Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Hermannsfeld, Johanna, Jeanette, Jenny, verh. Hametmayer, HammetmayerHametmaier

* um 1813 in Prag, † 8. Nov. 1871 ebd., Harfenistin, Harfenlehrerin, Pianistin, Klavierlehrerin und Sängerin. Sie war zunächst Schülerin der Gesangsschule des Prager Konservatoriums. Als das Konservatorium ab 1830 auch Unterricht auf der Pedalharfe (Nebenfach) anbot, wandte sie sich auch diesem Instrument zu. Zunächst wurde sie dort vom Harfenlehrer Johann Burian unterrichtet, später vermutlich von dessen Nachfolgerin Therese Heilingmeyer. 1832 wurde das Harfenstudium in Prag aus ökonomischen Gründen gestrichen. Noch im Dez. 1832 nennt die „Bohemia“ den Namen Johanna Hermannsfelds in einem Bericht über ein Schülerkonzert des Konservatoriums, während die „Allgemeine musikalische Zeitung“ sie schon 1833 als eine „absolvirte […] Schülerin des Conversatoriums der Musik“ (AmZ 1833, Sp. 350) bezeichnet. (Im Verzeichnis der AbsolventInnen bei Johann Branberger ist sie jedoch nicht aufgeführt.) Im Jahr 1833 trat sie bei einem Benefizkonzert in Prag mit Variationen für die Pedalharfe von Franz Stockhausen erfolgreich auf. Zwischen 1830 und 1836 sind in Prag auch Auftritte als Pianistin belegt.

Rund zwei Jahrzehnte lang sind nur wenige Informationen über die Musikerin zu finden. Im Jahr 1847 wird von einem Konzert in Prag berichtet, in dem sie zusammen mit den Violinisten Raimund Dreyschock und Moritz Mildner auftrat. In diesem Zeitraum heiratete sie den k.k. Beamten Hametmayer. Die Ehe währte nur kurz, schon 1859 wird sie im Adressbuch des Königreichs Böhmen als „verwitw. Hametmayer“ (Adressenbuch-Buch der Handlungs-Gremien, Fabriken und Gewerbe des Königreichs Böhmen für das Jahr 1859, Prag 1859) geführt. Später berichtet die „Bohemia“, sie sei eine „gewesene Lehrerin Ihrer k. Hoh. der Frau Herzogin Louise, Regentin von Parma“ (Bohemia 5. Sept. 1855). In einem Nachruf heißt es, sie sei „in früheren Jahren Musiklehrerin in der Familie der Herzogin von Berry“ (Fremden-Blatt 11. Nov. 1871) gewesen. Möglicherweise hat sie in jenen Jahren diese Tätigkeiten ausgeübt.

1855 wurde der Harfenunterricht (Nebenfach) am Prager Konservatorium wieder eingeführt. Von da an übernahm Johanna Hermannsfeld-Hametmayer den Unterricht; sie bemühte sich, dem Instrument den Rang eines Hauptfachs zu verschaffen, jedoch ohne Erfolg. Aus diesem Grund quittierte sie 1861 ihre Stellung, kehrte jedoch 1864–1865 und letztmalig 1868 zurück. Ein weiteres Standbein sicherte sie sich 1855 durch die Gründung einer Musikschule,  eines „Musikbildungs-Instituts für Mädchen“, das Unterricht in „Pedalharfe, Pianoforte, Gesang, Physharmonika und […] Zyther“ anbot und „unter dem Protectorate Ihrer königlichen Hoheit der regierenden Frau Herzogin Louise von Parma“ stand (Der Tagesbote aus Böhmen 27. Sept. 1855). Dass die Gründung des Instituts „mit den mannigfaltigsten Hindernissen“ zu kämpfen hatte, schreibt die „Bohemia“ am 27. Aug. 1856, in der auch über die erste Prüfung berichtet wird. Gelobt wird u. A. „das sachgemäße Verstehen der Elementar- und harmonischen Grundsätze der Musik“, welches Bestandteil der Prüfung war. Noch 1871 verzeichnet das Prager „Allgemeine Adress- und Handels-Handbuch“ diese Institution unter der Rubrik „Musik- u. Gesangs-Lehrinstitute“ (S. 260). 1867 rief die Musikerin den St.-Agnes-Verein ins Leben, „dessen Zweck es ist, mittellosen k. k. öster. Offizierstöchtern, insbesondere solchen, deren Väter auf dem Kampfplatze geblieben sind, einen unentgeltlichen theoretisch-practischen Musikunterricht zu ertheilen, damit sie entweder als Künstlerinnen oder vorzügliche Musiklehrerinnen ihr künftiges Fortkommen leichter finden können“ (Znaimer Wochenblatt 1867, S. 440). Im „Prager Abendblatt“ wird präzisiert, dass der Unterricht „namentlich im Pianofortespiel, der Pedalharfe, Physharmonika, Zither und im Gesange“ erteilt wird (Prager Abendblatt 26. März).

Nachdem sie ihre Stelle am Konservatorium am 1. Dez. 1868 „krankheitshalber“ (Branberger S. 133) aufgegeben hatte, starb Johanna Hametmayer drei Jahre später der Presse zufolge an „Lungentuberkulose“ (Fremden-Blatt 11. Nov. 1871).

 

LITERATUR

AmZ 1830, Sp. 142; 1833, Sp. 191, 350

Allgemeine Theaterzeitung [Wien], S. 504

Bohemia [Prag] 1832, 8. Apr., 30. Dez.; 1834, 30. Sept.; 1847, 16. Mai; 1850, 11. Apr.; 1855, 5., 11. Sept.; 1856, 27., 30. Aug.; 1857, 15., 25. Aug., 30. Sept., 4., 9. Okt.

Castelli 1830, S. 52

Fremden-Blatt [Wien] 11. Nov. 1871

Grazer Zeitung 11. Nov. 1871

NZfM 1858 I, S. 209

Ost und West, Blätter für Kunst, Literatur und geselliges Leben 1847, S. 236

Prager Abendblatt 26. März 1867

Der Tagesbote aus Böhmen 27. Sept. 1855

Tagespost [Graz] 27. Aug. 1867

Wiener Theaterzeitung (Bäuerle) 1834, 14. Okt.; 1836, 17. Mai

Znaimer Wochenblatt 1867, S. 440

Franz Klutschak, Der Führer durch Prag, Prag 7. Aufl. 1857.

August Wilhelm Ambros, Das Conservatorium in Prag. Eine Denkschrift bei Gelegenheit der fünfzigjährigen Jubelfeier der Gründung, Prag 1858.

Adressenbuch-Buch der Handlungs-Gremien, Fabriken und Gewerbe des Königreichs Böhmen für das Jahr 1859, Prag 1859.

Allgemeines Adress- und Handels-Handbuch der Hauptstadt Prag sammt Vorstädten, Prag 1871.

Johann Branberger, Das Konservatorium für Musik in Prag. Mit Benutzung der Denkschrift von Dr. A. W. Ambros vom Jahre 1858, Prag 1911.

Freia Hoffmann, „Institutionelle Ausbildungsmöglichkeiten für Musikerinnen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts", in: Von der Spielfrau zur Performance-Künstlerin. Auf der Suche nach einer Musikgeschichte der Frauen, hrsg. von Freia Hoffmann u. Eva Rieger, Kassel 1992, S. 77–94.

Keith T. Johns u. Michael Saffle, The symphonic poems of Franz Liszt (= Franz Liszt Studies Series 3), Stuyvesant 1997.

Freia Hoffmann, „Das Konservatorium für Musik in Prag", in: Handbuch Konservatorien. Institutionelle Musikausbildung im deutschsprachigen Raum des 19. Jahrhunderts, hrsg. von Freia Hoffmann, 3 Bde., Lilienthal 2021, Bd. 1, S. 63–99.

 

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