischen Hasselt reiste es nach Amsterdam und ließ sich dort im Kristallpalast hören. In den nächsten Wochen standen zahlreiche weitere niederländische Orte auf dem Reiseprogramm. Wohl chronologisch nennt Knebelsberger Den Haag, Utrecht, Delft, Arnhem, Rotterdam, Dordrecht, Breda, Tilburg, Schiedam, Rotterdam, Scheveningen, Den Haag, Amsterdam, Utrecht, ’s-Hertogenbosch und Maastricht. Gegen Ende der Reise gastierten die Musikerinnen außerdem in Belgien und Frankreich. In Baden-Baden, so schreibt Knebelsberger in ihrem Tagebuch, „haben wir das letzte Konzert gegeben. Da hat unser Kapellmeister geweint[,] weil wir konnten kein Klavier bekommen[,] der Konzertflügel war schon zurückgeschickt. Unsere Dirikentin [sic] war schon fort“ (o. D.).

 

Marie Knebelsberger-Auer, um 1874.

 

Nach ihrer Rückkehr heiratete Marie Knebelsberger am 22. Okt. 1874 in Preßnitz den Uhrenmacher Wenzel Auer (1851–1890). Aus der Ehe gingen insgesamt sieben Kinder hervor, von denen jedoch drei in jungem Alter gestorben sind. Luise (1876–1945), später verh. Ende, Maria (1877–1945), später verh. Bommer, Anna (1879–1967), später verh. Schmitz, und Franz (* 1884) erreichten das Erwachsenenalter.

1887 erkrankte Wenzel Auer schwer und wurde pflegebedürftig, sodass Marie Knebelsberger-Auer fortan alleine für den Lebensunterhalt der Familie verantwortlich war. Tagebucheinträgen der Tochter Luise zufolge begab sie sich hierfür auf Konzertreisen. Nach dem Tod Wenzel Auers mussten auch die Kinder einen finanziellen Beitrag zum Unterhalt der Familie leisten. „Alle Töchter waren Musikerinnen. Luise spielte Baßgeige und Zither, Marie und Anna musizierten auf der Geige“ (Lechner 1990, S. 6). Sie traten Damenkapellen bei, mit denen sie Konzertreisen ins Ausland unternahmen, und schickten regelmäßig Geld nach Hause.

Neben ihrer Konzerttätigkeit erteilte Marie Knebelsberger-Auer Unterricht auf der Zither, komponierte und verfasste Lyrik. In Preßnitz ließ sie ihre SchülerInnen öffentlich konzertieren. Belegt ist die Aufführung eines Weihnachtsspiels im Jahr 1886.

Von 1897 an lebte Marie Knebelsberger-Auer in Aussig (tsch. Ústí nad Labem), 1903 kehrte sie nach Preßnitz zurück. Nach einem Schlaganfall im Jahr 1906 pendelte die Musikerin regelmäßig nach Berlin, wo ihre Tochter Marie lebte. 1907 befand sie sich in einem Altenheim im Kloster Kaaden. Zwischen 1908 und 1910 kam sie erneut in Berlin bei der Tochter unter. In den nächsten Jahren wohnte sie abwechselnd bei ihrem Sohn Franz in Oelsnitz und bei der Tochter Maria, die nun mit ihrer Familie in Birnbaum/Bezirk Posen lebte. In Birnbaum erlitt die Musikerin 1915 einen weiteren Schlaganfall und starb dort am 27. Juni des Jahres.

 

KOMPOSITIONEN FÜR ZITHER

Trostlos. Lied ohne Worte!; In Sturm-Galopp; Nachtfalter Walzer; Herbstzeitlose; Weihnachtstraum [jeweils 1874 oder später entstanden]

 

LITERATUR

Dokumente aus dem Privatbesitz von Günther Lechner (Urgroßneffe von Marie Knebelsberger-Auer): Auszug aus dem Tagebuch Marie Knebelsbergers; Kompositionen Marie Knebelsberger-Auers; Familienbilder; Todesurkunde Leopold Knebelsbergers; Geburts- und Taufschein Anna Auers

DBE, OeML online (Art. Knebelsberger, Familie)

Anton Kollitsch, Geschichte des Kärntnerliedes (= Schriften zur Geistesgeschichte Kärntens), Klagenfurt 1935.

Günther Lechner, Leopold Knebelsberger. Der Komponist des Andreas Hofer-Liedes, 2. Auflage, Klosterneuburg 1983.

Ders., „Marie Knebelsberger-Auer“, in: Mei’ Erzgebirg’ 433/434 (1990), S. 8/5f.

Ders., „Leopold Knebelsberger, der Komponist des Andreas Hofer-Liedes (‚Zu Mantua in Banden‘)“, in: Jahrbuch des österreichischen Volksliedwerkes 44 (1995), S. 104–112.

Anton Kollitsch, Forschungen und Beiträge zu Lied und Musik in Kärnten, bearb. u. hrsg. von Gerda Anderluh (= Archiv für vaterländische Geschichte und Topographie 92), Klagenfurt 2005.

Eveline und Hans Müller, Die Musikerstadt Preßnitz, http://www.pressnitz.de/Die%20Musikerstadt%20Pressnitz.htm, Zugriff am 2. Aug. 2014.

Christian Fastl, Art. „Knebelsberger, Familie“, in: Österreichisches Musiklexikon online, https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d4e7, Zugriff am 20. Juni 2022.

Anja Neubert, „‚Wenn die Damen pfeifen, gehen die Grazien flöten‘. Harfenmädchen, die Musikantinnen aus Böhmen“, in: existenzielle 4 (2008), http://www.existenzielle.de/cms/Maga­zin/Vorbil­der/Blick-zurck/index-b-1-50-259.html, Zugriff am 4. Aug. 2014.

Leopold Knebelsberger, http://www.völkerkunde-museum.de/2/_Leopold_Knebelsberger_8927,de, Zugriff am 4. Aug. 2014.

 

Bildnachweis

Bilder aus dem Privatbesitz von Günther Lechner, mit freundlicher Genehmigung.

 

Annkatrin Babbe

 

 

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