Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Benois, Benua, Benoit, Karlovna, Benua-Efron, Ephron, Efrom, Effron, Yefrom, Marie, Maria, geb. Kind

* 1. Jan. 1861 in St. Petersburg, † 1909, Pianistin. Ihr Vater, Carl Kind aus Leipzig, emigrierte 1867 nach St. Petersburg, spielte dort Violine im kaiserl. Theater-Orchester und unterrichtete Marie Kind im Klavierspiel. Ab 1873 studierte sie bei Theodor Leschetizky (1830–1915) am Konservatorium in St. Petersburg, wo sie 1876 mit einer Medaille abschloss. 1878 heiratete sie Albert Benois (1852–1936), den Bruder des Malers Alexandre Benois (1870–1960). Die gemeinsame Tochter Maria Albertowna wurde Sängerin und heiratete später den Pianisten und Komponisten Nikolai Tscherepnin (1873–1945). Vor 1895 endete die Ehe von Marie und Albert Benois. Die Musikerin heiratete einen Ingenieur namens Efron (oder Yefrom). Unter dem Namen Benois-Efron sind zu dieser Zeit vereinzelte Konzerte überliefert.

Die ersten Auftritte Marie Benois’ fanden 1878/79 in Wien, Hamburg und Aachen statt. Ihr Erfolg als Pianistin in Wien geht vermutlich auf die Aufführung des F-Dur-Konzerts von Anton Rubinstein mit den Wiener Philharmonikern zurück, wodurch „she became a celebrity overnight“ (Tarr 2003, S. 129).

Zwischen 1879 und 1882 reduzierte Marie Benois aus familiären Gründen ihre Konzerttätigkeit, absolvierte jedoch in diesem Zeitraum Auftritte in Hamburg, zusammen mit der Pianistin Anna Essipoff in Moskau und Wien sowie mit dem Violonisten Stanislaus Barcewicz (1858–1929) in Berlin. Zudem unternahm sie mehrere ausgedehnte Reisen nach Russland und Sibirien. In Riga bestritt sie 1880 neben Solokonzerten zwei Auftritte zusammen mit dem Kornettisten Wilhelm Wurm (1826–1904) und dem St. Petersburger Violoncellisten J. Seiffert (Lebensdaten unbekannt). 

Im Jahr 1885 unternahm Marie Benois zusammen mit der Violinistin Teresina Tua eine Reise mit 60 Konzerten unter anderem nach Berlin, Hamburg, Königsberg, Dresden, Leipzig, Stettin, Moskau, Kattowitz und Warschau. In der Ankündigung eines Konzerts mit Teresina Tua in Hamburg wird Marie Benois als „Frau Professor Marie Benois“ (Signale 1885, S. 824) vorgestellt. Ihre auch in anderer Literatur genannte Lehrtätigkeit am St. Petersburger Konservatorium hätte demnach um 1885 begonnen. Am 4. Febr. 1892 führte sie die ihr gewidmete Violinsonate op. 52 von Eduard Nápravník mit dem Geiger Leopold Auer im Beisein Tschaikowskis auf (I also heard Nápravník’s sonata, which is very nice, performed very well by Benois and Auer, Brief 4605, 7. Febr. 1892). Unter Leitung von Eduard Nápravník spielte sie im Apr. 1895 sein Klavierkonzert op. 27 im 6. Konzert der kaiserlich russischen Musikgesellschaft in St. Petersburg. Am 10. Jan. 1898 brachte sie Rimski-Korsakows Klavierkonzert c-Moll op. 30 unter seinem Dirigat beim 3. Russischen Symphonie-Konzert zur Aufführung.

In der Presse werden Marie Benois ein „außerordentliches technisches Können“ (Signale 1885, S. 807) und ein „wundervoller Gesangston auf dem Instrument“ (Bock 1882, S. 54) attestiert. Im Übrigen gehen die Meinungen über ihr Klavierspiel auseinander. Während ein Teil der Besprechungen hervorhebt, dass sie mit „wohlthuender weiblicher Zartheit und Grazie“ (Bock 1885, S. 315f) spiele, betonen andere Rezensenten ihre „Kraft, wie sie unter den Pianistinnen nur Frau Essipoff entwickelt“ (Bock 1882, S. 54). Die Besprechung eines gemeinsamen Konzerts mit Annette Essipoff bewertet diese als „schärfer im Profil und energischer im Anschlag, Frau Benois mit zarterem Ton und ihr Gretchengesicht rosig aufblühend von der Arbeit der Hände“ (Signale 1879, S. 41).

Ilja Repin malte 1887 ein Bildnis der Pianistin Maria Benois, welches heute im Isaak Brodsky Museum, St. Petersburg, verwahrt ist. Widmungen erhielt sie von Nikolai Tscherepnin (Klavierkonzert op. 30), Nikolay Amani (Thema und Variationen op. 3) und Eduard Nápravník (Violinsonate op. 52).

 

 

LITERATUR

Bock 1882, S. 54; 1885, S. 192, 315f.

FritzschMW 1882, S. 112, 161; 1885, S. 464, 510, 599, 628, 640, 645; 1886, S. 38 

Musikalisches Centralblatt 1882, S. 109, 120 

Neues Wiener Tagblatt 26. Dez. 1878

NZfM 1878, S. 519; 1879, S. 41; 1882, S. 20, 95, 96, 320; 1885, S. 99, 434, 473, 497, 512, 519, 525, 532; 1886, S. 130; 1895, S. 308

Die Presse (Wien) 25. Dez. 1878

Signale 1878, S. 1083, 1126; 1879, S. 41, 54, 101f., 194, 198, 374; 1880, S. 129f., 421; 1881, S. 87; 1882, S. 247; 1883, S. 322; 1885, S. 267, 329, 482807, 824, 874, 1012, 1062, 1123, 1155; 1886, S. 72, 130, 132, 197, 199, 405, 408; 1895, S. 402

Baker1

Hugo Riemann u. Georges Humbert, Dictionnaire de musique, Paris 1899.

Alexandre Benois, Memoirs, London 1988.

Edward H. Tarr, East Meets West: the Russian Trumpet Tradition From the Time of Peter the Great to the October Revolution, Bucina 2003.

Grigori Sternin u. Jelena Kirillina, Ijla Repin, New York 2012.

Nikolai Tcherepnin, Under the Canopy of my Life. Artistic, Creative, Musical Pedagogy, Public and Private, übersetzt von John Ranck: http://www.tcherepnin.com/pdf/NNT_UnderTheCanopyOfMyLife.pdf, Zugriff am 4. Mai 2016.

Brief von Tschaikowski an Aleksandr Ziloti und Vera Ziloti, 7. Febr. 1892, Tchaikovsky State Memorial Musical Museum-Reserve, Tchaikovsky Research, Nr. 4605, http://en.tchaikovsky-research.net/pages/Letter_4605, Zugriff am 4. Mai 2016.

 

Bildnachweis

NYPL Digital Gallery, http://digitalgallery.nypl.org/nypldigital/id?1105924, Zugriff am 21. Jan. 2011.

 

Jannis Wichmann

 

© 2010/2017 Freia Hoffmann