Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

KreßKress, Therese

* ca. 1843, weitere Lebensdaten unbekannt, Violinistin. Es ist nicht bekannt, wer sie ausbildete. Die vermutlich ausschließlich in Wien tätige Geigerin trat erstmals im Jan. 1853 öffentlich auf. Bei ihrem Debüt spielte sie an der Seite ihrer Schwester, der wohl um ein Jahr jüngeren Pianistin Minna Kreß.

Der erste Auftritt Therese Kreß wurde von der Wiener Presse noch wohlwollend rezipiert. Die „Presse“ betont dabei den Aspekt des Kindlichen: „Die ältere [Therese Kreß] ist eine jener leidenden Kinderphysiognomien, bei deren Anblick Wehmuth das Herz beschleicht. Ihr Spiel, ihre Vorzüge, wie ihre Fehler deuten auf offenbaren Beruf, doch auch auf die Mühsal, auf die Entbehrungen, auf den Kampf zwischen dem innern Drange und dem äußern Leben. Sie spielt Schwierigkeiten mit jener Entschlossenheit, die anhaltendes Studiren – freiwilliges wie unfreiwilliges – verleiht, doch zeigt es sich klar, daß dieß nicht ihr Geschmack; sie geht kalt und unbewegt darüber, und hat nach dieser Richtung noch viel zu lernen. Doch wenn die Stellen kommen, die das Gefühl anregen, die aus diesem kleinen Seelenleben heraussingen, da zuckt es schmerzlich in ihren Zügen, ihre Phantasie erglüht, die Augen – der Spiegel der Seele – leuchten von [sic] Begeisterung und sie spielt hinreißend, weil der Ton aus der Tiefe des Herzens kommt und zum Herzen geht“ (Die Presse, 25. Jan. 1853).

Als die Schwestern Kreß einen Monat später erneut das Podium betraten, äußerten sich die Wiener Musikjournalisten kritischer. Im Gegensatz zur bereits zitierten Beurteilung sieht die „Neue Wiener Musik-Zeitung“ nun die Spieltechnik der Geigerin (wie auch ihrer Schwester) als wenig ausgebildet an: „Die beiden Geschwister Therese und Minna [Kreß] noch in sehr zartem Alter […] stehen, was musikalische Ausbildung anbelangt, noch sehr in den ersten Stadien der Kunst. Vielleicht daß noch vorzunehmende Studien sie auf eine bedeutendere Stufe bringen“ (Neue Wiener Musik-Zeitung, 3. März 1853).

Die „Presse“ beanstandete, dass sich die Schwestern innerhalb kurzer Zeit zum zweiten Mail hören ließen: „Auch hier müssen wir die Bemerkung aussprechen, daß es wol angehen mag, dem Publicum in einem Privatconcerte den, wenn auch geringen Grad errungener Fertigkeit zu produciren, aber wozu noch ein zweites Concert?“ (Die Presse, 1. März 1853). Das Blatt nutzt die Gelegenheit, Konzerte von violinspielenden Mädchen grundsätzlich infrage zu stellen: „Unter Tausenden wird sich ein Mädchen finden von so außerordentlicher Befähigung für die Violine, daß die Entwicklung und Ausbildung ihres Talentes ein großes lohnendes Ende verspricht. – Unter Tausenden gab es eine Milanollo, wo ist die zweite? Und was soll das Concertforciren, während man zu studiren, von den Elementen bis zur letzten Kunsthöhe so Vieles fleißig und mühsam zusammenzutragen hat! Durch solche Wagnisse wird der Credit der Concertisten noch mehr heruntergesetzt, der Schaden ist für Alle, während für Niemanden Nutzen daraus entstehen kann“ (Die Presse, 1. März 1853).

Anscheinend trat Therese Kreß in den Folgejahren kaum auf. Ihr Spiel in der „Zwischenpause“ (Bauer, S. 393) im Theater an der Wien im Apr. 1857 blieb, so weit sichtbar, ohne Presseresonanz. Im Apr. 1858 trat sie im Rahmen eines Konzerts des Gitarristen Sokolowski auf. Im Nov. 1859 bot sie dann mit der Violoncellistin Rosa Suck sowie der Pianistin Henriette Fritz „den seltenen Anblick, in einem Trio […] nur Damen beschäftigt zu sehen“ (Neue Wiener Musik-Zeitung 1859, S. 187). In einem Werk Battas „wirkte nebst den genannten drei Damen noch Frau Kurzbauer, geborne Gall, an der Physharmonika mit“ (ebd.).

Dieses – im deutschen Sprachraum vielleicht erste – kammermusikalische Frauenensemble trat offenbar nur ein Mal auf, wurde jedoch überregional wahrgenommen (Signale, Neue Berliner Musik-Zeitung). Dabei spielte das Geschlecht der Musikerinnen eine wesentliche Rolle. So spricht die „Neue Berliner Musik-Zeitung“ von den „vier Grazien Friz, Kress, Suck und Kurzbauer“, welche „Ueberraschendes“ leisteten (Bock 1859, S. 391). Entscheidend war dabei die Dimension der visuellen Wahrnehmung, die nun – im Gegensatz zur Wahrnehmung von Streicherinnen am Anfang des 19. Jahrhunderts – als angenehm empfunden wurde: „Der Anblick der drei musizierenden Damen soll etwas Berauschendes gehabt haben“ (Signale 1859, S. 544). Hanslick bezeichnet die Geigerin in der Wiener „Presse“ irrig als „Nina Kreen“ und schreibt von „musikalischen Amazonen, welche ein Trio von Eckert […] mit Tapferkeit und Geschmack bewältigten“ (Die Presse, 26. Nov. 1859). Am stärksten differenziert ein unbekannter Autor in der „Wiener Zeitung“. In einem langen Artikel über Rosa Suck lobt er zunächst die drei Musikerinnen, deren Spiel er „vortrefflich […] einzeln und im Zusammenspiel“ (Wiener Zeitung, 26. Nov. 1859) nennt. Durchaus humorvoll geht er dann auf das Aussehen der drei Musikerinnen und dessen Wirkung auf den Zuhörer ein: „Dabei hatte der Anblick dieser musizirenden Damen etwas Berauschendes. Diese blonde Violine – wir dachten an Rubens, dieses brünette Cello – wir dachten an Tizian, dieses schwarze Klavier – wir dachten an gar nichts, wahrlich ein solches Zusammenspiel, bei welchem man die Musik nur aus der Ferne und wie im Traume hört, hat die Macht, noch ganz andere Tonwerke in lauteres klassisches Gold zu verwandeln. Ein Rosakleid mit weißem Spitzenbesatz, ein anderes Kleid aus weißem moire antique mit brennendrothen langbändrigen Sammt-Schleifen, könnten, so passend getragen, selbst Verdi’sche Musik erträglich machen…“ (ebd.).

Informationen über spätere Auftritte Therese Kreß sowie ihr weiteres Leben liegen derzeit nicht vor.

 

LITERATUR

Bock 1859, S. 391

Neue Wiener Musik-Zeitung 1853, S. 14, 35; 1858, S. 59; 1859, S. 187

Die Presse, 25. Jan., 1. März 1853; 26. Nov. 1859

Signale 1859, S. 544

Wiener Zeitung (Abendblatt), 26. Nov. 1859

Eduard Hanslick, Geschichte des Concertwesens in Wien, 2 Bde., Bd. 1, Wien 1869, Repr. Hildesheim [u. a.] 1979.

Anton Bauer, 150 Jahre Theater an der Wien, Zürich [u. a.] 1952.

 

Volker Timmermann

 

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