Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Gilloch, Emily (Louisa, Louise), verh. Braithwaite

* 23. Sept 1865 in Surrey, † nach 1896, Ort unbekannt, Pianistin und Klavierlehrerin. Emily Gilloch war das jüngste von sieben Kindern von Harriett Gilloch geb. Terrey (1822 –?) und Thomas Gilloch (1810–1880). Ob die Geschwister – Harriet (1850–?), Angelina, später verh. Hardy (1853–?), Thomas (1855–1931), Caroline (1859–?), Augusta Julia (1859–?) und Alfred Charles (1862–?) – auch eine musikalische Ausbildung erhielten, ist unbekannt. Gemeinsame Auftritte sind nicht dokumentiert. Emily Gilloch besuchte spätestens seit ihrem zwölften Lebensjahr die Aske’s School for Girls in Hatcham/London. Als Besonderheit dieser Schule galt „its carefully organised musical department, under Miss [Clara Angela] Macirone and an able staff of assistant professors“ (MusT 1878, S. 80). Prüfungen im Fach Musik wurden von dem Direktor der Royal Academy of Music, Professor George Alexander Macfarren (1813−1887), abgenommen, der zugleich auch die Vergabe von Stipendien verantwortete. Emily Gilloch, zu diesem Zeitpunkt Schülerin einer Musikerin namens Read, erhielt 1878 ein solches „Macfarren Scholarship“ (ebd., S. 81). In der ersten Hälfte der 1880er Jahre wurde sie am 1883 eröffneten Royal College of Music aufgenommen − ihr Klavierlehrer an dieser Einrichtung war der Clara Schumann-Schüler Franklin Taylor (1843−1919). 1883 bewarb sie sich dort erfolgreich um ein Stipendium, das ihr ein kostenloses Studium ermöglichte.

Öffentliche Auftritte erfolgten seit spätestens 1882. Am 8. Mai des Jahres wirkte Emily Gilloch zusammen mit der Pianistin Adelaide Palmer in einem Chorkonzert unter der Leitung von Michael Watson in Surrey mit. Sie trat am 17. Mai 1883 außerdem in einem Konzert der St. John’s Choral Society in der Parochial School in London auf.

1890 ging Emily Gilloch nach Frankfurt a. M., wo sie – vermutlich auf Vermittlung Taylors – in die Klavierklasse von Clara Schumann am Hoch’schen Konservatorium aufgenommen wurde, die sie zwei Semester lang besuchte. Im Anschluss an das Studium erhielt sie in England eine Anstellung als Klavierlehrerin. Im Jahresbericht des Hoch’schen Konservatoriums schreibt Bernhard Scholz: „Fräulein Emily Gilloch, Fräulein Amina Goodwin und Fräulein Edith Hall wurden an höheren Musikschulen in England angestellt“ (Jahresbericht des Hoch’schen Conservatoriums 1890/1891, S. 28). Im Herbst 1891 übernahm Emily Gilloch die Stelle von Agnes Elizabeth Miller (1857−?) an der Edgbaston High School Birmingham und unterrichtete dort zweimal wöchentlich Klavier (ein letzter Hinweis auf ihre Lehrtätigkeit an dieser Schule stammt vom Sept. 1895). An den anderen Wochentagen erteilte sie in den Vororten von Birmingham sowie in London Klavierunterricht. Der geringen Anzahl von Auftritten der Pianistin zufolge konzentrierte sie sich mittlerweile vorrangig auf die Lehrtätigkeit.

Am 17. Dez. 1891 spielte Emily Gilloch in einem Konzert des Shinner Quartet (bestehend aus den Violinistinnen Emily Lidell geb. Shinner und Agnes Tschetschulin, der Bratschistin Cecilia Gates und der Violoncellistin Florence Hemmings) in der Birminghamer Masonic Hall. Das Programm enthielt u. a. Corellis Sonate d-Moll op. 5 Nr. 8, Brahms’ Klavierquartett Nr. 1 g-Moll op. 25 sowie „Warum“, „Aufschwung“ und „Traumes Wirren“ aus Schumanns Fantasiestücken op. 12. Über den solistischen Beitrag von Emily Gilloch schreibt die „Birmingham Daily Post“: „Miss Gilloch was warmly greeted on coming forward as the exponent of the numbers from Schumann’s Op. 12. The lady has a firm touch, clear execution, and produces her tone in a legitimate manner, recalling what used to be called the Hummel method. She plays with a real finger legato, and her wrist action is free from stiffness and consequent hardness of tone. Her reading of Schumann’s fantasias was intelligent and fairly poetical“ (Birmingham Daily Post 18. Dez. 1891). Am 19. Dez. 1892 ließ sich die Pianistin mit Kompositionen von Grieg (Ballade g-Moll op. 24), Chopin und Mendelssohn in einem Konzert im Midland Institute in Birmingham hören. Am 2. Mai 1893 veranstaltete sie zusammen mit sieben weiteren MusikerInnen ein Vokal- und Instrumentalkonzert in London. Im Apr. 1894 wirkte Emily Gilloch in einem Wohltätigkeitskonzert der Girls’ Friendly Society in Birmingham mit. Ebenda veranstaltete sie (in der Edgbaston High School) am 11. Dez. 1894 ein eigenes Konzert. Für ein abwechslungsreiches Programm engagierte sie drei weitere Musikerinnen: Clara Pearson (Pianistin), Christine Ratcliffe (Violinistin) und Josephine Cravino (Altistin). Vorgetragen wurden u. a. Saint-Saëns’ Variationen über ein Thema von Beethoven op. 35 für zwei Klaviere, Brahms’ Klaviersonate Nr. 3 f-Moll op. 5, Chopins Nocturne b-Moll op. 9 Nr. 1, Liszts Konzertetüde Nr. 3 Des-Dur (Un sospiro) Searle 144 sowie Cécile Chaminades Pas des Cymbales op. 36 Nr. 2 für zwei Klaviere.

Am 25. Juli 1896 heiratete Emily Gilloch in Camberwell/London den Bauingenieur Albert Ernest Griffin Braithwaite (1866–1958) aus Wednesbury. Mit der Ehe zog sich die Musikerin offenbar von ihrer Konzert- und (institutionellen) Lehrtätigkeit zurück. Nur ein weiterer Auftritt ist belegt: Am 10. Sept. 1896 wirkte sie in einem Konzert des Gompertz Streichquartetts in der Birminghamer Masonic Hall mit.

 

LITERATUR

Birmingham Daily Post 1891, 16., 17., 28. Sept., 1., 5., 8., 15., 19., 22., 26., 29. Okt., 16., 30. Nov., 18., 25. Dez.; 1892, 29. Apr., 6. Mai, 3., 4. Okt., 20. Dez.; 1893, 19., 23. Jan., 14., 18. Sept.; 1894, 6. Apr., 13. Dez.; 1895, 16. Sept.

The Bristol Mercury and Daily Post 17. Nov. 1896

Jahresbericht des Dr. Hoch’schen Conservatoriums für alle Zweige der Tonkunst zu Frankfurt am Main 1890/1891, S. 5, 28

Monthly Musical Record 1883, S. 108

Musical News 1891 II, S. 863

Musical Standard 1891 II, S. 386, 413

MusT 1878, S. 80f.; 1882, S. 337; 1883, S. 327; 1892, S. 35; 1896, S. 815

MusW 1883, S. 270

The Times [London] 1883, 23. Apr.; 1891, 3. Dez.; 1896, 30. Juli

Grove 1, Baptie, Pauer, Brown Brit, De Bekker

Heinrich Hanau, Dr. Hoch’s Conservatorium zu Frankfurt am Main. Festschrift zur Feier seines fünfundzwanzigjährigen Bestehens (1878–1903), Frankfurt a. M. 1903.

Annkatrin Babbe, Clara Schumann und ihre SchülerInnen am Hoch’schen Konservatorium in Frankfurt a. M. (= Schriftenreihe des Sophie Drinker Instituts 11), Oldenburg 2015.

Dies., „Netzwerke von und um Clara Schumann am Hoch’schen Konservatorium“, in: Musikerinnen und ihre Netzwerke im 19. Jahrhundert, hrsg. von ders. u. Volker Timmermann (= Schriftenreihe des Sophie Drinker Instituts 12), Oldenburg 2016, S. 163–178.

Konzertprogramme, http://www.concertprogrammes.org.uk/html/search/verb/GetRecord/44-10, Zugriff am 28. Juni 2012.

 

Annkatrin Babbe

 

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