Europäische Instrumentalistinnen
des 18. und 19. Jahrhunderts

 

Goodwin, Amina (Beatrice), verh. Adams, Ingram-Adams, Ingram

* 5. Dez. 1862 in Manchester, † 10. März 1942 in East Molesey, Pianistin, Klavierlehrerin und Komponistin.

Als Kindervirtuosin war Amina Goodwin Anfang der 1870er Jahre erstmals öffentlich aufgetreten und verfolgte danach eine über 60-jährige Konzertkarriere. Umfangreicher Unterricht bei PianistInnen wie Carl Reinecke (1824–1910), Elie-Miriam Delaborde (1839−1913), Camille Saint-Saëns (1835−1921), Franz Liszt (1811−1886) und Clara Schumann brachte ihr den Ruf ein, „one of the most cultured representatives of all that is best in the modern treatment of classical music“ (Violin Times 1906, S. 170). Nach der Ausbildung etablierte sich die Musikerin in England als Solokünstlerin, veranstaltete vor allem aber Kammerkonzerte. Seit 1899 trat sie fast nur noch mit dem „London Trio“ auf. Die „Violin Times“ schreibt über sie: „Mme. Amina Goodwin is well known both in England and on the Continent, not only as a refined and cultivated pianist, but as an artist whose wide education has imparted dignity and grace to her professional training“ (Violin Times 1906, S. 169).

Amina Goodwin war die Tochter von John Lawrence Goodwin (1828−1883), einem Violinisten, Organisten und Dirigenten, und dessen Ehefrau Eliza Goodwin geb. Turner (1825−?). Sie war das zweitälteste Kind des Ehepaares und hatte mindestens vier Geschwister: Evelyn (1852−?), Clara Frances (1856−?), Charles Lawrence (1858−?) und Maud (1867−?). Ihre Kindheit verbrachte sie in Manchester, wo der Vater als Organist und Chorleiter in verschiedenen Kirchen tätig war. Er übernahm auch die grundlegende musikalische Ausbildung seiner Tochter, die im Alter von fünf Jahren bereits von ihm Klavierunterricht erhielt.

 


Amina Goodwin, Kniestück von H. S. Mendelssohn.

 

Erste Belege für öffentliche Auftritte stammen aus dem Jahr 1871. Am 16. Jan. wirkte die achtjährige Pianistin in einem Konzert der Sängerin Gertrude Bamber in der Hulme Town Hall in Manchester mit und erhielt hierfür ausschließlich positive Resonanz. Die „Manchester Times“ schreibt: „The performances of Miss Amina Goodwin were wonderful for one so young, and gave promise for a brilliant future“ (Manchester Times 21. Jan. 1871). Am 18. Febr. folgte ein weiterer Auftritt in der Heimatstadt in einem Konzert von Otto Bernhardt. Ende 1871 oder 1872 ließ Charles Hallé Amina Goodwin in einem seiner Konzerte als Solistin auftreten. Unter seiner Leitung trug die junge Künstlerin Jan Ladislav Dusseks Klavierkonzert Es-Dur op. 70 vor. Da John Lawrence Goodwin Mitglied des Hallé-Orchesters war, liegt die Vermutung nahe, dass er diese Auftrittsmöglichkeit für seine Tochter angebahnt hat. Nach diesem erfolgreichen Einstieg versuchte er seine Tochter auch in das Londoner Konzertleben einzuführen. In der Wintersaison 1874/1875 debütierte die Pianistin in der englischen Hauptstadt. Am 5. Sept. 1874 trat sie in einem der Promenade Concerts im Covent Garden auf und spielte darin einen Satz aus Hummels Klavierkonzert Nr. 2 a-Moll op. 85, Chopins Walzer As-Dur op. 69 Nr. 1 sowie als Zugabe Webers Perpetuum mobile aus der Klaviersonate Nr. 1 C-Dur op. 24. Weil sie noch zu klein war, um mit den Füßen die Pedale zu erreichen, erhielt sie hierfür Hilfe von ihrem Vater: „Her father worked the pedals for her“ (Musical Standard 1874 II, S. 163). Die Londoner Presse reagierte weniger euphorisch auf die Kindervirtuosin als jene in Manchester. Neben Lob klingt in manchen Rezensionen deutliche Kritik am Wunderkind-Phänomen an. So schreibt ein Korrespondet des „Musical Standard“: „To say that a child of ten, whose hands cannot stretch the octave by two notes, and whose little legs are too short to touch the pedals, can give due effect in the way of expressing power or observance of light and shade to a composition such as Hummel’s concerto in A minor would be absurd. ‚Little‘ Miss Goodwin had difficulty in keeping bare time, and the tempo of the allegro was unduly slackened, simply because her fingers could not keep pace with the orchestra. We wish heartily that Miss Goodwin, who appears to have in her the making of a first-rate pianist, would return to her studies for four or five years. Good pianists are scarce enough, while infant prodigies are distressingly numerous“ (ebd., S. 144). Ähnlich heißt es in der Zeitschrift „The Orchestra“: „While admitting that she [Amina Goodwin] played remarkably well for a child, we cannot admire the policy of the directors in making their concerts the medium for the displays of infant prodigies“ (The Orchestra 1873, S. 51).

 

Amina Goodwin im Covent Garden, 1874.

 

Nach dem Auftritt in London konzertierte das Mädchen noch (mindestens) ein weiteres Mal in Manchester (am 28. Dez. 1874), bevor es für einige Zeit aus dem öffentlichen Konzertleben verschwand. Auf Anregung von Charles Hallé sandten Eliza und John Lawrence Goodwin ihre Tochter 1875 in Begleitung einer Gouvernante nach Leipzig. Während der folgenden drei Jahre studierte sie am dortigen Konservatorium Klavier bei Carl Reinecke (1824−1910), Salomon Jadassohn (1831−1902), Johannes Weidenbach (1847−1902) und Ernst Ferdinand Wenzel (1808−1880), Musiktheorie bzw. Komposition bei Alfred Richter (1846−1919) und Gesang bei Heinrich von Klesse. Außerdem besuchte sie Kurse für Ensemblespiel bei Carl Reinecke und Henry Schradieck (1846−1918). Aufgrund ihres jungen Alters wurde Amina Goodwin vom Ausbildungsinstitut wiederholt als Musterfall der Öffentlichkeit präsentiert: „Being the junior student, she was constantly requisitioned to play at any special function connected with the Conservatorium“ (Ajax, S. 26). In der Presse wurde mehrfach über die Teilnahme Amina Goodwins an den Prüfungskonzerten im Leipziger Gewandhaus berichtet. Im Juni 1876 schreibt der „Monthly Musical Record“: „Before all, we name Miss Amina Goodwin, from Manchester (thirteen years of age), as being one of the most skilled and talented pianists. She played Hummel’s rondo in A major with certainty and firmness, and at the same time with that musical feeling found only in those especially favoured by nature. Although so young, Miss Goodwin has a fine and powerful touch, and all her passages and ornaments, even in the softest pianissimo, come out with great distinctness. In fact, the playing of this young lady was in every respect artistic and finished“ (Monthly Musical Record 1876, S. 108). Auch die Urteile der Lehrer fielen vielversprechend aus. Salomon Jadassohn hegte, wie er im Zeugnis vom 22. Febr. 1876 schreibt, „die glänzendsten Hoffnungen für ihre künstlerische Zukunft“. Im Abschlusszeugnis vom 14. Dez. 1878 bescheinigte er Amina Goodwin „ein ausgezeichnetes Talent, welches sie bereits zu einer beträchtlichen künstlerischen Vervollkommnung entwickelt hat, obschon sie bisher mit dem Uebelstande sehr kleiner Hände zu kämpfen hatte“.

Nach dem Studium kehrte Amina Goodwin für kurze Zeit nach Manchester zurück, wo sie sich Ende Dez. 1878 in der Concert Hall hören ließ. Nach nur kurzem Aufenthalt in der Heimatstadt reiste die Pianistin (erneut in Begleitung ihrer Gouvernante) nach Paris, wo sie am Konservatorium in die Klavierklasse von Elie-Miriam Delaborde aufgenommen wurde. Mit seiner Unterstützung bewarb sie sich um ein Stipendium, das ihr ein kostenfreies Studium ermöglichen sollte, und setzte sich erfolgreich gegen 60 weitere BewerberInnen durch. Zwei Jahre blieb Amina Goodwin in Paris und kehrte von dort aus nach Manchester zurück. Zwischen 1881 und 1887 ist sie in zahlreichen Konzerten in England aufgetreten. Zentrum ihrer Konzerttätigkeit blieb in den ersten drei Jahren Manchester und Umgebung, wo die Musikerin große Anerkennung fand: „Miss Goodwin, […] though very young, has already taken a high place amongst local pianists“ (MusT 1882, S. 83).

Nach dem Tod ihres Vaters im März 1883 reiste Amina Goodwin − ausgestattet mit einem Empfehlungsschreiben von Saint-Saëns, der sie in Frankreich unterrichtet hatte − für einige Zeit nach Weimar, um ihre Studien bei Liszt fortzusetzen. Dieser veranstaltete in den Sommermonaten in Weimar dreimal wöchentlich musikalische Treffen, bei denen er zuvor ausgewählte PianistInnen kostenfrei unterrichtete. „Amina Goodwin had the distinction of constantly being heard on such occasions“ (Ajax, S. 49).

Im Herbst 1883 trat Amina Goodwin erstmals als Erwachsene in London auf. Am 24. Nov. 1883 war sie in einem der Promenade Concerts im Londoner Covent Garden zu hören. Die „Musical World“ bezeichnet sie hierauf als „a clever young pianist, having produced a highly favourable impression, notwithstanding her nervousness“ (MusW 1883, S. 754). Nach diesem erfolgreichen Einstand in London verlagerte Amina Goodwin ihr Wirkungsfeld von Manchester in die englische Hauptstadt. Am 12. Apr. 1884 spielte sie erstmals im Crystal Palace und fand hierfür eine breite Wahrnehmung durch die Presse. Wenngleich Korrespondenten verschiedener Fachblätter Amina Goodwin einen etwas zu harten Anschlag bescheinigten, überwiegen positive Rückmeldungen. In der „Saturday Review of Politics, Literature, Science, and Art“ heißt es: „She seems to possess a perfect command over the instrument, admirable execution, and great fluency; and, in spite of the defects of the instrument upon which she played, it was easy to see that she had considerable power of producing a singing tone. The most remarkable point in her performance was a certain grip and power; indeed her playing bears the same relation to that of the general rank and file of pianoforte-players that the playing of an experienced chef d’attaque does to that of the rank and file of violin-players. Perhaps this very power may lay her open to the charge of occasional ‚thumping,‘ but experience and the musical instinct with which she is obviously endowed will soon tone down this slight blemish on her playing“ (Saturday Review of Politics, Literature, Science, and Art 1884, S. 508). Daneben sieht die Londoner „Times“ in Amina Goodwin „a young pianist of more than ordinary promise“ (The Times 14. Apr. 1884), ohne „sign[s] of immaturity“ (ebd.) und ein Rezensent der „Musical Times“ schreibt: „‚Favourite pupils of Liszt‘ are by no means rare amongst the rising generation, but Miss Goodwin’s claims to that title is more legitimate than is generally the case“ (MusT 1884, S. 268f.).

Für eine kleine Konzertreise verließ Amina Goodwin London Anfang 1885. Im Febr. konzertierte sie in Bradford und begab sich hierauf in die Niederlande, wo sie u. a. in Leiden aufgetreten ist. Bereits am 19. März befand sich die Künstlerin wieder in England. Von Jan. bis März 1886 hielt sie sich in Leeds auf, wo sie von Edgar Haddock für dessen „Musical Evenings“ engagiert war.

Bis 1887 trat Amina Goodwin regelmäßig in London auf − u. a. in den Promenade Concerts im Covent Garden, den Symphony Concerts von George Henschel, den Saturday Concerts im Crystal Palace, den Vocal Recitals von William Nicholl in den Portman Rooms sowie in eigenen Konzerten in der St. James’s Hall, aber auch im (halb-)privaten Rahmen der Salons angesehener Londoner Bürger. Außerdem konzertierte sie in ihrer Heimatstadt Manchester sowie in Leeds, Bradford, Preston, Torquay, Plymouth und Llandudno (Wales).

Um ihre Studien fortzusetzen, ging Amina Goodwin im Herbst 1887 nach Frankfurt a. M. und wurde nach einem Vorspiel bei Clara Schumann als deren Studentin an das Hoch’sche Konservatorium aufgenommen. Bis 1891 blieb sie an diesem Institut eingeschrieben und belegte neben ihrem Hauptfach Klavier 1888/1889 auch Kontrapunkt bei Iwan Knorr (1853–1916). Bei Clara Schumann aber fand Goodwin, wie sie 1899 in einem Interview gegenüber Isabel Brooke-Alder äußerte, „perhaps the most decisive musical influence […] and one which, occurring at the conclusion of her other studies in pianoforte playing, has left the most emphatic impression on her style. It was the hearing for the first time of the unrivalled touch of Clara Schumann in a Beethoven Sonata which gave her the irresistible impulse to go to Frankfort and solicit the great teacher’s help. She thus tells of the experience: ‚The one year which I intended to remain simply flew, and although as yet by no means satisfied with my own progress, I did not see my way to staying longer. However, Madame Schumann discovering my secret, generously made propositions for the removal of my difficulties, and being fortunate enough to have some pupils of my own, I was thus able to prolong the time with my most inspiring mistress and kind friend, until nearly four years’ study had been accomplished.‘“ (The Minim 1899, S. 93). 1891 ging Amina Goodwin zurück nach England und fand dort, wie aus einem Jahresbericht des Hoch’schen Konservatoriums hervorgeht, eine Anstellung als Klavierlehrerin an einer höheren Musikschule.

 

Amina Goodwin während ihrer Studienzeit in Frankfurt a. M.

 

Möglicherweise schon während ihres Studiums in Frankfurt verfasste Amina Goodwin ein Buch − Practical Hints on the Technique and Touch of Pianoforte Playing − , in dem sie die bei Clara Schumann erworbenen Kenntnisse und Studienerfahrungen wiedergibt: „the excellent method of instruction which has the approval of Mme. Schumann“ (The Times 30. Aug. 1892). Nur kurze Zeit nach ihrer Rückkehr aus Frankfurt wurde es im Verlag Augener & Co. in London veröffentlicht.

Im März 1892 hatte Amina Goodwin ihre Konzerttätigkeit in London wieder aufgenommen, und zwar zunächst im halböffentlichen Rahmen einer Matinee, die im Haus von Lady und Lord Thurlow veranstaltet wurde.

Am 8. Juni 1894 heiratete die Musikerin in der All Saint’s Church den Amerikaner W. Ingram-Adams (?−1910). Nach der Hochzeit zog sie sich − abgesehen von einem Konzert am 4. Juli 1894 in der Londoner Queen’s Hall − für etwa zwei Jahre aus dem öffentlichen Konzertleben zurück. In dieser Zeit komponierte sie einige Werke für Klavier, die teils im Augener Verlag erschienen sind. Seit Juni 1896 trat Amina Goodwin wieder öffentlich in London in Erscheinung. Spätestens seit Nov. desselben Jahres veranstaltete die Musikerin in ihrem Londoner Haus  „musical reunion[s] (Musical Standard 1896 II, S. 316), die der Nachwuchsförderung dienten: „for the purpose of hearing young pianists and giving them advice on Touch, Technique, Delivery, etc., gratis. Mdme. Goodwin is desirous of helping young artists by this means, giving them an opportunity each week of either playing or hearing the corrections and suggestions made to their colleagues“ (ebd.). Diese Treffen hatte Amina Goodwin eingerichtet „in grateful remembrance of one of her former masters, Franz Liszt (who devoted two hours on regular days to giving free class-lessons to young pianists)“ (Musical Standard 1906 I, S. 46). Bis 1906 erteilte die Pianistin diese kostenfreien Unterrichtsstunden.

1899 gründete Amina Goodwin, zusammen mit dem Geiger Theodor Werner und dem Violoncellisten William Edward Whitehouse, das London Trio – laut Cobbett „the first classical instrumental Trio to be formed in Great Britain“ (Cobbett, S. 103). Die Einrichtung fester kammermusikalischer Ensembles war zu diesem Zeitpunkt in London noch keine Selbstverständlichkeit, weshalb das London Trio viel Beachtung in der zeitgenössischen Presse fand. Am 27. März 1899 erfolgte das Debüt in der St. James’s Hall. Das Programm enthielt Beethovens Klaviertrio Nr. 7 B-Dur op. 97, Niels Wilhelm Gades Noveletten op. 29 und Brahms’ Klaviertrio Nr. 3 c-Moll op. 101.

Bis 1927 war das London Trio aktiv, allerdings nicht durchgehend in seiner ursprünglichen Besetzung. Theodor Werner gehörte dem Ensemble nur bis Ende 1900 an. Er wurde 1901 von Achille Simonetti (1861–1929) abgelöst. Simonetti verließ das Trio Ende 1912 aufgrund seiner Berufung an die Royal Irish Academy of Music in Dublin. An seine Stelle trat Louis Pecskai (1880−1944). Dieser wurde von 1917 bis 1920 durch Albert Sammons (1886−1957) vertreten und blieb danach bis 1927 in dem Ensemble.

In London veranstaltete das London Trio alljährlich eine Konzertreihe. Daneben unternahmen die MusikerInnen Reisen durch England und Schottland. 1902 und in den folgenden Jahren reisten sie mehrfach nach Italien und musizierten dort u. a. in Bergamo, Brescia, Verona und Venedig.

 

Das London Trio: Amina Goodwin (Klavier), Achille Simonetti (Violine), William Edward Whitehouse (Violoncello), zwischen 1901 und 1912.

 

Das gemeinsame Repertoire umfasste sowohl bekannte Kammermusikwerke von Komponisten wie Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Mendelssohn, Robert Schumann, Brahms, Tschaikowsky und Dvořák als auch unbekanntere Kompositionen von Woldemar Bargiel, Max Bruch, Hubert Parry, Iwan Knorr, Walter Rabl, John Ireland, James Friskin oder Allan Gray, wobei Werke von Beethoven, Schubert, Rubinstein und Brahms auffallend oft in den Programmen enthalten waren. Zu Geburts- bzw. Sterbetagen von Komponisten veranstaltete das Trio wiederholt Konzerte, in denen ausschließlich Werke des entsprechenden Künstlers aufgeführt wurden, wie beim Brahms-Abend am 7. Mai 1906 oder beim „Schumann Centenary Chamber Concert“ (MusT 1910, S. 184) am 8. Juni 1910.

Mehrfach fokussierten sich die MusikerInnen des London Trio sogar für eine gesamte Saison ganz oder hauptsächlich auf Werke eines Komponisten. 1907 spielten sie sämtliche Klaviertrios Beethovens, „to be played in chronological order“ (Athenæum 1906 II, S. 375). 1911 beschränkten sie sich auf die Kammermusik von Brahms und veranstalteten 1912 eine „Schumann Season“ (MusT 1912, S. 746). Die Konzertprogramme des Trios setzten sich indes nicht allein aus Kammermusik zusammen, sondern enthielten immer auch Solovorträge einzelner Mitglieder des Ensembles sowie Gesangsbeiträge verschiedener SängerInnen.

Nach der Gründung des London Trio ist Amina Goodwin – abseits weniger Ausnahmen – nur noch mit diesem Ensemble aufgetreten, zeigte sich in den Konzerten aber regelmäßig als Solistin. Für ihre Solobeiträge wählte sie häufig ältere Werke von Joh. Seb. Bach, Händel oder Domenico Scarlatti, aber auch zahlreiche Kompositionen aus dem 19. Jahrhundert, darunter einige von ihren Lehrern Liszt, Jadassohn und Saint-Saëns sowie Kompositionen von Chopin und Raff. Zu ihren Zugnummern zählten u. a. Mendelssohns Klavierkonzert Nr. 2 d-Moll op. 40, Liszts Consolation Nr. 3 Des-Dur Searle 172 sowie seine Ungarische Rhapsodie Nr. 8 aus Searle 244, Saint-Saëns’ Menuett und Walzer F-Dur op. 56 und Rheinbergers La Chasse op. 5. Gelegentlich trug sie auch eigene Kompositionen vor, wie das Intermezzo cis-Moll und eine Etüde.

Als charakteristisches Merkmal von Amina Goodwins Spiel nennen die Rezensenten regelmäßig außerordentliches technisches Vermögen sowie einen klaren und kraftvollen Anschlag. Der „Leeds Mercury“ schreibt: „Her style is brilliant and incisive, and while her rapid passages are clear and well defined, speed and mechanical perfection are not with her attained at the expense of true sentiment and correct expression“ (Leeds Mercury 20. Febr. 1886). Die „Musical Times“ bescheinigt Amina Goodwin daneben „the possession of much refinement and delicacy, and of highly cultivated technical powers“ (MusT 1886, S. 285). Es handelt sich um Eigenschaften, die männlich konnotiert waren: „We can clearly recognise in her style a crispness and clearness of touch and a degree of self-control unusual in female pianists, and especially so amongst those of Miss Goodwin’s age“ (The Manchester Guardian 12. Dez. 1882). Ein Rezensent der „Musical World“ attestiert der Musikerin „manly energy and vigour, fulness of touch, command of tone-colour, clearness, and precision“ (MusW 1887, S. 119) und Isabel Brooke-Alder zieht einen Vergleich zwischen Amina Goodwin und dem Pianisten Vladimir Pachmann (1848−1933): „If one were asked to mention the feminine counterpart of Pachmann, one would, without any hesitation, name Amina Goodwin, so similar are the gifts of these two eminent pianists: the same clear touch, much the same directness of attack, and, above all, identical crispness in the execution of rapid movements“ (The Minim 1899, S. 92).

Anfang des 20. Jahrhunderts gründete Amina Goodwin die „Schumann Pianoforte Studios“. Dahinter verbarg sich ein complete artistic training for pianists (professional and amateur). Special cultivation of touch, technique, and interpretation to their highest development – on the authentic traditions of the Schumann School“ (MusT 1912, S. 630). Der Unterricht fand in der Æolian Hall statt. Am 17. Juli 1912 wurde dort ein Konzert veranstaltet, in dem SchülerInnen aufgetreten sind. Zu ihnen zählen u. a. K. Richards Carter, May Gilbert, Margarete Montague, Edna Murrell, Annette Orloff, Elizabeth Vansittart Neale und Margaret Robinson.

Seit 1913 wurde für PianistInnen unter 23 Jahren pro Jahr ein Stipendium − „The ‚Amina Goodwin‘ Scholarship“ (Musical Herald 1913, S. [222]) − vergeben, das kostenfreien Unterricht bei der Namensgeberin ermöglichte. Eine der ersten StipendiatInnen war Cecil Emily Sarah Rough.

 

WERKE FÜR KLAVIER

Intermezzo cis-Moll, Paris 1893; Toccata D-Dur, London, um 1894; Gavotte in As-Dur; The U.S.A. Anthem (Text von W. Ingram-Adams), London: Augner & Co. [1894]; Chant sans parole, London 1899; Etüde in B [vor 1907]

 

TONAUFNAHMEN

Beethoven, Klaviertrio c-Moll op. 1 Nr. 3, InterpretInnen: Amina Goodwin (Klavier), Achille Simonetti (Violine) und William Edward Whitehouse (Violoncello), Aufnahme vom 11. März 1905, http://sounds.bl.uk/Classical-music/Cham­ber-music/026M-9CS00116 22XX-0100V0#, Zugriff am 24. März 2012.

 

LITERATUR

Amina Beatrice Goodwin, Practical Hints on the Technique and Touch of Pianoforte Playing, London 1892.

Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig, Bibliothek/Archiv: Prüfungsprotokolle 1880–1881, Signatur A, II.1/5; Inskriptionsregister, Signatur A, I.1 2336; Inskription, Signatur A, I.2 2336; Zeugnisse, Signatur A, I.3 2336

The Athenæum 1884 I, S. 512; 1885 I, S. 609, 834; 1887 I, S. 231; 1892 I, S. 675; 1892 II, S. 41; 1894 I, S. 751; 1899 I, S. 730; 1900 I, S. 636, 826; 1900 II, S. 96; 1901 I, S. 411; 1902 I, S. 539, 667; 1903 I, S. 90, 762; 1904 I, S. 635; 1906 II, S. 375, 522f.; 1910 II, S. 710; 1911 II, S. 399, 567, 805; 1912 I, S. 107; 1913 II, S. 463; 1914 I, S. 171; 1915 I, S. 37, 534; 1916 I, S. 256, 302, 351

Birmingham Daily Post 14. Mai 1878

Chicago Daily Tribune 6. Sept. 1894

The Cremona 1908, S. 16, 25, 49; 1911, S. 80

Daily News [London] 1874, 5. Sept.; 1887, 29. März; 1899, 28. Apr.

The Era [London] 1874, 30. Aug., 6., 13. Sept.; 1885, 4. Juli; 1892, 2. Apr.; 1896, 6. Juni; 1897, 13. März; 1899, 10. Juni

FritzschMW 1877, S. 316

Glasgow Herald 14. April 1884

The Graphic [London] 1884, 19. Apr.; 1887, 8. Jan.

Jahresbericht des Dr. Hoch’schen Conservatoriums für alle Zweige der Tonkunst zu Frankfurt am Main 1887/1888, S. 12, 28; 1888/1889, S. 6, 13; 1889/1890, S. 6, 14; 1890/1891, S. 6, 13, 28

The Leeds Mercury 1884, 17. Dez.; 1885, 22. Dez.; 1886, 13., 20. Febr.

Liverpool Mercury 19. Aug. 1887

Lloyd’s Weekly Newspaper [London] 13. Sept. 1874

The London Gazette 1883, 18. Sept.; 1942, 14. Aug.

The Lute 1884, S. 70

Magazine of Music 1885, S. 62; 1887, S. 245; 1891, S. 220, 225

The Manchester Guardian 1871, 21. Febr.; 1874, 19. Dez; 1878, 12. Okt.; 1879, 1. Jan.; 1881, 26. Nov.; 1882, 17. Jan., 11., 18. Febr., 11., 18., 25. Nov., 2., 9., 12. Dez.; 1883, 17., 24. Febr., 17. Nov., 15., 22. Dez.; 1884, 8. Jan., 19. Febr., 12. Apr.; 1885, 17. Okt.; 1886, 6., 22. Nov.; 1887, 20. Jan.

Manchester Times 1871, 21. Jan.; 1874, 5. Sept.; 1876, 29. Jan.; 1887, 16. Apr.

The Minim 1897, S. 189; 1899, S. [85], 90, 91, 92f.; 1900, S. 302

Monthly Musical Record 1876, S. 108; 1877, S. 107; 1878, S. 80, 104; 1884, S. 113; 1885, S. 163; 1892, S. 114, 143, 167, 199f., 213, 237; 1893, S. 255, 285; 1894, S. 239, 240; 1900, S. 160; 1902, S. 74, 98; 1903, S. 34, 38f.

Musical Herald 1894, S. 196; 1913, S. 5, [222], [250], 314, [346]; 1914, S. [4], 96; 1915, S. 194, [241], 356; 1916, S. 331; 1917, S. 116, 213, 275, 373

Musical Mirror 1929, S. 4

Musical News 1892 I, S. 325; 1893 I, S. 485; 1893 II, S. 287, 309; 1894 I, S. 615; 1894 II, S. 540; 1896 I, S. 532; 1900 I, S. 561f.; 1900 II, S. 57

Musical Opinion and Music Trade Review 1884, S. 352; 1893, S. 490, 523; 1896, S. 306; 1897, S. 380, 397; 1900, S. 683

Musical Standard 1874 II, S. 144, 163; 1876 I, S. 80; 1879 I, S. 22; 1881 II, S. 140; 1882 I, S. 9; 1883 I, S. 183; 1884 I, S. 22, 244; 1884 II, S. 38, 53; 1885 I, S. 126; 1885 II, S. 13, 20, 38; 1886 I, S. 36, 68f., 119, 134, 194, 210f.; 1886 II, S. 338; 1887 I, S. 21, 98; 1889 I, S. 249; 1892 I, S. 247, 285, 295f., 530; 1892 II, S. 148; 1893 II, S. 265, 288; 1894 I, S. 302; 1894 II, S. 244, 264, 284, 304, 324; 1895 II, S. 98; 1896 I, S. 366; 1896 II, S. 316; 1899 I, S. 123, 365; 1901 I, S. [285]; 1903 I, S. 218; 1904 I, S. 295, 314; 1904 II, S. 10f.; 1905 I, S. 12, 139; 1905 II, S. 296; 1906 I, S. 46, 200; 1906 II, S. 263; 1907 I, S. 91, 234; 1907 II, S. 343; 1908 I, S. 5f., 14; 1909 I, S. 16; 1910 II, S. 26, 138; 1911 I, S. 109; 1911 II, S. 36, 344; 1912 I, S. 6, 275, 342; 1912 II, S. 20, 24, 27, 378

MusT 1882, S. 83, 144; 1884, S. 102, 268f., 469, 654; 1885, S. 82, 162, 209f., 339, 480; 1886, S. 85, 147, 285, 362, 403f., [697]; 1887, S. 90, 153; 1892, S. 410; 1893, S. 663; 1895, S. 266; 1896, S. 456, 759; 1897, S. 243; 1899, S. 394; 1900, S. 119, 509; 1901, S. 124; 1903, S. 117, 194, 548

MusW 1875, S. 7; 1883, S. 754; 1884, S. 482; 1885, S. 434; 1886, S. 399, 760, 776, 792, 808, 824; 1887, S. 8, 24, 119, 277, 380, 519, 538

New Quarterly Musical Review 1894 Bd. 2, S. 10

New York Times 6. Sept. 1894

North Wales Chronicle [Bangor] 27. Aug. 1887

Northern Echo [Darlington] 20. Okt. 1900

The Observer [London] 1874, 6. Sept.; 1892, 26. Juni

The Orchestra 1873, S. 51, 521

Orchestra Musical Review 1886, S. 501

The Preston Guardian 5. März 1887

The Saturday Review of Politics, Literature, Science, and Art 1884, S. 508; 1892, S. 445

Signale 1876, S. 610; 1877, S. 531; 1878, S. 580

School Music Review 1917, S. 79

Springfield Daily Republican 9. Juni 1894

The Strad 1892, S. 22

The Times [London] 1884, 14. Apr.; 1885, 3., 10. Juli; 1892, 1. Apr., 30. Aug.; 1896, 5. Juni, 22. Okt.; 1899, 1. Mai; 1900, 9., 23. Juni; 1901, 25. März; 1902, 28. Febr.; 1905, 27. Febr., 18. März, 29. Juni, 9. Dez.; 1907, 30. Jan.; 1908, 13. Jan., 25. Nov.; 1909, 27. März; 1910, 28. Mai, 10. Juni, 6. Juli, 13. Aug., 13. Dez.; 1911, 29. Juni, 31. Okt., 29. Nov.; 1912, 9. Jan.; 1913, 16. Dez.; 1914, 8. Mai, 11. Juni, 21. Nov.; 1915, 2. Jan., 3. Juni, 30. Nov.; 1916, 13. Jan., 22. Juni, 25. Nov.; 1919, 1. Febr.; 1920, 31. Jan., 3. März, 7. Juni, 20., 24. Nov.; 1922, 24. Nov., 2. Dez.; 1923, 5. Mai, 9. Juni, 17. Dez.; 1924, 5., 14. Jan., 7. Juni, 28. Nov.; 1925, 9. Mai; 1927, 14. Mai; 1942, 28. März; 1944, 28. Febr.

Violin Times 1899, S. 119; 1900, S. 162; 1901, S. 162; 1902, S. 162; 1903, S. 68; 1905, S. 19, 50, 181; 1906, S. 44, 86, 145, 164, 169f.; 1907, S. 18f., 34, 52, 84f., 146, 178

Brown Brit, Ebel, Thompson

John Warriner u. Joseph Bennett, National Portrait Gallery of British Musicians, London 1896.

Ajax [Pseud.], Amina Goodwin. A Biographical Sketch, London [1898].

Heinrich Hanau, Dr. Hoch’s Conservatorium zu Frankfurt am Main. Festschrift zur Feier seines fünfundzwanzigjährigen Bestehens (1878–1903), Frankfurt a. M. 1903.

Nicholas Kilburn, The Story of Chamber Music, London 1904.

Henry Saxe Wyndham u. Geoffrey L’Epine (Hrsg.), Who’s Who in Music. A Biographical Record of Contemporary Musicians, London 1913.

Arthur Eaglefield Hull (Hrsg.), A Dictionary of Modern Music and Musicians, London 1924.

Robert Elkin, Queen’s Hall. 1893–1941, London [u. a.] 1944.

Arthur Elson, Woman’s Work in Music, Boston 1904, Repr. Portland 1976.

Jane A. Bernstein, „‚Shout, Shout, Up with Your Song!‘ Dame Ethel Smyth and the Changing Role of the British Woman Composer“, in: Women Making Music. The Western Art Tradition, 1150–1950, hrsg. von Jane Bowers u. Judith Tick, London 1986, S. 304–324.

Walter Willson Cobbett (Hrsg.), Cobbett’s Cyclopedic Survey of Chamber Music, 3 Bde., Bd. 2, London 2. Aufl. 1986.

Claudia de Vries, Die Pianistin Clara Wieck-Schumann. Interpretation im Spannungsfeld von Tradition und Individualität (= Schumann-Forschungen 5), Mainz 1996.

Paula Gillett, Musical Women in England. 1870−1914. ‚Encroaching on all Man’s Privileges‘, Basingstoke 2000.

Bettina Walker, My Musical Experiences, Amsterdam 1890, Repr. ebd. 2001.

Christopher Fifield, Ibbs and Tillett. The Rise and Fall of a Musical Empire, Aldershot 2005.

Janina Klassen, Clara Schumann. Musik und Öffentlichkeit (= Europäische Komponistinnen 3), Köln 2009.

Annkatrin Babbe, Clara Schumann und ihre SchülerInnen am Hoch’schen Konservatorium in Frankfurt a. M. (= Schriftenreihe des Sophie Drinker Instituts 11), Oldenburg 2015.

Annkatrin Babbe, „Netzwerke von und um Clara Schumann am Hoch’schen Konservatorium“, in: Musikerinnen und ihre Netzwerke im 19. Jahrhundert, hrsg. von ders. u. Volker Timmermann (= Schriftenreihe des Sophie Drinker Instituts 12), Oldenburg 2016, S. 163–178.

Liste der Ersteinschreibungen am Konservatorium Leipzig, 1843–1883, Sophie Drinker Institut, https://www.sophie-drinker-institut.de/files/Sammel-Ordner/Online-Materialien%20Hand­buch/Ersteinschreibungen%20Leipzig%201843%20bis%201883.pdf , Zugriff am 17. Aug. 2022.

 

Bildnachweis

Sammlung Manskopf der Goethe Universität Frankfurt a. M., http://edocs.ub.uni-frank­furt.de/volltexte/2003/7810735/, Zugriff am 25. März 2012.

The Minim 1899, nach S. 92

Ebd.

Sammlung Manskopf der Goethe Universität Frankfurt a. M., http://edocs.ub.uni-frank­furt.de/frontdoor.php?source_opus=7805272&la=de, Zugriff am 25. März 2012.

 

Annkatrin Babbe

 

© 2015/2022 Freia Hoffmann