Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Sedlak, Nina, Anna

* um 1807 (Ort unbekannt), † 1876 in Wien, Pianistin und Klavierlehrerin. Sie war die Tochter des Fürstlich Liechtensteinischen Klarinettisten und Kapellmeisters Wenzel Sedlak (1776–1851) und Schülerin von Ignaz Moscheles (1794–1870) sowie Carl Czerny (1791–1857). Möglicherweise war sie 1821 für die Gesangsklasse des Wiener Konservatoriums eingeschrieben (Pohl, S. 156). Ihr Vater beteiligte sie im Sommer 1818 in der Liechtensteinschen Residenz in Rossau (heute Stadtteil Wiens) an einer Veranstaltung, bei der sie ein Klavierkonzert von Dussek sowie ein Rondo brillant von Hummel vortrug. 1819 spielte sie in demselben Rahmen ein Klavierkonzert und ein Rondo brillant ihres Lehrers Moscheles, was die Wiener „Allgemeine musikalische Zeitung“ mit freundlichem Lob kommentierte: „Sie besitzt sehr viele mechanische Fertigkeit [... und] überwindet Schwierigkeiten grösstentheils mit bewunderungswürdiger Leichtigkeit“ (Wiener AmZ 1819, Sp. 305). 1821 musizierte sie im Wiener Landständischen Saal in einer „Privatunterhaltung“ Beethovens Quintett op. 16 für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott mit der Bläserformation ihres Vaters (Ernst Krähmer, Wenzel Sedlak, Friedrich Hradezky und August Mittag). Für die Jahre 1830 bis 1839 sind mehrere Konzerte in Wien belegt, bei denen sie unter anderem Beethovens 5. Klavierkonzert Es-Dur sowie Werke von Kalkbrenner, Thalberg und Hummel vortrug.

Bereits 1831 konnte der Kritiker der Wiener-Theater-Zeitung auf den „entschiedenen Ruf" verweisen, den sich Nina Sedlak in der österreichischen Metropole erworben habe: Refr. erinnert nur an die erstaunliche Geläufigkeit und Sicherheit an den schönen Anschlag, den musterhaften Vortrag singbarer und die kraftvolle Durchführung pikanter und sich steigender [sic] Stellen, endlich aber, was mehr als alles dieses, an die echt künstlerische Ruhe dieser Meisterinn, in deren Spiele sich die seelenvoll getragenen Töne wie Perlen klar und ebenmäßig aneinander reihen. Die schwierigsten Läufe, Doppeltriller, die eigensinnigsten Forderungen der Schule, die gewagtesten Sprünge, erscheinen bey ihr nie als Schwierigkeiten, – mit gediegenem edlen Ausdruck weiß die Künsterlinn dieß alles zu adeln und zu einem geistreichen Schmucke der tief aufgefaßten Komposition zu verschmelzen" (Wiener Theater-Zeitung 1831, S. 52).

16 Jahre später, am 16. Mai 1847, veranstaltete „die hiesige Claviermeisterin“ Sedlak im Salon der Klavierfirma Bösendorfer ein Konzert, von dem August Schmidt in der „Wiener Allgemeinen Musik-Zeitung“ annimmt, es diene vor allem der Erweiterung ihres „Wirkungskreises“ als Lehrerin: „Von diesem Gesichtspunkte aus beurtheilt, mag die Kritik auch ihre Leistungen mit rücksichtsvoller Nachsicht beurtheilen. Frln. Nina Sedlak zeigte in ihrem Konzerte einen gleichen Anschlag, viele technische Fertigkeit, ein solides Spiel und einen geschmackvollen Vortrag. Befriedigen diese Eigenschaften bei den immensen Anforderungen, die man jetzt an eine Virtuosin stellt, gleichwohl noch nicht völlig, so genügen sie doch vollkommen, um sich als tüchtige Pianistin zu zeigen“ (AWM 1847, S. 240). Entschiedene Kritik übt Schmidt jedoch in dieser Besprechung an Sedlaks Programmwahl, welche in einer anderen Rezension hingegen Lob erfährt: „Sie hat überdies auch das kleine Verdienst für sich, die oft abgeleierten, in allen Konzerten todtgehetzten Klavierkomposizionen [sic] nicht wieder vorzutragen, und uns lieber mit jenen eines hier noch weniger bekannten und im Konzertsaale kaum noch eingeführten Komponisten, des Hrn. W. Kuhe [Wilhelm Kuhe, 1823–1912], bekannt zu machen. – Sie spielte nämlich außer dem Souvenir de Copenhague (2. air italien von Ch. Meyer [Charles Mayer, 1799–1862]) und der äußerst pikanten Komposizion K. Lewy[Charles Lewy] les colombes – und den Chant Bohemien von L. von Meyer [Leopold von Meyer, 1816–1883], drei Komposizionen Kuhe’s: die Aeolsharfe, Duettino, und les regrets, die auch ihres günstigen Eindrukes nicht verfehlten“ (Die Gegenwart 19. Mai 1847).

Die in der „Neuen Berliner Musikzeitung“ und in den „Signalen für die musikalische Welt“ 1876 gleichlautend publizierten Nachrufe teilen mit, die Musikerin habe von der fürstlichen Familie Liechtenstein bis zu ihrem Lebensende eine Pension bezogen und sei „in den letzten Jahren […] eine der beliebtesten Clavierlehrerinnen Wiens“ gewesen (Signale 1876, S. 187).

Huldigungsgedicht

An Demoiselle Nina Sedlak.

Nichts was geboren wird im Schoos der Zeiten

Steht fest in ihrem stürmevollen Drange,

Nur in der Sehnsucht tief geschöpftem Klange

Scheint etwas über sie hinaus zu deuten.

Drum mahlst du uns der innren Geister Streiten

Den ew'gen Schmerz, der groß wird im Gesange,

Der einsam steht am öden Felsenhange,

Wo Sterne nicht in's Land der Hoffnung leiten!

Wenn ich so mächtig hörte Töne ringen,

Und Klänge, aufgeschreckt von heißen Klagen,

Da mußt' ich oft mich bey mir selber fragen:

Wie darf uns deine Kunst so ganz bezwingen?

Wie lebst du von so rauhem Feind geschieden –

Und bist selbst Güte, Frohsinn ganz und Frieden?

A. Schumacher

Wiener Theater-Zeitung 1830, S. 502

 

LITERATUR

Der Adler 1839, S. 87, 264

AmZ 1818, Sp. 175f. 1819, Sp. 428; 1831, Sp. 160; 1839, Sp. 403

AWM 1847, Sp. 239f.

Bock 1876, S. 54

Castelli 1839, S. 30

Conversationsblatt. Zeitschrift für wissenschaftliche Unterhaltung 1819, S. 443; 1821, S. 395

Die Gegenwart. Politisch-literarisches Tagsblatt 1847, 15., 19, Mai

Der Humorist 1847, S. 469

NZfM 1836 I, S. 18; 1839 I, S. 60, 72

Österreichisches Morgenblatt 1839, S. 48; 1842, S. 533

Signale 1876, S. 187

Sonntagsblätter 1847, S. 170

Der Wanderer 1839, S. 83

Wiener AmZ 1819, Sp. 305f.; 1821, Sp. 223f.

Wiener Theater-Zeitung (Bäuerle) 1830, S. 498, 502; 1831, S. 12, 52; 1835, S. 1024

Wiener Zeitschrift 1833, S. 548; 1834, S. 528; 1836, S. 71

Wiener Zeitung 20. Mai 1847

Eduard Hanslick, Geschichte des Concertwesens in Wien, 2 Bde., Bd. 1, Wien 1869, Repr. Hildesheim [u. a.] 1979.

Carl Ferdinand Pohl, Die Gesellschaft der Musikfreunde des österreichischen Kaiserstaates und ihr Conservatorium, Wien 1871.

 

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