Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Wenzel, Johanna, verh. Zerembska, Janina, (de) Zarembski, Zarebska, ZarębskaZerebski

* um 1857 in Schweidnitz, † 11. Juni 1928 in Ixelles, Pianistin und Lehrerin für Klavier-Kammermusik am Konservatorium in Brüssel. Über ihren familiären Hintergrund ist nichts bekannt. Sie war Schülerin der Neuen Akademie der Tonkunst in Berlin und erhielt dort ihre pianistische Ausbildung bei Theodor Kullak. 1875 spielte sie in einem Prüfungskonzert zwei Sätze aus dem Klavierkonzert e-Moll von Chopin. Ab 1872 besuchte sie regelmäßig die musikalischen Abende von Liszt in Weimar, seither stand sie mit ihm im Briefwechsel. 1874 begann Johanna Wenzel ein Studium bei Liszt in Rom und lernte dort ihren zukünftigen Ehemann, den polnischen Komponisten und Pianisten Jules Zarembski (1854–1885) kennen. Nach der Hochzeit 1878 nannte sich die Musikerin Janina Zarembska. 1880 kam ihre einzige Tochter Wanda Zarembska zur Welt, die später ebenfalls Pianistin wurde.

 

Jules Zarembski und Janina Zarembska.

 

Johanna Wenzel gab zahlreiche Konzerte in Brüssel, Breslau und Berlin. Am 9. Dez. 1874 nahm sie an einem Klavierkonzert in Breslau teil und bekam „die Gelegenheit, […] sich als tüchtige Clavierspielerin zu zeigen“ (AmZ 1875, Sp. 76). Auf ihrem Programm standen Werke von Joh. Seb. Bach (vier Sätze aus der Englischen Suite in g-Moll), Schubert (Menuett h-Moll op. 78 Nr. 3), Schumann („Vogel als Prophet“ aus den Waldszenen op. 82) und Chopin (Berceuse op. 57). Das „Musikalische Wochenblatt“ charakterisierte die Kullak-Schülerin bei einem Auftritt in Berlin als „eine gar lebendige Evatochter, welche ihr Köpfchen für sich hat und diese nicht unberechtigte Eigenthümlichkeit auch im Vortrage des Rubinsteinschen D moll-Concertes (1. Satz) bestens zur Geltung brachte“ (FritzschMW 1874, S. 628). Am 14. Mai 1878 gab sie ein Konzert im Schauspielhaus in Berlin, wurde für ihre Technik gelobt und „entschieden unter die Besten der jüngeren Klavierspielerinnen“ gezählt. Sie spielte „ausser bekannten Stücken von Bach, Rubinstein, Chopin und Liszt, einen reizenden, poesievollen ‚moment musical‘ von Moszkowski, dessen Ausführung der Konzertgeberin vorzüglich gelang“ (Der Klavier-Lehrer 1878, S. 134).

1881 reisten Janina und Jules Zarembski, die nach ihrer Heirat häufig gemeinsam konzertierten, nach Brüssel, wo es zu Liszts 70. Geburtstag eine musikalische Feier gab und das Ehepaar das von Liszt komponierte Concerto Pathétique für zwei Klaviere vortrug. In Ostende wirkte Janina am 30. Aug. 1882 in einem Konzert von Joseph Wieniawski (1837−1912) mit und spielte mit ihm Variationen von Saint-Saëns über ein Thema von Beethoven für zwei Klaviere op. 35, nach Auskunft der Presse „meisterhaft“ ausgeführt (Musikalisches Centralblatt 1882, S. 346). Nach einem weiteren Konzert von Wieniawski in Brüssel wurde notiert, dass sie eine „vortreffliche Beherrscherin des Claviers“ und eine „feinfühlige Künstlerin“ sei (FritzschMW 1883, S. 100). Mehrmals spielte sie bei Konzerten der Association des artistes musiciens und im Cercle artistique et littéraire.

1886 wurde Janina Zarembska Lehrerin für Kammermusik mit Klavier am Konservatorium in Brüssel und unterrichtete dort bis zu ihrer Pensionierung 1924. Des Weiteren war sie Preisrichterin bei Musikwettbewerben am Konservatorium. Am 11. Mai 1890 spielte sie am Konservatorium in Brüssel den Klavierpart des Quintetts g-Moll op. 34 von Jules Zarembski, der fünf Jahre zuvor gestorben war. Mit diesem Datum liegt einer der letzten Nachweise über ihre Konzerttätigkeiten in Europa vor, der letzte findet sich 1896. 1890 nutzte sie einen langen vom Konservatorium bewilligten Urlaub „zu einer Kunstreise in die Vereinigten Staaten von Amerika“ (Signale 1890, S. 757). Ihr Konzert wurde in New York wie folgt angekündigt: „Mme Janina De Zarembska, pianist, assisted by the String Quartet Society, will give a concert at Chickoring Hall this evening (New York Times 17. Dez. 1890). Auf dem Programm stand u. a. das Klavierquintett op. 34 ihres Ehemanns Jules Zarembski.

Die Biographie der Musikerin offenbart noch eine weitere bemerkenswerte Seite: Janina Zarembska war eine ausgezeichnete Schwimmerin. Bei einem 1884 ausgetragenen Schwimmwettkampf in Brüssel gewann sie den Hauptpreis.

 

Janina Zarembska mit Jules Zarembski (rechts), Franz Liszt (sitzend),
Franz (François-Mathieu) Servais, Photographie 1881 in Brüssel.

 

LITERATUR

Allgemeine Deutsche Musik-Zeitung 1876, S. 388, 396

AmZ 1875Sp. 76

L'Art moderne [Brüssel], 1881, S. 30

Bock 1875, S. 99; 1876, S. 396; 1877, S. 395; 1878, S. 166; 1883, S. 63; 1892, S. 106

FritzschMW 1874, S.628; 1881, S. 197, 284; 1882, S. 274; 1883, S. 100; 1891, S. 108

Le Guide musical 1908, S. 505

Der Klavier-Lehrer 1878, S. 134; 1884, S. 190

Musikalisches Centralblatt 1882, S. 346

New York Times 17. Dez. 1890

The New York Clipper Annual 1891, S. 12

NZfM 1875, S. 223; 1878, S. 232; 1881, S. 139; 1882, S. 396; 1883, S. 79, 82

RGM 1878, Nr. 52, S. 423

Signale 1881, S. 86, 437, 586; 1883, S. 73, 249; 1887, S. 341; 1888, S. 357; 1890, S. 757; 1891, S. 195; 1896, S. 1108; 1907, S. 91

[Franz Liszt,] Franz Liszts Briefe. Band II. Von Rom bis ans Ende, hrsg. von La Mara [d. i. Marie Lipsius], Leipzig 1893.

Paula Rehberg, Liszt – Eine Biographie, die Geschichte seines Lebens, Schaffens und Wirkens, Zürich 1961.

Malou Haine, „Dix-neuf lettres de la correspondance entre Franz Liszt et les époux Zarembski, in: Liszt Saeculum 58 (1997), S. 13–26.

Malou Haine, „Un élève particulièrement doué de Franz Liszt: Jules Zarembski, in: Liszt Saeculum 58 (1997), S. 3–12.

Malou Haine, „Zarebski Moving Spirit of Belgian Musical Life“, in: Dernières orchestrations de Franz Liszt, hrsg. von Malou Haine, Sprimont 2000, S. 25–29.

Malou Haine, „Franz Liszt Feted in Belgium in 1881 by his Former Pupils Julius Zarebski, Johanna Wenzel, Anna Falk-Mehlig and Franz Servais“, in: Liszt The Progressive (= Studies in the History and Interpretation of Music 72), hrsg. von Hans Kagebeck u. Johan Lagerfelt, Lewiston (New York) 2001, S. 31–54.

Jorma Daniel Lünenbürger, „Juliusz Zarębski – ein Kosmopolit im Schatten Chopins“, in: Erinnerung und Identität. Textbuch zum Europäischen Doktorandenkolloquium Lublin 2006, hrsg. vom Cusanuswerk, red. von Stefan Raueiser [u. a.], Bonn 2006, S. 97–100.

 

Bildnachweis

Lünenbürger, S. 98.

https://wachtyrz.eu/muzycy-rodem-ze-slaska-johanna-wenzel-1857-1928, Zugriff am 18. Jan. 2023

 

Inna Mai/CB

 

© 2011/2023 Freia Hoffmann