Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

EtterlinElterlinEtterlein, Melanie, MélanieMalwineMaria

* ca. 1840, Ort unbekannt, Sterbedaten unbekannt, Zitherspielerin, Pianistin und Komponistin. Erstmals erwähnt wurde die vermutlich aus Wien stammende Musikerin 1856, als sie ebendort in einem Konzert des Pianisten Edwin Hirst spielte. Ab ca. 1858 unternahm Melanie Etterlin ausgedehnte Konzertreisen. Aus Berlin, wo sie zwei Konzerte im Friedrich-Wilhelmstädtischen Theater gab und in Sanssouci vor dem Königspaar musizierte, vermeldet die „Neue Berliner Musikzeitung“, sie habe sich zuvor bereits „in Wien, Prag, Breslau, Leipzig und Dresden mit vielem Beifall […] hören lassen“ (Bock 1858, S. 140). Auch in Hamburg (dort wohl mit Henri Vieuxtemps und Henri Herz), Hannover und Karlsruhe spielte sie 1858, im folgenden Jahr konzertierte sie in Graz und in Frankfurt a. M., wo sie, wie auch in Hannover, 1862 erneut auftrat. 1861 sind Konzerte in St. Pölten und Krems belegt, 1862 in  Baden-Baden. In demselben Jahr war Melanie Etterlin erstmals in Paris zu Gast, bereiste aber auch andere französische Städte (Rennes, Laval, Le Mans). In der französischen Hauptstadt trat sie wieder im Jan. 1864 (Salle Herz) auf. Danach sind keine weiteren Konzerte nachweisbar.

Melanie Etterlin spielte bei ihren Auftritten auch Klavier, im Fokus der Zeitgenossen stand indes ihr Spiel der Zither. Ihre spieltechnischen Fähigkeiten wurden schon 1856 in Wien anerkannt, als sie „auf der Zither nicht übel“ spielte (Neue Wiener Musik-Zeitung 1856, S. 66). Dasselbe Blatt schreibt zwei Jahre später aus Berlin:„Frl. E. [Etterlin] weiß die Individualität des Instrumentes […] auf die vortheilhafteste und einschmeichelndste Weise geltend zu machen“ (Neue Wiener Musik-Zeitung 1858, S. 75) und berichtet, dass sie „nach jeder Nummer Beifallsstürme und Da-Capo-Rufe“ erzeugt habe (ebd.). Auch die „Neue Berliner Musikzeitung“ lobt „das meisterhafte Cytherspiel des Frl. Etterlin“ (Bock 1858, S. 165).

Die Auftritte Melanie Etterlins boten der Presse aber auch die Möglichkeit zur Reflexion über das ungewöhnliche, jedoch „in letzter Zeit wieder in Aufschwung kommende Instrument“ (NZfM 1859 I, S. 115). So kommentiert die „Neue Berliner Musikzeitung“: „Wir haben bis jetzt nur Gelegenheit gehabt, dieses Instrument in der Behandlung herumziehender Tyroler Bänkelsänger zu hören: jetzt tritt uns eine Virtuosin dieser eigenthümlichen Musikmaschine entgegen. Es ist nicht zu läugnen [sic], dass ein eigener Reiz in dem musikalischen timbre derselben liegt und wir finden die Sage begreiflich, dass Schweizer in der Fremde beim Anhören dieser elegischen Klänge von unbezwinglichem Heimweh ergriffen werden; dennoch haben die uns von Frl. E. mit grosser Fertigkeit gespielten Opernfantasien, als der eigentlichen Natur dieses Instrumentes zuwider, weniger zusagen wollen, als die einfachen steyrischen Ländler“ (Bock 1858, S. 180). Die Musikerin scheint bei ihren Zuhörern auch folkloristische Fantasien und Ratschläge ausgelöst zu haben: „Besonders sprach das Volkthümliche,Gemüthlich-Sinnige und elegisch Träumerische an; man könnte bei dem Spiel der jugendlichen Dame, die übrigens durch ein sehr vortheilhaftes Aeußere anzieht, fast Sehnsucht nach einem Alpensee im Mondlicht empfinden, wenn solche Schwärmerei in ein Concertlocal paßte. Auf der Bühne würde sich wenigstens künstlerischer [sic] Mondschein und eine Alpenlandschaft mit glitzerndem Wasserfall und dergleichen arrangiren lassen, in welcher Umgebung Frl. Etterlin, als Kind der Hochgebirge costümirt, gewiß eben so gern gesehen als gehört werden würde, und wirklich soll ihr hier von einem unserer Lyriker der Rath gegeben worden sein, in Berlin, wohin sie zu reisen im Begriff steht, auf diese Weise Auge und Ohr gefangen zu nehmen" (Deutsche allgemeine Zeitung 2. März 1858).

Die „Neue Zeitschrift für Musik“ zeigt sich wenig begeistert von der Zither, respektiert aber Melanie Etterlins „angemessenste Verwendung der geringen Vorzüge, welche die Zither bietet. Zu bedauern ist jedenfalls die rastlose Mühe, welche einem Instrumente zugewendet wurde, das nur in kleineren Räumen zur Geltung gelangen kann“ (NZfM 1858 II, S. 103). Dem Repertoire – neben der erwähnten Folklore und Adaptionen aus Opern spielte sie etwa die Ländler Die Hochzeitsklänge des Wiener Zitherspielers und -komponisten Johann Dubez und Die Glocken Johann Petzmayers – fügte Melanie Etterlin Werke aus eigener Feder hinzu.

Werbeanzeige mit Programm für ein Konzert in Frankfurt 1858.

 

WERKE

Hymne national russe variée op. 1, Wien; Album. Sammlung von Tonstücken op. 2, Wien; 3 Transcriptionen für Zither op. 3, Leipzig; La Chanson de Fortunio, Opéra de J. Offenbach. Divertissement par Zither op. 4, Wien

 

LITERATUR

Les Beaux-arts. Revue nouvelle 1862, S. 90

Bock 1858, S. 140, 165, 180, 196

La Comédie 1864, 31. Jan., S. 8

Deutsche Allgemeine Zeitung [Leipzig] 1858, 30. Jan., 2. März

Deutscher Bühnen-Almanach 1859, S. 52

Deutsche Musik-Zeitung 1861, S. 192

Didaskalia oder Blätter für Geist, Gemüth und Publizität [Frankfurt a. M.] 9. Nov. 1862

Fremden-Blatt [Wien] 1856, 20. Febr., 27., 28. Juni; 1859, 10. Febr.

Grazer Zeitung 8. März 1859

Le Guide musical  1858, 23. Sept.

Intelligenzblatt der freien Stadt Frankfurt 1858, 9. Dez.; 1862, 14. Febr.

Jagd-Zeitung (Wien) 1858, S. 234f.

Kremser Wochenblatt 1861, 25. Mai

Le Ménestrel 1862, S. 61; 1864, S. 64

Neue Wiener Musik-Zeitung 1856, S. 66; 1858, S. 75, 183

Neuigkeiten [Brünn] 1857, 10., 13., 14. Dez.

NZfM 1858 II, S. 103; 1859 I, S. 115f.; 1859 II, S. 57; 1861 II, S. 44; 1862 I, S. 145; 1863 I, S. 67

Recensionen und Mittheilungen über Theater und Musik 1859, S. 242, 304

RGM 1858, S. 202, 235; 1864, S. 43

Signale 1862, S. 72, 104, 639; 1864, 144

Süddeutsche Musik-Zeitung 1858, S. 80, 103

Tagespost Graz 1859, 4., 6. März

Wiener Zeitung 1858, 30. März, 12. Juni

Der Zwischen-Akt 2. Juli 1862

 

Bildnachweis

Intelligenzblatt der freien Stadt Frankfurt, 9. Dez. 1858.

 

Lisa Berends/Luca Elsen/VT

 

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