Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Anna Amalia, Herzogin von Sachsen-Weimar

* 24. Okt. 1739 in Wolfenbüttel, † 10. Apr. 1807 in Weimar, Cembalistin, Pianistin, Harfenistin, Flötistin, Sängerin und Komponistin. Anna Amalia kam als fünftes von 13 Kindern des Herzogs Carl von Braunschweig-Wolfenbüttel und der Herzogin Philippine Charlotte zur Welt. Ihre Kindheit verbrachte sie am Braunschweiger Hof, wo sie eine umfassende Ausbildung erhielt. Hier wurde sie von Lehrern des Collegium Carolinum (Bildungsinstitution, aus der später die Technische Universität Braunschweig entstand) unterrichtet. Besonders Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem (1709−1789) sorgte für eine breite und liberale Bildung der Kinder des Herzogs. Neben der Vorbereitung auf das Amt der Fürstin erhielt Anna Amalia auch Zeichen- und Instrumentalunterricht. Den Klavierunterricht erteilte ihr der Komponist und Hofmusiker Friedrich Gottlob Fleischer (1722−1806).

1756 wurde die 16-Jährige mit dem zwei Jahre älteren Herzog Ernst August Constantin von Weimar verheiratet. Die Umsiedlung nach Weimar sollte für sie keine zu schmerzliche Erfahrung gewesen sein, fühlte sie sich doch von den Eltern vernachlässigt und den Geschwistern gegenüber benachteiligt: Nicht geliebt von meinen Eltern, immer zurückgesetzt, meinen Geschwistern in allen Stücken nachgesetzt, nannte man mich nur den Ausschuß der Natur (Wahl 1994, S. 99ff.). 

Zwar war ihre Ehe − wie damals üblich − arrangiert, doch teilte der junge Herzog ihre Vorliebe für Musik und Theater. So unternahm das Paar nach seiner Ankunft mit der Förderung eines Hoftheaters erste Schritte für die Kulturpflege in Weimar. Bereits zwei Jahre später, kurz vor der Geburt des zweiten Sohnes, verstarb Herzog Ernst August Constantin.

Nun begann ein neuer Lebensabschnitt für Anna Amalia. Es dauerte ein Jahr, bis sie für mündig erklärt wurde und so die vormundschaftliche Regentschaft für ihren Sohn übernehmen konnte. Besonders wichtig war ihr die Konsolidierung des heruntergewirtschafteten Herzogtums. Dies hatte starke Einschränkungen zur Folge, in deren Zuge zunächst die Hofkapelle verkleinert und der Kapellmeister Johann Ernst Bach entlassen wurde. Trotz der Sparmaßnahmen blieb die Musik ein wichtiger Bestandteil des Hoflebens. 1761 stellte Anna Amalia als Klavierlehrer für ihre Söhne Ernst Wilhelm Wolf ein. Im Laufe der Zeit machte sie ihn zum Konzertmeister, Hofkomponisten und Kapellmeister. Außerdem nahm sie selbst Klavier- und Kompositionsunterricht bei ihm. Auch die wöchentlichen Samstags-Konzerte hatte Wolf zu organisieren. Hier beteiligte sich auch die Herzogsfamilie. Anna Amalia sang und musizierte am Klavier, ihre Söhne spielten Klavier, Horn, Klarinette und Violoncello. Neben den eher repräsentativ angelegten öffentlichen Konzerten fanden auch kleinere Musikabende im privaten Kreise statt. Darüber hinaus nahm Anna Amalia bei Kammermusiker Carl Reichenberg Flöten-Unterricht. Einen Bruch bildeten der große Schlossbrand von 1774, der abermals finanzielle Einschränkungen zur Folge hatte, und die Regierungsübernahme durch ihren Sohn Carl August im Jahr 1775. Anna Amalia kaufte eine Stadtvilla, die sie zu ihrem Wittumspalais machte. Trotz der finanziellen Schwierigkeiten bemühte sie sich, das musikalische Leben aufrecht zu erhalten. So stellte sie bis zur Fertigstellung des Redoutensaales den Festsaal ihres Palais für Konzerte, Bälle und Theatervorstellungen zur Verfügung. Die Repräsentationspflichten fielen nun dem Herzog und seiner Frau zu. Jeden Sonntag veranstalteten diese große Konzerte im Schloss. Bei den mittwochs stattfindenden privaten Konzerten im Wittumspalais trat Anna Amalia weiterhin als Pianistin auf.

Von ihren Pflichten als Regentin entbunden, konnte Anna Amalia sich nun ganz auf ihre vielfältigen Interessen konzentrieren. Diese erstreckten sich auch auf weitere Gebiete der Kunst und der Wissenschaft. Sie versammelte um sich einen Kreis aus Schriftstellern, Künstlern und Gelehrten, die sich regelmäßig zum Gedankenaustausch trafen. Hier wurde gedichtet, gemalt, komponiert und vorgetragen. Dieser Kreis, zu dem u. a. Goethe, Wieland und Herder gehörten, nannte sich „Tafelrunde“ und beeinflusste nachhaltig die Weimarer Klassik.

In den Jahren 1788 bis 1790 unternahm Anna Amalia eine Reise nach Italien, auf der sie unter anderem von ihrer Hofdame Louise von Göchhausen und Friedrich Hildebrand von Einsiedel begleitet wurde. Später stieß auch Herder zur Gruppe. Die Unternehmung kann als musikalische Bildungsreise verstanden werden. Fast täglich wurden Konzerte oder Opern besucht oder musikalische Abende im eigenen Haus veranstaltet. In Neapel erhielt sie Gitarrenunterricht von Nicolo Signorile. Auch nach ihrer Rückkehr nach Weimar spielte sie dieses Instrument weiter, trat aber vermutlich nicht damit auf. Ihre Hauptinstrumente blieben das Cembalo und das Klavier. Dennoch hat sie die Entwicklung und Verbreitung der Gitarre im deutschsprachigen Raum maßgeblich beeinflusst: Nach der Rückkehr aus Italien im Jahr 1788 brachte sie eine Gitarre mit nach Weimar. Ein Bericht des Gitarrenbauers Jacob August Otto spricht davon, dass Anna Amalia ihn „erlauchtigst permittieret habe, Kopien dieses Instruments für mehrere hohe Herrschaften zu fertigen, die dann ihrerseits das Instrument in Leipzig, Dresden und Berlin einführten (zit. nach Schmitz 1982, S. 51).

Ein weiteres großes Beschäftigungsgebiet Anna Amalias war die Komposition. Die Herzogin beschäftigte sich sowohl mit Instrumental- als auch mit Vokalmusik. Im Nachhinein wurden Anna Amalia einige Werke zugeschrieben. Die Singspiel-Vertonung von Goethes Erwin und Elmire kann ihr mit Sicherheit zugeschrieben werden, weitere vier mit hoher Wahrscheinlichkeit.

Anna Amalia beschäftigte sich nicht nur praktisch mit der Musik, sondern setzte sich auch theoretisch mit ihr auseinander. Dies wird an zwei Abhandlungen deutlich, die sie verfasst hat. Beide entstanden vermutlich nach ihrer Italienreise. Bei der ersten handelt es sich um eine musiktheoretische Schrift. Die zweite stellt eine musikästhetische Überlegung unter dem Titel Gedanken über die Musick dar.

Nach 1790 spielte Anna Amalia nur noch im privaten Kreis und verzichtete auf Auftritte bei Hofkonzerten. 

 

INSTRUMENTALWERKE

Sinfonia a due Oboi, due Flauti, due Violini, Viola, e Basso / Di Amalia [G-Dur], 1765, HAAB Mus. IIIc: 110.

Sonatina per il Cembalo obligato Corno Primo Corno Secondo Oboe Primo Oboe Secondo Flauto[ ...] / di Amalia [G-Dur], [ca. 1780], HAAB Mus. IVf: 1.

Divertimento per il Piano-forte Clarinetto Viola e Violoncell, [ca. 1790], HAAB Mus. IVf: 4.

 

SCHRIFTEN

[Anna Amalia von Sachsen-Weimar,] Musikalische Aufzeichnungen, Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, 6-14-1180 Großherzogliches Hausarchiv A XVIII (Anna Amalia) Nr. 150c 

[Anna Amalia von Sachsen-Weimar,] Gedanken über die Musick, Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, 6-14-1180 Großherzogliches Hausarchiv A XVIII (Anna Amalia) Nr. 129

 

LITERATUR

AMZ 1814, Sp. 293f.

Gerber1, Chor/Fay, Gerber2, Schilling, Mendel, Baker I, New Grove, Cohen, MGG 2000, New Grove 2001

Alexander von Sternberg, Berühmte deutsche Frauen des 18. Jahrhunderts, 2 Bde., Bd. 2, Leipzig 1848.

Friedericke Bornhak, Anna Amalia, Berlin 1892.

Wilhelm Bode, Amalie Herzogin von Weimar, 2 Bde., Berlin 1908.

Hermann Abert, Goethe und die Musik, Stuttgart 1922.

Annnemarie Krille, Beiträge zur Geschichte der Musikerziehung und Musikausübung der deutschen Frau (von 1750 bis 1820), Berlin 1938.

Richard Münnich, „Aus der Musiksammlung der Weimarer Landesbibliothek, besonders dem Nachlass der Anna Amalia“, in: Festschrift zur Feier des 250 jährigen Bestehens der Bibliothek, hrsg. von Hermann Blumenthal, Jena 1941.

Otto Heuschele, Herzogin Anna Amalia. Die Begründerin des weimarischen Musenhofes, München 1947.

Hans Joachim Moser, Goethe und die Musik, Leipzig 1949.

Wolfram Huschke, Musik im Klassischen und Nachklassischen Weimar. 1756−1861, Weimar 1982.

Alexander Schmitz, Das Gitarrenbuch, Frankfurt a. M. 1982.

Wolfram Huschke, Anna Amalia und die Musik ihrer Zeit (= Wolfenbütteler Beiträge Bd. 9), Wiesbaden 1994, S.123−151.

Volker Wahl, „Meine Gedanken. Autobiographische Aufzeichnung der Herzogin Anna Amalia von Sachsen Weimar(= Wolfenbütteler Beiträge Bd. 9) Wiesbaden 1994, S. 99ff.

Ursula Salentin, Anna Amalia. Wegbereiterin der Weimarer Klassik, Wien 1996.

Joachim Berger, Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach (1739–1807). Denk- und Handlungsräume einer „aufgeklärten“ Herzogin, Heidelberg 2003.

Sandra Dreise-Beckmann, Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach (1739−1807). Musikliebhaberin und Mäzenin (= Schriften zur mitteldeutschen Musikgeschichte), Schneverdingen 2004.

Gabriele Busch-Salmen, „Anna Amalia Herzogin von Sachsen-Weimar-Eisenach“, in: MUGI. Musik und Gender im Internet, http://mugi.hfmt-hamburg.de/grundseite/grundseite.php?id=anna1739, Zugriff am 9. Dez. 2009.


Bildnachweis

Anna Amalia (1739-1807), Gemälde von J. E. Heinsius 1773, http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Anna-Amalie-1.jpg&filetimestamp=20060326160253, Zugriff am 31. März 2010.

 

Christine Fornoff/BK

 

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